Heiner Lauterbach:Der chillaxte Professor

Lesezeit: 3 min

"Bei meinen Vorlieben sind sie vielleicht auf Nummer sicher gegangen." Heiner Lauterbach.erhält den Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Der Schauspieler bekommt den Bayerischen Ehren-Filmpreis. Warum Lauterbach ihn schon mit 66 Jahren verdient hat - ein Porträt.

Von Philipp Crone

Heiner Lauterbach überlegt für seine Antwort geschlagene zwei Sekunden. Der Schauspieler, 66, bekommt am Freitagabend den Ehrenpreis bei der Verleihung der Bayerischen Filmpreise. Aber warum so früh? Dann kommt ein typischer Satz des Darstellers: so ernst und ruhig formuliert, dass der Lauterbach-Laie den Witz fast übersieht. "Bei meinen Vorlieben sind sie vielleicht auf Nummer sicher gegangen." Stille. Lauterbach hört seinen Sätzen gerne nach, gerade wenn sie gelungen sind. Seine Vorlieben, das waren ein ausschweifender Lebenswandel, eine Alkoholsucht, die er später auch in zwei Autobiografien beschrieben hat. Sie, das ist die Jury des Bayerischen Filmpreises. Und Nummer sicher, das ist eben die frühe Auszeichnung, man braucht ihn ja lebendig im Prinzregententheater auf der Bühne, aber "so ein Leben bleibt ja nicht in den Klamotten hängen".

So ein Leben. In Rollen klingt dieses Leben so: unbekleideter Mann ("Schulmädchen-Report"), skrupelloser Filmproduzent, eifersüchtiger Ehemann ("Männer"), Mönch, Soziologie-Professor, Drogenfahnder, Priester, eiskalter Bösewicht, schwuler Vater, korrupter Chef, Saboteure jagender Wehrmachtsoffizier, Zeppelin-Pilot, im Rollstuhl sitzender Wissenschaftler. Mehr als 40 Jahre Film, mehr als vernünftige Partys im Privatleben samt Herz-OP. Verheiratet war Lauterbach erst mit Schauspielkollegin Katja Flint, danach liiert mit Schauspielerin Jenny Elvers, von der er sich mit großem medialen Echo trennte. Erst als er 2001 das frühere Playmate Viktoria Skaf heiratet, die auch seine Managerin wird, enden die Eskapaden.

Der nun schon länger in Starnberg lebende Rheinländer Heiner Lauterbach neben Veronica Ferres 2017 in "Unter deutschen Betten". (Foto: dpa)

Lauterbach analysiert sich und seinen Körper mit der gleichen stoischen Gelassenheit, die seine Rollen oft so geheimnisvoll macht, weil man denkt, dass da doch was dahinter sein muss. "Am Ende ist es wie bei einer Maschine, da rechnet der Körper alles zusammen, dann wird abgerechnet." Da hilft es ihm also in dieser Rechnung vielleicht schon, dass er seit knapp 20 Jahren mit Viktoria Lauterbach verheiratet ist und unter anderem jetzt Fitness-DVDs rausbringt statt Weinflaschen austrinkt. Aber Neuanfänge kann er, die hat er früh gelernt.

Zehn Schulen hat der 1953 in Köln geborene Sohn eines Sanitärunternehmers durchprobiert, bevor er die Mittlere Reife hatte. Statt die Firma des Vaters zu übernehmen, arbeitete er als Kabelleger auf Ibiza, reiste durch Südostasien, wo er wegen Haschisch-Schmuggels kurzzeitig eingesperrt wurde. Mit 17 ging er in Köln auf die Schauspielschule, spielte danach zunächst Theater, bis Regisseurin Doris Dörrie ihn 1985 neben Uwe Ochsenknecht in "Männer" besetzte. Lauterbach war plötzlich bekannt, bekam Anfragen, spielte und spielte. Bis heute ist das so. Hunderte Charaktere waren es, dazu auch schon einige Vorgängerpreise, wie es sich für einen Ehrenpreisträger gehört. So jemandem ist vor dem Rededuell mit einem Bayerischen Ministerpräsidenten nicht bang.

Lauterbach kennt ja auch das Terrain solcher Galas gut, er und seine Frau sind gerne zu Gast, wenn sich die Branche trifft. Den Filmpreis sortiert der 66-Jährige routiniert ein als einen sich eher "ziehenden Abend", an dem stundenlang Danke gesagt werde. Auch das ist Lauterbach, die konstante Lust am verbalen Schlagabtausch, von niederschwellig versteckt bis zur schweren Frotzelei am Rande der Boshaftigkeit.

Und wenn es nur die Beobachtung einer typischen Filmpreis-Laudatio ist, die Lauterbach so zusammenfasst: "Ein Danke an Mutter, Vater, Produzenten, wie es alle machen." Nein, er habe seiner Frau versprochen, ihre Aufforderung, dass er sich Mühe geben möge, auch zu befolgen. Das bedeutet, dass sich so ein Profi vorbereitet, aber natürlich "abhängig vom Abend".

Der Film Männer von Doris Dörrie machte Heiner Lauterbach 1985 bekannt. Rechts: Uwe Ochsenknecht. (Foto: dpa/Picture-Alliance)

Es könne sein, dass am Ende alle nur noch raus und ans Buffet wollen, da habe man als Ehren- und damit letzter Preisträger nach zweieinhalb Stunden schon die Verantwortung, sich kurz zu fassen. Das mache er dann "aus dem Stegreif". Sei die Stimmung aber noch gut, könne es schon eine längere Rede geben, "mit komplizierterem Satzbau".

Lauterbach ist bei Veranstaltungen mal seriöser Großvater, zu dem ihn sein ältestes von drei Kindern schon gemacht hat, er kann am Set aber auch albern wie ein Pubertierender. Wenn er zum Beispiel beim Dreh zu "Willkommen bei den Hartmanns" als besorgter Vater mit einem schrillen Schönheitschirurg (Ochsenknecht) einen Dialog über das Chillaxen spielen soll, ein herrlich bemühtes Junggebliebenenwort aus chillen und relaxen. Da rastet er nach ein paar Takes aus und brüllt "Chillaxen für'n Arsch!", dass selbst die Crew rätselt, ob er sauer ist.

Natürlich nicht, er spielt nur einfach so gerne. Als Professor an einer Berliner Medienhochschule lehrt er junge Kollegen etwa, welche Fehler man unbedingt machen sollte: einmal schlecht vorbereitet zum Dreh kommen, um zu merken, wie schrecklich das ist. Das passiert ihm selbstverständlich nicht mehr, er ist ja immer chillaxt.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Reden wir über Geld
:"Mir ist klar, dass ich als Außenseiter gesehen werde"

Die Münchner Filmemacherin Uisenma Borchu hat mit ihrem sexuell radikalen Film "Schau mich nicht so an" für Furor gesorgt. Im Interview erzählt sie, warum es so schwer ist, in Deutschland radikal zu sein.

Von Hans von der Hagen und Lars Langenau

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: