Folgen der US-Attacke:Soleimanis Tod stärkt die Hardliner in Iran

Proteste in Kerbela, Qassim Soleimani

Schiitische Musliminnen protestieren im irakischen Kerbela gegen die Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch die USA.

(Foto: AP)
  • Die Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA wird den Nahen Osten verändern.
  • Der Tod des einflussreichen Kommandeurs der Quds-Brigaden wird aber auch Iran verändern - er wird auf Jahre hinaus ein Wiedererstarken der ultrakonservativen Hardliner befördern.
  • Sollten die USA geglaubt haben, eine Veränderung der iranischen Strategie erzwingen zu können, dann dürften sich diese Hoffnungen bald enttäuschen.

Von Paul-Anton Krüger

Tausende Menschen haben an diesem Samstag bei einer Trauerfeier in den Straßen der irakischen Hauptstadt Bagdad des getöteten iranischen Revolutionsgarden-Generals Qassim Soleimani und des Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis gedacht, die in der Nacht zum Freitag durch amerikanische Raketen starben. Feierlichkeiten in den für Schiiten heiligen Städten Nadschaf und Kerbela folgen.

Am Sonntag wird der Leichnam des Kommandeurs der Quds-Brigaden laut iranischen Staatsmedien in die Islamische Republik überführt. Bei der Trauerfeier in Teheran wird der Oberste Führer Ali Chamenei persönlich das Gebet leiten - eine letzte Geste der Wertschätzung für jenen Mann, den Chamenei bereits vor dessen Tod zum "lebenden Märtyrer der Islamischen Revolution" erhoben hatte.

Soleimanis Tod wird den Nahen Osten verändern, so viel ist klar. Er hat Irans Militärstrategie in den vergangenen 40 Jahren geprägt wie kein anderer. Als Chef der für Auslandsoperationen zuständigen Quds-Brigaden hat er die schiitische "Achse des Widerstands" gegen die USA und Israel mitbegründet und ein Netzwerk von schiitischen Milizen aufgebaut, über die Iran seiner Macht in Libanon, Syrien, Irak und Jemen Geltung verleihen kann.

Berichte aus der Nacht, ein weiterer Luftangriff habe auf der Straße von Bagdad nach Taji erneut hochrangige Anführer solcher Milizen getötet, haben sich nicht bestätigt. Ein Sprecher der Volksmobilisierungseinheiten nahm entsprechende Angaben vom Freitag zurück, auch das irakische Militär dementierte, dass es einen Luftangriff gegeben habe.

Die Islamische Republik hat angekündigt, den Tod ihres bekanntesten und wichtigsten Generals zu rächen, der neben seinen militärischen und geheimdienstlichen Funktionen auch eine wichtige politische Rolle innehatte. Alle Repräsentanten des Regimes zeigten sich darin einig, egal welchem der untereinander zerstrittenen Lager sie zuzurechnen sind. Und es fällt schwer, sich vorzustellen, wie diese Vergeltung aussehen könnte, ohne eine weitere Eskalation nach sich zu ziehen.

Soleimanis Tod wird aber auch Iran verändern und möglicherweise auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte eine Renaissance der ultrakonservativen Hardliner befördern. Denn auf Verständigung mit den USA zu setzen, kann sich auf absehbare Zeit in Iran politisch niemand mehr leisten. Schon seit deren Präsident Donald Trump im Mai 2018 den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen verkündet und die unilateralen Öl- und Finanzsanktionen wieder in Kraft gesetzt hat, sind die Pragmatiker und moderaten Konservativen wie Außenminister Mohammad Dschawad Sarif und Präsident Hassan Rohani ins Hintertreffen geraten.

Eine Strategie zunehmend aggressiver militärischer Provokationen

Sie hatten ohnehin nie direkten Zugriff auf die Regionalpolitik ihres Landes in Syrien, im Irak, in Libanon oder Jemen. Das war Soleimanis Domäne, er schuldete nur Chamenei direkt Rechenschaft. Selten wurde das deutlicher als beim Besuch des syrischen Diktators Baschar al-Assad in Teheran im Februar 2019, von dem Sarif erst aus iranischen Medien erfuhr.

Jüngst bestimmte Soleimani auch maßgeblich die Strategie der Islamischen Republik, Trumps "Kampagne maximalen Drucks" mit einer "Kampagne maximalen Widerstands" entgegenzutreten. Dazu gehörte eine Reihe von zunehmend aggressiven militärischen Provokationen, von Angriffen auf Tanker im Persischen Golf über den Abschuss einer amerikanischen Aufklärungsdrohne bis zum Angriff auf saudische Ölanlagen. Diese Strategie gipfelte in den vergangenen Wochen in einer Reihe von mindestens elf Attacken auf US-Stützpunkte im Irak und in jenem Beschuss einer Basis nahe Kirkuk durch die Miliz Kataib Hisbollah, der einen amerikanischen Zivilangestellten tötete und mehrere amerikanische und irakische Soldaten verwundete.

Weitere Verhandlungen zum Atomabkommen sind nicht zu erwarten

Sarif hatte lange versucht, das Atomabkommen zu bewahren, dem sich die Europäer wie Russland und China weiter verpflichtet sahen. Ein Jahr lang übte sich Iran in Geduld, doch letztlich sah sich das Land in seinen Erwartungen enttäuscht, die Europäer würden ihnen helfen, US-Sanktionen zu umgehen. In der Folge rückte Teheran Schritt für Schritt vom Atomabkommen ab. Und mindestens der jüngste - die Wiederaufnahme der Urananreicherung in der Anlage Fordow - trug schon die Handschrift der radikaleren Fraktionen im Regime, auch wenn Sarif sie weiter nach außen vertritt.

Für die kommenden Tage hat Iran die nächste Phase seiner Reaktion angekündigt - sie dürfte harsch ausfallen. Frankreichs früherer Botschafter bei den UN und in Washington, Gérard Arnaud, schrieb auf Twitter, was auch aktive europäische Diplomaten fürchten: Wie immer Irans Antwort auf die Tötung Soleimanis ausfalle, jede Aussicht auf weitere Verhandlungen zum Atomabkommen oder dessen Überleben sei "zu vergessen". Das wird der ohnehin schon komplexen Krise eine weitere, internationale Dimension der Eskalation hinzufügen. Und die wird auch die Europäer früher oder später zu einer Reaktion zwingen, die sie aus politischen Gründen lange zu vermeiden gesucht haben.

Irans Hardliner werden zudem ihren Einfluss im Parlament in Bagdad und in der irakischen Regierung geltend machen, um die Präsenz der US-Truppen im Land nun zu beenden. Damit steht der Kampf der USA und anderer westlicher Staaten gegen die Überreste der Terrormiliz Islamischer Staat infrage, ebenso die Ausbildungsmission der Bundeswehr für kurdische und irakische Einheiten. Auch die Stabilität im Irak und die Einheit des Landes sind gefährdet: Die Kurden im Irak betrachten die USA weiterhin als eine Art Schutzmacht, ähnliches gilt zumindest für Teile der Sunniten.

Daneben gibt es aber auch schiitische Gruppen, die gegen eine Präsenz Irans sind. Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Bagdad fordern auf Transparenten, die USA und Iran sollten ihre Probleme nicht im Irak austragen. Der populistische Kleriker Moqtada al-Sadr, dessen Anhänger den harten Kern der Demonstranten stellen und der die stärkste Fraktion im irakischen Parlament kontrolliert, hat die neuerliche Mobilisierung seiner gefürchteten Miliz angeordnet.

Sollte irgendjemand in Washington geglaubt haben, mit der Tötung Soleimanis eine Veränderung der Strategie Irans in der Region erzwingen zu können, dürften sich die Hoffnungen bald enttäuschen. Dessen Nachfolger Esmail Qaani mag weniger charismatisch sein, nicht so bekannt und vielleicht nicht im gleichen Maße als Spinne im Netzwerk der Milizen wirken. Aber er war mehr als 20 Jahre lang Soleimanis Stellvertreter - und wird dessen Politik weiterführen, wenn nicht sogar radikalere Wege einschlagen.

Hardliner dürfen sich Hoffnung auf politische Erfolge machen

Zudem stehen Iran richtungsweisende Wahlen bevor - im Frühjahr zum Parlament, im nächsten Sommer dann um die Nachfolge von Präsident Rohani, der nicht mehr antreten darf, aber politisch ohnehin desavouiert ist. Die Hardliner können sich berechtigte Hoffnungen machen, im Parlament eine Mehrheit zu gewinnen. Sofern sie sich auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen, könnten sie zudem die Präsidentschaft von den moderaten Kräften zurückzuerobern, die durch Chamenei zusehends eingeengt werden.

Als potenziellen Nachfolger hat Chamenei, der 2019 seinen 80. Geburtstag beging, Ebrahim Raissi in Stellung gebracht, einen konservativen Kleriker aus Mashad, der 2017 die Präsidentenwahl gegen Rohani verloren hat. Chamenei hat ihn zum Chef der mächtigen Justiz befördert, die im iranischen System auch dazu dient, politische Gegner zu drangsalieren.

Gelingt es den Konservativen, ihre Macht in allen wichtigen staatlichen Institutionen zu festigen, zeichnet das zugleich einen konfrontativen Kurs der Islamischen Republik vor. Mit diesem werden sich sich neben den Staaten in der Region auch die Europäer konfrontiert sehen. Viele Iraner sind völlig desillusioniert von der Politik in ihrem Land. Zusammen mit den drastisch wachsenden ökonomischen Sorgen treibt das so viele Menschen dazu, ins Ausland auszuwandern, wie selten zuvor, vor allem auch Gebildete. Anzeichen dafür, dass Iran seine zweifellos aggressive und ambitionierte Politik in der Region ändert, gibt es keine - eher das Gegenteil.

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