Klausurtagung in Würzburg:Die Grünen im Endorphin-Rausch

Klausur der bayerischen Grünen-Landtagsfraktion

In Bayern setzt sich die Fraktion der Grünen aktiv für Reaktivierungen alter Strecken ein - hier die Fraktionsmitglieder bei einer Tagung.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Landtagsfraktion findet sich selbst und ihre Themen und vor allem die Umfrage-Ergebnisse super.

Von Lisa Schnell, Würzburg

Irgendwann haben die Grünen einfach den DJ abgeschafft. An ihrem Grünen Abend, zu dem die Landtagsfraktion traditionell bei ihrer Klausurtagung lädt, gibt es deshalb zwar vorzügliches Wintercurry, aber keine Tanzmusik. Und man fragt sich: Warum eigentlich? Nicht nur, weil Tischnachbarn immer noch von den legendären Tanzeinlagen früherer Fraktionschefs schwärmen. Sondern, weil sie doch einfach irgendwie raus muss, die Freude und die gute Laune.

Etwa die von Katharina Schulze, die da gerade am Tisch vorbeiläuft. Wie die Fraktionschefin der Grünen ohne breites Grinsen im Gesicht aussieht, weiß man schon gar nicht mehr. Sie will gerade etwas sagen, äußerst wahrscheinlich etwas sehr positives darüber, wie toll der Kommunalwahlkampf läuft, wie viele Freiwillige mithelfen, wie gut die Stimmung ist. Da wird sie schon wieder weggezogen. Schon wieder ein neues Mitglied, ein neuer Kandidat, der ein Foto mit ihr will.

"Der absolute Hammer", so sagt es Schulze später, mittlerweile den Fotojägern entkommen, bei der Abschlusskonferenz ihrer Winterklausur in Würzburg. Eigentlich ging es bei der natürlich um die Themen, mit denen die Grünen ins neue Jahr und damit in den Kommunalwahlkampf starten. Aber natürlich geht es auch darum, wie gut alles gerade läuft und ob es so weiter geht, etwa am 15. März, wenn in Bayern wieder gewählt wird. Die Umfragen zumindest könnten besser kaum sein.

Pünktlich zu ihrer Klausureröffnung konnten die 38 Abgeordneten im BR-Bayerntrend ausschließlich Positives über sich lesen: Als einzige Partei im Landtag legen die Grünen signifikant zu um vier Punkte auf 25 Prozent. So viel Zustimmung hatten sie noch nie bei einem Bayern-Trend. Die 17,6 Prozent bei der Landtagswahl, das ist der Höhepunkt. So dachten es einige Abgeordnete, von denen vor einem Jahr nicht wenige überrascht waren, dass sie nun auf einmal im Landtag sitzen. Und jetzt also 25. Und so geht es weiter. Inhalte, nicht Köpfe, das war immer das Motto der Grünen. Die Bekanntheit ihrer Politiker fiel dementsprechend gering aus. Katharina Schulze aber, das Fotomotiv Nummer eins am Grünen Abend, kennen mittlerweile 63 Prozent der Bayern. Auch hier haben sie die SPD nun offiziell überholt. Der SPD zwacken die Grünen nicht nur die Prozente ab, ihren Markenkern wollen sie auch gleich übernehmen. Wie selbstverständlich zählt Schulze am Freitag als Themen der Grünen die soziale Gerechtigkeit auf, gleich an zweiter Stelle hinter dem Klimaschutz.

Zu den Schwerpunkten der Klausur zählt sie nicht. Die sind Mobilität und Klimaschutz und damit fast deckungsgleich die Themen, die laut Bayern-Trend am meisten interessieren im Kommunalwahlkampf. "Es passt alles so wunderbar zusammen", frohlockt Schulze noch, dann legt sie los. Erstens Mobilität, ganz oben auf der Agenda der Bayern, ganz oben bei den Grünen. Bis 2030 wollen sie Bus und Bahn so ausbauen, dass etwa drei Milliarden Fahrgäste pro Jahr transportiert werden können, doppelt so viele wie jetzt. Stündlich soll fast überall ein Bus fahren und alle genutzten und ungenutzten Bahnstrecken erhalten werden.

Nächstes Thema: Klimaschutz, im Bayern-Trend nach Wohnen auf Platz drei der wichtigsten Themen für den Kommunalwahlkampf, bei den Grünen seit Jahrzehnten auf Platz eins. Wohl ein Grund, warum die CSU offenbar so grün werden kann, wie sie will und trotzdem vor allem eine Partei profitiert: die Grünen, bei denen die Vermutung umgeht, dass ein bisschen Grün bei der CSU auch vom Neid herrührt. Aber zurück zum Klimaschutz, dem die Grünen auf ihrer Klausur eine neue Dimension geben. Der Schutz gilt nicht nur dem Klima, sondern auch den Menschen und zwar vor dem Klima, genauer vor: Hitzewellen, Stürmen, Wassermangel. "Die Klimakrise ist schon längst da", sagt Schulze und mit ihr seien es die Belastungen für Schwangere oder Ältere in Hitzesommern. Nicht umsonst steige die Anzahl der Herzkreislauferkrankungen. Abkühlung könnten die Kommunen schaffen, in dem sie unterirdische Bäche freilegten, öffentliche Brunnen aufstellten, Sonnensegel spannten. Maßnahmen, für die der Freistaat Geld geben müsse. Genau wie für einen neuen Lehrstuhl für Klimaanpassungsstrategien, ergänzt Ludwig Hartmann, der mit Schulze die Fraktion führt.

Er liefert auch gleich die neuesten Erfolgszahlen: 16 000 Grünen-Mitglieder, 140 neue Ortsvereine seit 2019 und zwar nicht nur in der Stadt, sondern im ländlichen Raum. Also alles "Hammer"? Am wichtigsten im Kommunalwahlkampf sind für 85 Prozent der Bayern immer noch die Kandidaten, auch das hat der Bayern-Trend gezeigt. Die Grünen mögen zwar zum ersten Mal in allen Städten über 10 000 Einwohner eine Liste aufstellen, nur: Ihre Kandidaten sind für die meisten Wähler neue Gesichter. Mancher in Würzburg warnt deshalb vor zu hohen Erwartungen, dass sich die positiven Umfragen wirklich auf den Kommunalwahlkampf übertragen lassen. Wenn aber doch, dann könnten die Grünen laut Hartmann eine Botschaft durchs Land schicken, die ihnen auch bei den Landtagswahlen helfen werde und die bis jetzt noch nicht von jedem geteilt wird: "Wir sind eine ganzbayerische Partei. Grüne Politik ist für die Stadt und das Land gedacht."

So sagt es Hartmann und macht sich gleich fertig. Er muss los. Nicht wie die anderen mit grünem Protestplakat zur stillgelegten Steigerwaldbahn. Hartmann spricht gleich vor Tausenden Bauern, die mit ihren Tausenden Traktoren in Nürnberg zur Großdemo angerückt sind. Und er weiß selber: "Das wird nicht nur vergnügungssteuerpflichtig."

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