Müll:Der weite Weg zur Tonne

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Plastik zu vermeiden bedeutet keinen Verzicht.

Von Mareen Linnartz

In der Diskussion über die Klimakrise und was jeder dazu beitragen kann, sie abzumildern, wird erstaunlich viel über Verzicht gesprochen, gerne versehen mit dem Zusatz, für eine tatsächliche Schubumkehr brauche es vor allem Maßnahmen der Politik. Aber erstens kann man ja trotzdem seine Lebensweise überdenken und sich zweitens fragen, ob man wirklich von Verzicht sprechen sollte, wenn es eher um Gesundschrumpfen geht. Plastikverbrauch, zum Beispiel. Plastik haben wir bis vor einem Jahr nicht getrennt, keine gelbe Tonne im Hof, der Container ein paar Straßen weiter immer überquellend, reine Faulheit also, oder, noch blöder: Gedankenlosigkeit. Auf 38 Kilogramm Plastikverpackung bringt es ein Deutscher in einem Jahr, damit gehören wir zur Spitzengruppe in Europa, der EU-Durchschnitt liegt bei 24 Kilogramm, das meiste wird weggeworfen, verbrannt, oder verschifft, nur 16 Prozent wiederverwendet. 38 Kilogramm, damit kommt man bei einer fünfköpfigen Familie wie der unseren auf einen Durchschnittswert von 190 Kilogramm, Plastik wiegt ja eher wenig, das heißt: Das ist unglaublich viel. Wie viel, davon bekomme ich nun eine Ahnung, denn seit einem Jahr wird vor allem auf Anweisung des jüngsten Sohnes alles getrennt, auch Plastik. Der Zehnjährige ist sehr streng, inspiziert gerne mal die einzelnen Müllfächer, sortiert bisweilen um. Wir versuchen mehr als vorher, Plastik zu vermeiden, grundsätzlich, aber auch, weil wir sonst ständig zum Container laufen müssten. Einmal den Blick geschärft, sieht man, wie absurd flächendeckend Plastik eingesetzt wird. Wann hat das eigentlich angefangen, Pilze einzuschweißen? Haben wir wirklich früher 30 Himbeeren in Plastikschälchen gekauft? Und warum haben wir nicht immer schon für jeden Einkauf eine eigene Tasche mitgenommen, etwas, was wir inzwischen so selbstverständlich machen wie Zähne putzen? Und diese lustigen Haarseifen statt großer Shampoo-Flaschen: Riechen besser, sind handlicher, fühlen sich gut an. All das ist null Verzicht, null Einschränkung des Lebensstils, aber eine Bereicherung, weil damit Selbstverständlichkeiten infrage gestellt werden, die man lange, viel zu lange, einfach hingenommen hat - und bei denen der alltägliche Plastikverbrauch nur eine von sehr vielen ist.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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