Kommunale Anleihe:120 Millionen Euro, um Mieter zu schützen

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Oberbürgermeister Dieter Reiter will "die Bürger mitnehmen bei dem, was wir politisch tun". (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Die Stadt plant für 2021, erstmals seit 1995 wieder kommunale Anleihen herauszugeben - also sich Geld von Bürgern und Unternehmen zu leihen.
  • Reiter versicherte, dass das eingenommene Geld im Sinne des Mieterschutzes ausgegeben wird. Für den Ankauf von Wohnhäusern etwa, in denen eine Luxussanierung drohe.
  • Die Opposition kritisiert die Pläne als "Geldverschwendung" und "unehrlich". Dennoch stimmt der Stadtrat zu.

Von Dominik Hutter, München

Ist das Ganze nun eine Mogelpackung - oder doch eine Geldanlage für Freunde des guten Gewissens? Ersteres, wetterten CSU, FDP und Bayernpartei im Stadtratsplenum am Mittwoch. "Schlicht und einfach unredlich" sei es, wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die geplante kommunale Anleihe den Münchnern anzupreisen versuche, ärgerte sich CSU-Stadtrat Alexander Reissl, im Hauptberuf Sparkassenangestellter und einst selbst Sozialdemokrat. Reiter versuche den Münchnern weiszumachen, dass sie sich durch den Kauf eines solchen Papiers für bezahlbare Mieten engagieren. Tatsächlich aber "bringt das einfach nur Geld in den Stadthaushalt", so Reissl. Ohne jede Zweckbindung. Es könne also auch für ganz andere Projekte verwendet werden.

Die SPD wies den Vorwurf energisch zurück. Es gehe nicht allein um technische Aspekte, sondern um eine politische Frage, erklärte Fraktionsvizin Anne Hübner. Man wolle das Bewusstsein schaffen, dass der Mieterschutz Geld kostet - und den Münchnern die Möglichkeit bieten, sich daran zu beteiligen. Reiter versicherte, dass das eingenommene Geld definitiv im Sinne des Mieterschutzes ausgegeben wird. Für den Ankauf von Wohnhäusern etwa, in denen eine Luxussanierung drohe.

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Von Dominik Hutter

Die Stadt plant für 2021, erstmals seit 1995, wieder kommunale Anleihen herauszugeben - also sich Geld von Bürgern und Unternehmen zu leihen. Im Gespräch ist eine Summe von 100 bis 120 Millionen Euro. Allerdings verfügt die Kommune nicht über eine Banklizenz, kann also laut Kämmerer Christoph Frey nicht direkt Gelder annehmen und als Kredit an Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften weiterreichen.

Daher soll nun die Stadtsparkasse die Anleihen ausgeben und dafür sorgen, dass das Geld in kommunale Projekte mit sozialem Anspruch investiert wird. Wozu die Ausübung des Vorkaufsrechts zähle. Frey räumte ein, dass für das erlöste Geld keine strikte Zweckbindung bestehe. Es gebe ein breites Feld von Investitionen, die der Definition des Sozialen entsprächen.

"Das ist einfach nur eine Form der Kreditaufnahme", schimpfte Jörg Hoffmann, finanzpolitischer Sprecher und OB-Kandidat der FDP. Die Einnahmen- und Ausgabenseite der städtischen Haushaltsbilanz hätten keine Verbindung miteinander, sprich: Keine Einnahme (über die Anleihe) könne einer bestimmten Ausgabe (Ankauf von Mietshäusern) zugeordnet werden. Ohnehin fürchtet Hoffmann, dass das Ganze recht teuer wird für die Stadt, da sie ja Zinsen im Plusbereich garantieren müsse. Die von Negativzinsen gebeutelte Versicherungswirtschaft habe vermutlich schon die Sektflaschen aufgemacht. Aus Sicht der Stadt sei das eine "Geldverschwendung ohne Ende".

"Wir müssen die Bürger mitnehmen bei dem, was wir politisch tun"

Und "unehrlich", assistierte Andre Wächter von der Bayernpartei, der bei der Bundesbank arbeitet. Wächter vermutet allerdings, dass die anfangs begehrten Anleihen schnell im Kurs stiegen, dann in den Negativzins hineinrutschten und so letztlich unverkäuflich würden.

"Sie sehen mich tiefenentspannt", erklärte der gescholtene Oberbürgermeister Reiter, der sich als langjähriger Mitarbeiter der Kämmerei ironisch für die Nachhilfestunde im kommunalen Haushaltsrecht bedankte. "Meine Idee war: Wir müssen die Bürger mitnehmen bei dem, was wir politisch tun." Und das koste nun einmal viel Geld, die Stadt gebe pro Jahr weit mehr aus für Vorkaufsrechte als die Anleihe einbringe. Vermutlich werde die Stadt in Zukunft noch mehr Geld brauchen.

Der SPD-Politiker, der am 15. März erneut antritt, zeigte sich überzeugt, dass es viele Menschen und auch Institutionen gibt, die ihr Geld gerne sozial verantwortlich und nachhaltig anlegen wollen. Wer die Anleihe nun derart kritisiere, solle "ehrlich sein und sagen, dass er gar keine Mieter retten, gar keine Vorkaufsrechte ausüben will". Vorkaufsrechte genießt die Stadt, wenn in von Aufwertung bedrohten Wohnvierteln Häuser zum Verkauf angeboten werden - und der Interessent nicht bereit ist, den Mietern günstige Bedingungen zu garantieren.

Gegen die Anleihe stimmten letztlich nur FDP, Bayernpartei und der politische Einzelkämpfer Fritz Schmude. Die CSU, die den Plan so heftig gegeißelt hatte, trug das Projekt mit. Einfach weil es sich um eine "ganz normale Geldaufnahme im Rahmen der normalen Zinskonditionen handelt", wie Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU) begründete. Dagegen habe man nichts. Kämmerer Frey hatte zuvor versichert, dass die Anleihen für die Stadt kaum teurer seien als eine normale Kreditaufnahme auf dem Kapitalmarkt.

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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