Interview:Blick in die Vergangenheit

Kinga Glyk

In wenigen Tagen wird sie 23 Jahre alt. Die polnische Bassistin Kinga Glyk ist aktuell eine der großen Hoffnungsträgerinnen der Jazzszene.

(Foto: Peter Hönnemann)

Die E-Bassistin Kinga Glyk stellt im Prinzregententheater ihr viertes Album "Feelings" vor, auf dem sie der Klangmagie der Siebziger- und Achtzigerjahre nachspürt

Von Oliver HochkeppelOliver Hochkeppel

Youtube-Stars gibt es inzwischen auch im Jazz. Die polnische E-Bassistin Kinga Glyk zum Beispiel ging, wie man heute so schön sagt, vor dreieinhalb Jahren steil viral, nachdem sie ihre atemberaubend virtuose Version von Eric Claptons "Tears In Heaven" ins Netz gestellt hatte. Daraufhin wurde die Tochter des Vibrafonisten Irek Glyk - der in der Familienband mit dem Schlagzeug-spielenden Bruder ihr wichtigster Lehrer und Mentor ist - auf wichtige Festivals eingeladen, unter anderem vom "Heute Journal" als "große Hoffnung des europäischen Jazz" ausgerufen und vom Major-Label Warner unter Vertrag genommen. Dort ist jetzt ihr viertes Album "Feelings" erschienen, das Glyk nun, wenige Tage vor ihrem 23. Geburtstag, live im Prinzregententheater vorstellt.

SZ: Seit Ihrem Durchbruch sind Sie nahezu ununterbrochen auf Konzertreisen. Jetzt ist ihr neues Album mit überwiegend eigenen Songs erschienen. Wann und wo kommen Sie überhaupt zum Komponieren?

Kinga Glyk: Auf die meisten Ideen bin ich zu Hause gekommen, in meinem Zimmer. Da entstehen die Melodien der Songs, dann gehe ich damit zu Pawel Tomaszewski, meinem Pianisten und Produzenten dieses Albums. Wir hatten dieselben Vorstellungen für das Projekt, deshalb war ich froh, dass wir alles gemeinsam erarbeitet haben. "Feelings" ist sowieso mein erstes Album mit einem Produzenten, die drei vorigen sind mehr oder weniger entstanden, indem die Band im Studio drauflos improvisiert hat. Deshalb ist es eine völlig andere CD geworden, vor allem, glaube ich, weil ich jemanden hatte, der mir bei allem geholfen hat.

Kamen Sie über Ihre Familie auf Pawel?

Ja, mein Vater hat viel mit ihm gespielt, er kennt ihn länger als mich. Pawel hat auch schon auf meinem zweiten Album Klavier gespielt. In Polen ist er sehr bekannt, er hat sehr viel produziert, ganz unterschiedliche Sachen.

War es seine Idee, dass "Feelings" im Sound stark nach den Siebziger- und Achtzigerjahren klingt?

Das hat sich so entwickelt, schon bei den Melodien, die mir eingefallen sind. Als wir die angehört haben, haben wir uns immer an Songs aus dieser Zeit erinnert gefühlt.

Zwei Stücke auf dem Album beginnen mit dem Kratzgeräusch eines Plattenspielers. Sie sind 22. Haben Sie je LPs gehört?

Nein, tatsächlich habe ich nichts, um mein Vinyl abzuspielen, ich will mir seit langem einen Plattenspieler kaufen. Aber ich fand die Idee cool, weil es das Gefühl unterstreicht, dass die Musik in der Vergangenheit "echt" war, authentischer als vieles heute. In den Siebzigerjahren war es eben oft nicht nur Musik, sondern die Leute haben ihr Innerstes ausgedrückt. Deshalb habe ich Musik aus dieser Zeit immer so geschätzt und bei "Feelings" versucht, mit der gleichen Aufrichtigkeit zu spielen.

Die meisten Innovationen der Pop- und Rockmusik stammen ohnehin aus den Siebzigern. Elektronik und Synthesizer, Rhythmik und Beats, Sounds und Konzeptionelles. Es klingt, als hätten Sie möglichst viel davon einbauen wollen?

Ja, und so haben wir auch die Musiker ausgesucht. Ich und meine ganze Familie, wir sind Schlagzeug-Freaks. So haben wir lange im Internet recherchiert und sind dann auf Calvin Rogers aus Chicago gestoßen, der genau den Deep Groove spielt, den wir haben wollten. Er ist in den USA sehr gefragt, hat mit vielen großen Soul-Queens gespielt und ist selbst Produzent, ich hatte nicht erwartet, dass er zusagt. Glücklicherweise hatte er Lust. Die Gäste hatte ich oft schon lange im Sinn, zum Beispiel Marcus Millers Keyboarder Brett Williams. Oder Bobby Sparks, der beim Stück "Classic" dabei ist, habe ich schon vor drei, vier Jahren getroffen und konnte ihm eine meiner CDs geben. Jetzt war er bereit, mitzumachen - allerdings konnte er nicht nach Europa ins Studio kommen, er hat es zu Hause in den USA eingespielt.

Auch Ihre Kompositionen klingen reifer, als man es bei ihrer Jugend erwarten würde. Ein Stück heißt ja gar "What Is Life". Könnte man da als Antwort heraushören: ein Tanz?

Ja, das könnte man so sehen. Eine große andere Antwort habe ich nicht, das ist ja eine sehr schwere Frage. Aber eines wollte ich dem Hörer damit vermitteln: Das Leben ist so schnell geworden heutzutage, vom Internet bis zur Arbeit. Es sollte aber nicht nur um Erfolg gehen, es ist wichtig, manchmal innezuhalten und über unser Leben nachzudenken.

"Low Blow" ist eine Hommage an ihren großen Kollegen Victor Bailey. Haben Sie ihn einmal getroffen, bevor er starb?

Leider nein, aber er ist eines meiner großen Vorbilder.

Einer der wenigen Cover-Songs auf "Feelings" ist "Mercy" von Duffy. Das ist noch nicht so alt, trotzdem haben Sie es wahrscheinlich erst jetzt entdeckt?

Ja, eine lustige Geschichte: Ich arbeitete bei Pawel im Studio an eigenen Stücken und bin dann auf dem Nachhauseweg noch Einkaufen gegangen. Da lief das Lied im Radio, und ich dachte mir sofort: Das ist hundert Prozent von dem, was wir auf dem Album haben sollten.

Kinga Glyk, Sa., 18. Januar, 20 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12

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