Ungleichheit bei der Arbeit:Es braucht den gesellschaftlichen Wandel

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Eine junge Mutter hält beim Kochen ihr Kleinkind auf dem Arm. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Frauen weltweit leisten Milliarden Stunden an unbezahlter Arbeit. Die Folge sind die Lohnlücke und eine unfaire Vermögensverteilung. Alte Rollenbilder müssen sich ändern.

Kommentar von Kathrin Werner

Wer holt das Kind von der Kita ab, wenn es mal wieder Husten hat? Wer kümmert sich um die alten Eltern? Wer kauft rechtzeitig neue Winterstiefel für die Kinder? Wer backt, bastelt, tröstet, wickelt? Wer organisiert die Putzfrau? Und ganz wichtig: Wer reduziert die Wochenarbeitszeit, weil zwei Vollzeitjobs und Familie oft einfach nicht zusammen passen. Die Antwort ist fast immer die gleiche: Es sind die Frauen.

Fast jeder kennt das Problem von zu Hause (nimmt es allerdings nicht unbedingt als "Problem" wahr, sondern oft einfach als Normalität). Es gibt diverse Studien, die belegen, dass Frauen, selbst solche, die bezahlte Berufe haben, jeden Tag mehrere Stunden in Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit stecken und Männer deutlich weniger - und zwar weltweit. Es ist Zeit, in der sie sich nicht bilden, kein Geld verdienen und nicht für das Alter vorsorgen.

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Unbezahlte sogenannte Care-Arbeit ist ein wichtiger Grund, warum es eine Lohnlücke zwischen den Geschlechtern gibt, in Deutschland gut 21 Prozent. Warum Frauen in Führungspositionen fehlen und warum sie häufiger in die Altersarmut rutschen als Männer. Weltweit besitzen Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Es ist eine bodenlose Ungerechtigkeit, an der sich nichts wesentlich ändert, obwohl sie schon lang bekannt ist.

Die Hilfsorganisation Oxfam hat unbezahlte Arbeit von Mädchen und Frauen gezählt und ist auf weltweit pro Tag mehr als zwölf Milliarden Stunden gekommen. Würden die Frauen dafür den Mindestlohn bekommen, müssten 11 Billionen Dollar pro Jahr an sie fließen. Das ist mehr als dreimal so viel wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt.

All das hat historische Gründe. Schließlich war es vor gar nicht allzu langer Zeit noch selbstverständlich, dass Dr. Oetker mit diesem Satz warb: "Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?" Es dauert, bis sich Rollenbilder anpassen. Und die Aufteilung von Familienarbeit ist etwas Privates.

Doch diese Erkenntnis darf nicht das Ende der Diskussion sein. Immer nur mehr Geduld von den Frauen zu fordern und ihnen selbst aufzutragen, ihre Männer zum Wäschewaschen zu verpflichten, vernachlässigt, dass es Strukturen gibt, die den gesellschaftlichen Wandel bremsen. Und dass Strukturen fehlen, die ihn antreiben. Es gibt konkrete Dinge, die der Gesetzgeber ändern kann, ändern muss, wenn er es ernst meint mit Gleichberechtigung und Frauenförderung.

Das Ehegatten-Splitting muss weg. Die Politik unterstützt die alten Muster

Zuallererst: das Ehegattensplitting. Es ist nun einmal so, dass meist der Ehepartner die Arbeitszeit reduziert, der am wenigsten verdient. Und wer die Arbeitszeit reduziert, verdient am wenigsten. Das Steuerrecht unterstützt die alten Muster und bestraft Frauen auch noch dafür, dass sie ohnehin weniger verdienen. So lohnt es sich für viele kaum, mehr oder überhaupt außerhalb des Hauses zu arbeiten, wenn ein großer Teil ihres Gehaltes an den Staat geht und der Rest an Kita und Putzfrau. Dann ist es leicht für ihre Männer, zu erklären, dass sie ja gern weniger im Büro wären, aber aus finanziellen Gründen einfach nicht können. Radikaler, aber durchaus denkbar wäre auch, nach dem Vorbild von Island zu verbieten und zu bestrafen, dass Unternehmen Frauen schlechter bezahlen als Männer.

Ein weiterer Punkt ist die Kinderbetreuung. Es ist leichter geworden in Deutschland, schon für kleinere Kinder einen Krippenplatz zu bekommen. Es ist auch normaler geworden, die Rabenmutter-Vorwürfe werden immer seltener. Doch es ist noch immer viel zu schwer, Betreuung zu finden - und vielerorts auch zu teuer. Die Betreuungszeiten passen außerdem oft nicht zu den tatsächlichen Anforderungen des Arbeitsmarkts. Der Staat wird seinem Versprechen nicht gerecht.

Auch der Blick aus Deutschland und den Industrieländern heraus lohnt sich, denn in ärmeren Ländern ist das Problem noch größer. Wer läuft den langen Weg zum Brunnen? Wer bricht die Schule ab, um die Alten zu pflegen? In entlegenen Regionen und armen Ländern verbringen Mädchen und Frauen pro Tag 14 Stunden mit unbezahlter Arbeit, die Männer drei.

Auch hier lässt sich ansetzen mit den Mitteln des Staates. Derzeit fließt nur rund ein Prozent der deutschen Entwicklungshilfe in Programme, mit denen vor allem Frauen und Frauenorganisationen unterstützt werden, kritisiert Oxfam - Tendenz fallend. Dabei sind genau die Projekte am erfolgreichsten, die Frauen Macht und Geld geben, die ihnen zum Beispiel bei Existenzgründungen helfen. Es braucht gesellschaftlichen Wandel - weltweit. Und eine Politik, die etwas tut, um ihn voranzubringen.

© SZ vom 20.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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