Wirtschaft in Iran:Der Aufschwung endet, bevor er richtig losgehen konnte

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Technik-Präsentation bei einer Energie-Ausstellung in Teheran. (Foto: Abedin Taherkenareh/dpa)
  • Nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA sieht es so aus, als wäre der erhoffte Aufschwung des Landes endgültig zu Ende.
  • Unternehmen wie Daimler, BMW oder Siemens sind schon länger vorsichtig, um nicht von US-Sanktionen getroffen werden.
  • Aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen den USA und Iran ist die Unsicherheit nun wieder größer denn je.

Von Caspar Busse

Viele hatten große Hoffnungen. Sie wollten unbedingt dabei sein, wenn die iranische Wirtschaft einen Aufschwung nimmt. Darunter war auch die Familienfirma Doppelmayr aus der Nähe von Bregenz in Österreich. Der Weltmarktführer bei Seilbahnen begann vor etwa vier Jahren mit den Arbeiten für eine neue Anlage, die die Stadt Teheran mit dem Universitätscampus verbinden soll. "Die ist zu 95 Prozent fertig", berichtete Doppelmayr-Chef Thomas Pichler, "aber wir mussten aufgrund der Sanktionen im Oktober alle Arbeiten einstellen." Das Geschäft des Konzerns in vielen anderen Ländern, darunter die USA, sollte nicht gefährdet werden. Das Aus in Iran sei schade, aber nicht vorhersehbar gewesen, sagt Pichler.

Wie Doppelmayr geht es vielen, die auf Iran gesetzt hatten. Jetzt, nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA in der vergangenen Woche, sieht es so aus, als wäre der erhoffte Aufschwung endgültig zu Ende. Im vergangenen Jahr habe es noch "leichte Hoffnungsschimmer" gegeben, sagt Dagmar von Bohnstein, die Geschäftsführerin der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer, die ihren Arbeitsplatz in Teheran hat. "Wir hatten hier bislang alle darauf gehofft, dass sich Anfang dieses Jahres das Blatt wendet und der vorsichtige Aufschwung weitergeht", berichtet Bohnstein. Doch mit der neuen Eskalation haben diese Hoffnungen wohl einen schweren Dämpfer erhalten. "Jetzt kommt es auch darauf an, wie Iran reagiert. In den ersten drei Monaten dieses Jahres werden wir Klarheit haben", sagt Bohnstein.

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Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) ging der deutsch-iranische Handel bereits 2019 zurück. Von Januar bis Oktober lag das Handelsvolumen bei knapp 1,4 Milliarden Euro - gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 50 Prozent. Die deutschen Exporte nach Iran gingen demnach um die Hälfte auf 1,2 Milliarden Euro zurück, die iranischen Exporte nach Deutschland um 56 Prozent auf 174 Millionen Euro. Ohnehin ist Iran nur ein kleiner Partner für die deutsche Wirtschaft.

Als es vor knapp fünf Jahren im Atomstreit mit dem Land einen ersten Durchbruch gab, schienen die Aussichten noch gut, dass sich das Land schnell öffnet. Besonders für die deutsche Wirtschaft sollte es ein gutes Geschäft werden. "Wir erwarten ein deutliches Wachstum des bilateralen Handels", hieß es damals bei der Handelskammer. Der Markt mit seinen 80 Millionen Einwohnern sei attraktiv, der Nachholbedarf, auch beim Ausbau der Infrastruktur und bei der Ausrüstung der Wirtschaft, sei hoch. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hielt 2015 schon eine Steigerung des Handelsvolumens auf zehn Milliarden Euro für möglich.

"Die großen Konzerne sind schon seit Längerem extrem vorsichtig"

Doch aus alldem wurde nichts, nachdem US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Atomabkommen, das sein Vorgänger geschlossen hatte, verkündete. Die Öffnung des Landes stockte daraufhin, die Finanzierung von Projekten ist schwierig, der Aufschwung schien beendet, bevor er richtig losgegangen war.

"Derzeit sind rund zwei Dutzend deutsche Unternehmen hier vor Ort, in verschiedenen Formen", sagt Bohnstein. Es gebe Chemie- und Pharmaunternehmen, die in Iran produzieren, auch eine Firma, die an der Errichtung eines Solarparks beteiligt ist. In der kommenden Woche sei ein Treffen mit deutschen Wirtschaftsvertretern vor Ort geplant, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Im Land sind dabei in der Regel noch Mittelständler. "Die großen Konzerne sind schon seit Längerem extrem vorsichtig aus Rücksicht auf ihre Interessen in den USA", sagt Bohnstein. Unternehmen wie Daimler, BMW oder Siemens wollen ihre wichtigen Aktivitäten, auch in den USA, schützen und nicht von US-Sanktionen getroffen werden, nur weil sie vergleichbare kleine Engagements in Iran eingehen. Deutschland war bereits vor der Islamischen Revolution ein wichtiger Wirtschaftspartner Irans. Manche Kontakte waren nie völlig abgebrochen, deshalb hoffte man. Doch nun ist die Unsicherheit wieder größer denn je.

Die Zuspitzung in Iran kann zudem negative Auswirkungen auf die internationale und deutsche Wirtschaft haben, die ohnehin vor einem möglichen weltweiten Konjunktureinbruch steht. "Steigen die Rohölpreise in Folge einer weiteren Eskalation nun dauerhaft weiter an, würde das Heizöl-, Benzin und Dieselkosten auch in Deutschland in die Höhe treiben - und damit Unternehmen wie Verbraucher empfindlich treffen", sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Seit der Eskalation war der Ölpreis nach oben gegangen, bis auf über 70 Dollar je Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent, was der höchste Stand seit September 2019 war. Auch der Preis für Gold stieg deutlich, viele Anleger investieren in das Edelmetall, das als besonders krisenfest gilt. In der Nacht auf Mittwoch stieg der Kurs für eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) erstmals seit 2013 über die Marke von 1600 Dollar. Für europäische Investoren ist das Edelmetall mit 1443,07 Euro sogar so teuer wie noch nie.

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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