Frankfurt:Bloß nicht wie 2011

Cheftrainer Adi Huetter Eintracht Frankfurt bei der Vorbereitung des Uebungsplatzes Training Eintr

Suche nach Halt: Frankfurts Trainer Adi Hütter steckt in der schwierigsten Phase seiner Amtszeit.

(Foto: Roskaritz /imago/Eibner)

Abstiegskampf statt Europa-Euphorie: Bei der Eintracht versucht Trainer Adi Hütter Korrekturen - und hofft noch auf winterliche Verstärkungen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Im Herbst stellte Frankfurts Trainer Adi Hütter sein neues Buch vor, und darin ließ sich auch eine Passage über einen eher ungewöhnlichen Motivationsansatz finden. Dieser bezog sich auf seine Zeit bei den Young Boys Bern. In seinen ersten beiden Jahren in der Schweiz war er jeweils Zweiter geworden, dann stand die dritte Saison an - und Hütter ließ seine Spieler als Künstler antreten. Jeder sollte malen, wie er sich den letzten Spieltag vorstelle. Der Trainer selbst fertigte auch ein Bild an, und dann kamen die Kunstwerke in Klarsichtfolie verpackt in die Spinde der Spieler, um dort stets an den gemalten Traum zu erinnern. Und am Ende der Saison 2017/18 stand dann die erste Berner Meisterschaft seit 32 Jahren.

Es wäre durchaus interessant, dieser Tage mal den Spielern von Eintracht Frankfurt Stift und Papier in die Hand zu drücken - und zu schauen, was denn aus ihrer Sicht einen erfolgreichen Jahresabschluss darstellen würde. Denn die Mannschaft befindet sich im Moment zweifellos in der schwierigsten Phase seit dem Amtsantritt von Adi Hütter im Sommer 2018.

Die rund um die tolle Europa-Reise im vergangenen Frühjahr entstandene Euphorie ist merklich abgeflaut. Seit dem furiosen 5:1 gegen den FC Bayern Anfang November gab es nur noch einen Punkt aus sieben Ligaspielen. Auf Platz 13 stehen die Frankfurter nun, drei Punkte vor den Abstiegsrängen, dazu kommt mit den Spielen bei der TSG Hoffenheim und gegen Leipzig gleich ein schweres Auftaktprogramm in die Rückrunde. Und die Pessimisten in Frankfurt erinnern sich bereits an das Jahr 2011, als die Klub-Verantwortlichen lange nicht wahrhaben wollten, wohin der Trend ging - was am Ende den vierten Abstieg der Vereinshistorie erbrachte.

Nicht wahrhaben zu wollen, dass man zu den gefährdeten Teams gehört, das ist oft der sicherste Weg, dass man schnell zu den besonders gefährdeten Teams gehört. Aber die aktuellen Frankfurter Verantwortlichen um Trainer Hütter scheinen dem früh entgegenwirken zu wollen: "Wir wollen uns immer nach vorne orientieren, aber ich rede jetzt nicht von einem Platz unter den ersten Zehn, sondern sage: Weg von hier, schnellstmöglich Punkte zusammenkratzen!", sagte Hütter dem Kicker.

Der Österreicher bastelt gerade daran, die Frankfurter Mannschaft so auf- und umzubauen, dass sie wieder eine ähnlich überzeugende Formation wie über weite Strecken der vergangenen anderthalb Jahre bildet. Aber das ist nicht ganz leicht.

DFB-Pokal gegen Leipzig, Europa League gegen Salzburg: Die Dreifachbelastung bleibt

So zeichnete sich in der Vorbereitung zum Beispiel ab, dass Hütter künftig lieber mit einer Viererkette statt mit dem gewohnten 3-5-2-System antreten will. Die Viererkette spukte zwar auch schon in vergangenen Vorbereitungen umher, aber nie so konsequent wie diesmal. Eigentlich ist Hütter in solchen Fragen kein Ideologe, wichtiger sei ihm die grundsätzliche Spielanlage, teilte er bei früheren Debatten mit. Aber das bisherige Modell koste halt sehr viel Energie, gibt er jetzt zu verstehen, er will bei seiner Mannschaft wieder mehr Kompaktheit sehen. Doch die Frage ist, ob der Kader fürs Viererketten-Modell wirklich die passenden Akteure bereithält.

Überhaupt, der Kader: In der Hinrunde zeigte sich klar, dass dieser qualitativ nicht mit jenem der Vorjahre mithalten kann. Der Weggang der drei Top-Angreifer Luka Jovic, Sebastién Haller und Ante Rebic ließ sich nie kompensieren. Und erstmals seit dem Amtsantritt von Fredi Bobic als Sportvorstand erwiesen sich die Zugänge nicht als die erhofften Verstärkungen. Weder Mittelfeldspieler Djibril Sow noch die beiden Angreifer Bas Dost und André Silva konnten über längere Strecke überzeugen. Zudem fallen nun auch noch die beiden Zentralspieler Gelson Fernandes und Daichi Kamada verletzt aus.

Deswegen ist klar, dass sich die Eintracht auf einigen Positionen noch mal verstärken sollte. Zugleich lassen die Verantwortlichen erkennen, dass sie keinen Aktionismus betreiben wollen. Bisher gab es zwar viele Gerüchte und in Person von U 21-Nationalspieler Ragnar Ache eine Verpflichtung für den Sommer, aber noch keinen Winter-Zugang. Immerhin kann Torwart Kevin Trapp nach einer langwierigen Schulterverletzung wieder mitwirken.

Ein weiteres Thema dürfte trotz der kurzen Pause über Weihnachten die andauernde Mehrfachbelastung bleiben. 56 Pflichtpartien bestritt die Eintracht im Kalenderjahr 2019, allein 31 in der laufenden Saison, mehr als jeder andere deutsche Profiklub. Lange wollten die Frankfurter diesen Zusatzaufwand nicht als Erklärung für die schlechten Ergebnisse ins Feld führen, aber kurz vor Weihnachten beklagte Hütter dann doch eine gewisse Müdigkeit.

In der Rückrunde geht es jedoch im selben Rhythmus weiter: Die Frankfurter sind noch im DFB-Pokal vertreten, in dem sie im Achtelfinale Anfang Februar erneut auf Leipzig treffen. Und in der Europa League, in der sie im April erst im Halbfinale am FC Chelsea scheiterten, geht es kurz danach gegen RB Salzburg.

Das ist eine schwierige Aufgabe. Aber sollten die Frankfurter Spieler gerade Motivationsbilder malen, auf denen sie jubeln, dann sollten sich dabei wohl dennoch auf die internationale Bühne beziehen.

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