Ford Mustang Mach-E:Angstgegner aus Amerika

Der Ford Mustang Mach-E fährt voll elektrisch.

Mit dem Mustang Mach-E hat Ford eine völlig neue Auto-Generation entwickelt. Der Elektro-SUV passt mit 4,71 Meter Länge auch in europäische Innenstädte.

(Foto: Eric Chmil)

Ford ist in Europa nicht gerade für Luxusautos oder sportliche Elektrofahrzeuge bekannt. Doch der Mustang Mach-E ist genau das: ein Stromer, den auch die deutschen Marken gerne im Programm hätten.

Von Joachim Becker

Ein Mustang muss laut sein, spurtstark und ein bisschen böse. Dass das Wildpferd auf einem Elektroauto prangen würde, hätte bis vor Kurzem kein Fan der Marke geglaubt. Zumal sich das erschwingliche Sportgerät seit mehr als 50 Jahren weit besser verkauft als alle Autos mit alternativen Antrieben zusammen. Das erklärt so einiges in der Geschichte der Muttermarke Ford und des restlichen US-Automarkts. Es lohnt sich also, kurz in den Rückspiegel zu schauen, um die Gegenwart zu verstehen.

Ford ist noch immer die Heimat des F-150 (gesprochen: Eff one fifty). Auch in der 13. Modellgeneration bleibt der über fünf Meter lange Pick-up-Truck das erfolgreichste Auto in den Vereinigten Staaten - und der Goldesel der Konzernzentrale in Dearborn, Michigan. Dass Ford eine Hybrid-Version des F-150 plant, ist bereits länger bekannt. Als Ford-Manager Jim Farley vor einem Jahr einen rein elektrischen Ableger ankündigte, stand die US-Autowelt Kopf. "Wir elektrifizieren jetzt unsere Kernmodelle. Das, worin wir am besten sind", bestätigt Dave Pericak. Der Chef-Entwickler des Mustang Mach-E ist sichtlich stolz darauf, dass sein Baby über dem Ford-Stand auf der Consumer Electronics Show (CES) hängt. Und dass die Messebesucher in Las Vegas ihren Hals nach dem Elektro-SUV verdrehen. Denn es gehe schließlich darum, ein Wow-Produkt auf den Markt zu bringen.

"Wir kopieren Tesla nicht, sondern gehören zu den ersten, die überhaupt Elektroautos angeboten haben", stellt Pericak stolz fest. Er meint den Ford Focus Electric, der 2011 auf der CES vorgestellt wurde. Mehr als ein paar Tausend Käufer fand der Schwachstromer mit weniger als 200 Kilometer Reichweite jedoch nicht. Erst Tesla habe bewiesen, dass Elektroautos cool sein können und die Leute davon hingerissen seien, gibt Pericak zu. Die Kalifornier können den Hype mit schöner Regelmäßigkeit wieder anfachen: Teslas Cybertruck mit futuristischem Design brachte es kurz nach der Vorstellung vor wenigen Wochen auf mehrere Hunderttausend Vorbestellungen. Damit wird Tesla zur ernsthaften Gefahr für den Marktführer. Kaum verwunderlich, dass Ford mit dem Elektro-F-150 gegenhält und den Mustang Mach-E direkt gegen das kommende Modell Y positioniert, das auch im deutschen Tesla-Werk vom Band laufen könnte.

Ford Mustang Mach-E: Das Touchpad im Hochformat erinnert an Tesla.

Das Touchpad im Hochformat erinnert an Tesla.

(Foto: Ford)

Es geht also ums Eingemachte, zumal Ford und General Motors bereits von Tesla beim Börsenwert überholt wurden. Ford wirft nun das gesamte Prestige seiner Marken in den Ring: "Zuerst haben wir uns nur von Mustang inspirieren lassen", erinnert sich Dave Pericak. Dann sei Jim Farley als globaler Marketing-Chef auf die Idee gekommen, einen echten Mustang daraus zu machen. Wenig mehr als ein Jahr ist das her, und die meisten Fans mit Benzin im Blut und Mustang in der Garage sind noch nicht überzeugt. "Also haben wir viel Energie in das gesamte Fahrwerk und Finish gesteckt." Umfragen unter US-Konsumenten zeigen, dass der Mustang Mach-E in den Sympathiewerten mit Teslas Modell Y gleichziehen kann. Alles richtig gemacht, wird sich wohl auch Bill Ford denken, der an der Entscheidung für den Mustang Mach-E beteiligt war.

Der Ururenkel des Firmengründers Henry Ford war mal Konzernchef und versuchte "Green Cars" zu fördern. Im Rahmen von staatlichen Projekten vor und nach der Jahrtausendwende hatten die "Big Three" Ford, General Motors und Fiat Chrysler eine Reihe von Autos mit alternativen Antrieben entwickelt. Den meisten heimischen Kunden war das schnuppe, sie kauften weiterhin große, durstige und vor allem billige SUV. In diesem Dumping-Wettbewerb fiel Ford gegenüber dem Branchenprimus General Motors zurück und häufte Milliardenschulden an. Als Bill Ford 2006 das Handtuch warf, war der US-Marktanteil der Dearborner von 23 auf 17 Prozent gesunken und der Aktienkurs hatte um 70 Prozent nachgegeben. Die Weltwirtschaftskrise machte 2008 alles noch schlimmer. Ford musste die Firmenanteile an den Marken Jaguar, Land Rover, Mazda und Volvo verkaufen. Game over für grüne Experimente.

Erst unter Firmenchef James Hackett geht Ford seit 2017 technologisch wieder in die Offensive. Im vergangenen Jahr hat Hackett mit Volkswagen-Boss Herbert Diess eine umfangreiche Allianz ausgehandelt. "Ford ist geostrategisch eine gute Ergänzung für uns. Wir stärken dadurch unsere Präsenz in den USA", erklärt Diess. Wichtiger sind allerdings drei strategische Ziele, bei denen die beiden Konzerne ihre Stärken bündeln. "Zunächst einmal wollen wir den MEB als Industriestandard für Elektrofahrzeuge etablieren. Zweitens wollen wir Marktführer bei leichten Nutzfahrzeugen und mittleren Pick-ups werden. Und drittens wollen wir am schnell wachsenden Markt für Mobilitätsdienste teilnehmen", so Diess.

Im Kern geht es zunächst darum, Mengenvorteile im wachsenden Markt für Elektroautos zu erreichen. VW und Ford wollen ihr Absatzvolumen bündeln, um den Preiskampf gegen Tesla zu gewinnen und dabei ordentlich Geld zu verdienen. Ab 2023 will Ford mindestens 600 000 eigene Stromer auf MEB-Basis verkaufen. Diess deutet an, dass ein weiterer Liefervertrag für ein zweites Fahrzeug im Gespräch sei: "Dann könnte sich die Lieferung unserer MEB-Plattformen an Ford fast verdoppeln." Bis 2022 investieren die Dearborner mehr als zehn Milliarden Euro, um zu einem führenden Anbieter von Elektroautos aufzusteigen. Zu den Fahrzeugen auf MEB-Basis werden weitere Modelle auf der Mach-E-Plattform für den US-Markt kommen. Neben vollelektrischen Performance-SUVs will die Konzernmarke Lincoln in diesem Jahr auch "elegante" Stromer präsentieren, die dem "ruhigen Luxus" der Marke entsprechen sollen.

Nach Europa kommt nur der Mustang Mach-E. Für den US-Geschmack ist der 4,71 Meter lange Elektro-SUV eher sportlich-eng geschnitten, obwohl vier Erwachsene genügend Platz finden. Der Kofferraum im Fond ist mit einem Volumen von 402 Liter nicht opulent, vorne gibt es unter der Haube aber ein zusätzliches Fach mit 100 Liter. Wer die Rücksitze umlegt, bekommt eine ebene Ladefläche mit 1420 Liter Volumen. Maßgeschneidert für den hiesigen Geschmack (Jim Farley war mal Europa-Chef von Ford) ist auch die breite Leistungspalette bei den Antrieben. Während das Basismodell mit einem Elektromotor an der Hinterachse 190 kW (255 PS) bei maximal 410 Nm Drehmoment leistet, bietet die nächst stärkere Version auch einen 50-kW-Elektromotor an der Vorderachse. Dadurch steigt die Leistung auf 248 kW (337 PS) bei einem Drehmoment von 565 Nm. Die Hochleistungsvariante "GT" wird sich ab dem Sommer 2021 mit elektrischem Allradantrieb und 342 kW (465 PS) sowie 830 Nm als Herausforderer des Porsche Taycan inszenieren. Standard ist ein Batteriepack mit 75 kWh für einen Radius von 450 Kilometern. Optional gibt es ein Akkupaket mit 99 kWh, die bei der Basisversion für 600 Kilometer Reichweite im WLTP-Zyklus gut ist. Mit dieser Angebotsvielfalt wird der Mustang Mach-E zum Angstgegner von Audi E-Tron, Jaguar i-Pace und Mercedes EQC. Zumal sein Einstiegspreis bei 46 900 Euro beginnt.

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