Grammy-Gewinnerin Billie Eilish:Neon-Gothic-Indie-Horror-Bond-Girl

Neues von den Superstars

"Neon-Gothic-Indie-Horror-Schlumpf"? Das kommt ganz gut hin. Billie Eilish beim Lollapalooza Festival in Berlin.

(Foto: dpa)

Billie Eilish singt den Titelsong von "Keine Zeit zu sterben". Das ist stimmig - und riskant: In den vergangenen 30 Jahren sind da nicht alle Künstler unbeschädigt rausgekommen.

Von Jakob Biazza

Die beunruhigende Nachricht für Fans vorweg: Billie Eilish wird den Titelsong des neuen James-Bond-Films singen. Das ist kein ganz risikoloses Unterfangen, wenn man sich die Liste der Künstler ansieht, die das in den vergangenen 30 Jahren getan haben. Nicht alle sind ganz unbeschädigt rausgekommen aus der Nummer. A-ha ("Der Hauch des Todes") schafften es in den USA danach nur noch einmal in die Top 200. Vier Jahre nach "Golden Eye" erschien Tina Turners letztes reguläres Album. Die Band Garbage ("Die Welt ist nicht genug"): kommerziell tot. Madonna ("Stirb an einem anderen Tag"): künstlerisch erledigt.

Andererseits sind dieser Billie Eilish, geboren und aufgewachsen in Highland Park, Los Angeles, schon andere recht sagenhafte Dinge gelungen, seit sie 2016 den Song "Ocean Eyes" beim Musikportal Soundcloud hochlud und damit internationale Aufmerksamkeit erlangte. Damals war sie gerade einmal 14 und wollte eigentlich Tänzerin werden. Dann riss beim Training ein Muskel. Also wechselte sie zur Musik. Und wie sie wechselte.

Bereits ihre Debüt-EP "Don't Smile at Me" schaffte es in die Top 15 in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien. Das erste richtige Album "When We Fall Asleep, Where Do We Go?" wurde das erfolgreichste (und auch mit das beste) des Jahres 2019. Eilish ist die bislang jüngste Künstlerin, die bei den Grammys im selben Jahr in den vier Hauptkategorien Aufnahme, Album und Song des Jahres sowie Bester neuer Künstler nominiert wurde - und alle vier Preise gewann. Hinzu kommt das in dieser Branche inzwischen fast unvermeidliche Unternehmertum: Beim Luxuslabel MCM präsentiert sie eine Taschenkollektion. Die Klamottenmarke Bershka verkauft von ihr designte Shirts, und selbstverständlich betreibt sie auch eine eigene Marke: Blohsh. Das alles geschah übrigens, bevor die Sängerin, die mit bürgerlichem Namen Billie Eilish Pirate Baird O'Connell heißt, im Dezember 18 Jahre alt wurde.

Kaum jemand hätte wohl von Anfang an darauf gewettet, dass ausgerechnet Eilish, deren Eltern die Schauspieler Maggie Baird und Patrick O'Connell sind, zu einem solchen Phänomen wird. Popmusik verliert - zumindest als Massenspektakel - bei jungen Menschen sukzessive an Bedeutung. Und der Stil der Sängerin ist fordernd, sehr fordernd - modisch wie musikalisch. In dieser Zeitung wurde sie, die gerne weite, aggressiv grelle Klamotten trägt und immer wieder die Haarfarbe wechselt, schon einmal als Neon-Gothic-Indie-Horror-Schlumpf bezeichnet.

Das kommt ganz gut hin. Auch ihre Songs sind durchtränkt von Brüchen und eigentlich unversöhnlichen Widersprüchen, sie klingen zu gleichen Teilen lebensmüde und jauchzend, zerbrechlich und kugelsicher. Dabei sind es sehr unwiderstehliche Pop-Hymnen, die sie mit ihrem drei Jahre älteren Bruder Finneas produziert. Und doch sind diese Songs auch immer im genau richtigen Maße verhaucht und verschroben. In ihren besten Momenten wirken sie, als würde man einem mit Beruhigungsmitteln auswattierten Gehirn beim sehr lauten Denken zuhören.

Nach eigenen Angaben hat Eilish Erfahrungen mit Depressionen und leidet auch unter dem Tourettesyndrom. Außerdem sagt sie von sich, Synästhetikerin zu sein, was bedeutet, dass sie Musik nicht einfach hört, sondern sie visuell vor sich sieht. "Pferde sind das Einzige, was bei mir als Therapeutikum wirkt", hat sie vor ein paar Monaten einmal erzählt. "Pferde machen mich entspannt und glücklich."

Und nun wird Billie Eilish also zur jüngsten Künstlerin, die bislang einen Bond-Song geschrieben und aufgenommen hat. Diesen Karrieresprung kommentierte sie auf Instagram, wo ihr übrigens beinahe 50 Millionen Menschen folgen, mit folgenden Worten: "James Bond. Und ich singe den Titel-Song." Dann folgen sechs verlegene, ja ungläubige Emojis. 3,3 Millionen Menschen gefällt das. Bislang.

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