Bundesliga:Bayern hat Spaß - und Hertha den Glauben verloren

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"Nahe an 100 Prozent" sei Lewandowski vier Wochen nach seiner Leistenoperation schon wieder, hatte Bayern-Trainer Hansi Flick vor dem Rückrunden-Auftakt bei Hertha BSC gesagt. (Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern gewinnt nach einer trägen Anfangsphase mit 4:0 in Berlin.
  • Robert Lewandowski meldet sich nach einer Leisten-OP zurück - und sendet direkt Grüße nach Leipzig.
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Von Christof Kneer, Berlin

So weit man das beurteilen konnte, sah Robert Lewandowski beim Warmmachen wirklich sehr motiviert aus. Da hatte sich der Unverletzliche in der Winterpause ein einziges Mal auf den OP-Tisch gelegt, wirklich ganz kurz nur, und was passiert? Die anderen werden gleich frech. Der Leipziger Timo Werner schießt zwei Tore und überholt ihn in der Torjägerliste, und unverschämterweise haben sie jetzt sogar in Dortmund einen Stürmer, den sie vergöttern, ausgerechnet in Dortmund, wo der mindestens allerbeste Stürmer aller Zeiten doch Robert Lewandowski war.

"Nahe an 100 Prozent" sei Lewandowski vier Wochen nach seiner Leistenoperation schon wieder, hatte Bayern-Trainer Hansi Flick vor dem Rückrunden-Auftakt bei Hertha BSC gesagt und dabei hörbar aufgeatmet. Die Bayern brauchen Lewandowski ja immer, aber im Moment brauchen sie ihn noch ein bisschen mehr, denn sie hatten zuletzt von allem ein bisschen zu wenig: zu wenig Punkte, zumindest verglichen mit Tabellenführer RB Leipzig - und zu wenige Spieler, verglichen auch mit allen anderen Konkurrenten.

Während Gastgeber Hertha also seine Bank regel- und ordnungsgemäß mit acht Feldspielern füllte, ließ Flick am Sonntag notgedrungen wieder zwei Kaderplätze frei. Und von den sechs Spielern, die draußen saßen, hieß einer Zirkzee, einer Cuisance, einer Dajaku und einer Mai. Und der, der Serge Gnabry heißt und aus Film, Funk und Fernsehen bekannt ist, war gerade erst aus einer kleinen Verletzungspause heimgekehrt.

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Das Beruhigende am FC Bayern ist aber, dass am Anfang eines Spiels ja immer die ersten elf spielen und nicht die Bank. Und die ersten elf reichen in dieser Liga auch meistens aus, um den Gegner zu kontrollieren - und so müde zu spielen, dass am Ende ein verdienter 4:0-Sieg draus wird. "4:0 - das schafft auch nicht jede Mannschaft in Berlin", sagte Trainer Flick später und lobte zurecht "die Geduld" seiner Elf, die sich von einer sehr zähen ersten Hälfte nicht irritieren ließ - auch in dem sicheren Gefühl, dass ihr diese irre blasse Hertha wohl kaum gefährlich werden würde.

Nach diesem freundlichen Gruß an die Konkurrenz sind die Bayern jetzt wieder Zweiter in der Tabelle - und, lieber Timo Werner, Robert Lewandowski hat jetzt übrigens auch 20 Tore. Nach einer Viertelstunde Spielzeit hatten die Bayern schon 80 Prozent Ballbesitz erwirtschaftet, und sie hatten während ihrer Ballpassagen noch genügend Zeit, sich zu wundern. Es war schon erstaunlich, wie untertemperiert die Elf der Trainerheißdüse Jürgen Klinsmann in dieses Spiel startete, nutzen konnten die Bayern das anfangs allerdings noch nicht.

In Ermangelung der Flügelspieler Serge Gnabry und Kingsley Coman stürmten Thomas Müller und Ivan Perisic über die Flügel, sie taten das nach bestem Wissen und Gewissen, aber schneidige Läufe und kesse Dribblings zählen nicht zu ihrem Repertoire, und so stand das Flügelspiel der Bayern stellvertretend für ihren Vortrag in der ersten Hälfte: Es fehlte das Tempo, das es braucht, um ein Erstliga-Team, das anständig verteidigt, ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. In solchen Phasen kann dem Favoriten oft nur einer helfen: ein Mittelstürmer mit einer Quote von mindestens 100 Prozent. Die hatte Lewandowski nicht ganz, immerhin durfte er sich die größte Bayern-Chance der ersten Hälfte anrechnen lassen: In der 25. Minute spitzelte er den Ball nur um Zentimeter am Pfosten vorbei.

In dieser ersten Hälfte gelang den Münchnern nicht, was ihnen sonst so oft gelingt: Sie fanden nicht mithilfe ihrer Dominanz allmählich in dieses Spiel hinein, sie fanden eher aus dem Spiel heraus. Die unsichtbare Hertha wurde nun kurz ein wenig sichtbarer, aber zu mehr als etwas Verwirrung und zwei Kopfbällchen von Stürmer Davie Selke reichte das nicht.

Den Münchnern gelang es, sich ins Spiel hinein zu kombinieren

Wenn ein Spiel so läuft wie dieses, dann hat der Trainer des Favoriten in der Halbzeit oft eine schöne, schwere Aufgabe. Er schaut sich dann seine Ersatzspieler an - und kann sich dann oft nicht entscheiden: Welchen meiner anspruchsvollen Nationalspieler bringe ich zuerst, wer verändert mir das Spiel am ehesten? Aber wie gesagt: Flick sah Zirkzee, Dajaku, Cuisance, Mai.

Nach Wiederanpfiff liefen die Bayern dann aber gleich an, und anders als in der ersten Hälfte gelang es ihnen nun, sich ins Spiel hinein zu kombinieren. Sie gönnten den Berlinern keine Ruhepause mehr, und der aktive Perisic deutete mit einer Doppelchance (57., 58.) schon mal an, was da gleich kommen würde: Lewandowski spielte mit dem Rücken zum Tor einen nahe an 100 Prozent heranreichenden Pass hinaus auf Leon Goretzka, dessen Flanke landete über den Umweg Perisic bei einem Mann, der den Flügel endlich mal verlassen hatte: Müller schmetterte den Ball zur Führung ins Tor - in exakt diesem Moment war beiden Teams klar, wie das Spiel enden würde.

Die Münchner hatten jetzt Spaß und die Berliner den Glauben völlig verloren. Zwar wurde ein Lewandowski-Tor wegen eines Fouls am Torwart noch vom Videoassistenten zurückgenommen, aber nach Lewandowski Elfmetertor (73.) brachen bei Hertha alle Dämme. Thiago mit einem herrlichen Treffer (76.) und Perisic per Kopfball (84.) ließen völlig vergessen, dass dieses Spiel mal eng gewesen war. Übrigens: Hansi Flick hat während des Spiels noch mal auf seiner Bank nachgeschaut und dort noch Dajaku, Cuisance und Gnabry zum Einwechseln gefunden.

© SZ vom 20.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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