Fahrbericht Porsche Taycan:Mehr E-Power braucht es nicht

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Mit dem Taycan will Porsche im Elektrosegment Boden gut machen. Nun gibt es den Flitzer auch in einer Basisvariante - und die reicht völlig aus.

Von Georg Kacher

Tesla oder Taycan, diese Glaubensfrage kann die Papierform nicht beantworten. Wer oft zu viert unterwegs, kann sich den Besuch beim Porsche-Händler sparen. Dort wird man eher fündig, wenn klassische Markenwerte wie Dynamik, Prestige und Verarbeitung im Vordergrund stehen. Allerdings spielen die Turbo-Modelle mit 152 000 bis 186 000 Euro in einer Preisliga, die nur wenigen zugänglich ist. Auch der Taycan 4 S ist mit 105 600 Euro kein Sonderangebot, zumal man sich die 6521 Euro teure Performance-Batterie mit einer Nettokapazität von 83,7 Kilowattstunden nicht versagen sollte. Aufpreisfrei sind das gelungene Design, das begeisternde Fahrerlebnis und die solide Qualität.

Mit dem starken Akku spurtet der 2220 Kilogramm schwere E-Porsche in nur vier Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer. Nach 12,9 Sekunden ist die Tempo-200-Marke erreicht, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 250 Kilometer pro Stunde. Die volle Leistung lässt sich nahezu beliebig oft abrufen, die Batterie verausgabt sich bei Bedarf bis fast zur Neige, das Zweigang-Getriebe an der Hinterachse bringt das ansatzlos verfügbare maximale Drehmoment von 650 Newtonmeter unter Volllast per Doppelschub auf die Straße. Bleifuß-Piloten dürfen gerne starke Raucher sein oder dem Koffein verfallen, denn ein stramm bewegter Taycan verlangt in 300-Kilometer-Intervallen nach Ladepausen, die im Idealfall mit 270 Kilowatt aus der 800-Volt-Steckdose nur 28 Minuten dauern. Wer es langsamer angehen lässt, kommt deutlich über 400 Kilometer weit.

Die alte Autowelt ist dem Taycan teilweise fremd, und auch im Kopf des Fahrers muss die Marke mit neuen Inhalten belegt werden. Doch mit jedem Taycan-Kilometer wächst die Lust an jenen Eigenschaften, die kein Porsche 911 bietet. Da wäre zu allererst dieses unvergleichliche Aus-der-Ruhe-kommt-die-Kraft-Gefühl. Die Souveränität der ansatzlosen Kraftentfaltung. Das lässige Gleiten. Die Gewissheit, dass man könnte, wenn man wollte, aber man will gar nicht mehr so oft wie im nach Drehzahl gierenden Verbrenner. Weil auch lautloses Segeln und behutsames Rekuperieren ihren Charme haben, weil die Reichweitenanzeige eher Ansporn als Bedrohung ist, weil die neue Autowelt mit der sozialen Akzeptanz absolut konform geht.

Der fast fünf Meter lange Taycan 4S ist kein Raumwunder, aber ein Hingucker, der seine imposanten Proportionen in den Dienst eines mit 0,22 ungewöhnlich niedrigen Luftwiderstandbeiwerts stellt. Trotz Fußgarage - zwei Aussparungen im Boden vor den Rücksitzen - reicht die Beinfreiheit nur knapp aus, die lichte Raumhöhe bevorzugt kahle Schädel, und der Ein- und Ausstieg erfordert eine gewisse Mindestfitness. Das Cockpit ist aufgeräumt, die fünf Fahrmodi Range, Normal, Sport, Sport Plus und Individual lassen sich bequem vom Lenkrad aus anwählen, die Liste der Extras reicht von Zuffenhausen fast bis Feuerbach. Geladen wird über Klappen links und rechts im Vorderwagen. Serienmäßig sind ein On-Board-Gleichstrom-Lader mit 50 Kilowatt, der sich über 400-Volt-Säulen mit Strom versorgt, sowie ein weiterer Anschluss für maximal elf Kilowatt Wechselstrom. Im Idealfall steht eine 800-Volt-Station zur Verfügung, an der mit bis zu 270 Kilowatt elektrische Energie gebunkert werden kann. Gegen Aufpreis zu haben sind ein On-Board-Charger mit 150 Kilowatt, Ladekabel, tragbarer Lader und Wallbox für die heimische Garage.

Auch für den Basis-Taycan sind diverse Fahrdynamik-Goodies lieferbar, die man sich aber sparen kann - abgesehen vielleicht von der Hinterachslenkung, durch die sich der Wendekreis um 60 Zentimeter auf 11,2 Meter verringert. Im Preis enthalten ist die adaptive Luftfederung, die selbst in Verbindung mit den großen 21-Zoll-Reifen ausreichend Restkomfort vermittelt. Das Dreikammer-System ermöglicht es, den Wagen um 20 Millimeter anzuheben oder um bis zu 22 Millimeter abzusenken, was ab 180 Stundenkilometer automatisch erfolgt, wovon Aerodynamik, Richtungsstabilität und Straßenlage profitieren. Der Taycan 4 S macht den Turbo und den Turbo S zwar nicht überflüssig, doch ob die stärkeren Motorisierungen den Mehrpreis wert sind, ist fraglich. Denn der Unterschied zwischen den drei E-Mobilen ist viel kleiner als die Diskrepanz zwischen Carrera und 911 Turbo. Deshalb könnte der für 2021 avisierte, noch etwas schwächere Taycan 4 die beste Wahl sein. Er soll deutlich unter 100 000 Euro kosten - und das ebenfalls ohne wesentliche Abstriche bei Fahrvergnügen und Funktionalität.

Das Fahrzeug wurde dem Autor im Rahmen einer Fahrveranstaltung vom Hersteller zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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