Mitten im Mendelssohn:Der havarierte Bogen

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Schockmoment für die Solistin: Janine Jansen. (Foto: Marco Borggreve/Universalmusic)

Ein eindringlicher Abend in München voller instrumentaler Leichtigkeit mit der Geigensolistin Janine Jansen und Sir Antonio Pappano - bis zum Schockmoment im Finale.

Von Harald Eggebrecht

Auch einen hart gesottenen Konzertgänger, der schon so manche Saite reißen sah, traf jener Moment in der Münchner Philharmonie wie ein Schock: Die Geigensolistin Janine Jansen jagte freudig dem Ende des Finales von Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert zu. Wunderbar federnd und aufmerksam mit ihr kommunizierend vom Orchestra dell' Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus Rom begleitet unter der sehr präsenten Leitung von Sir Antonio Pappano. Da löste sich urplötzlich die komplette Bogenbehaarung an der Spitze und fiel über das Instrument. Kein Ton war mehr möglich, obwohl Janine Jansen im Eifer des Gefechts noch versuchte, mit dem leeren Bogenholz weiter zu spielen.

In die Schlussakkorde schäumten Ovationen, die nicht nur der sehr vitalen, von ehrlichem Ausdruckswillen beseelten Aufführung des berühmten Konzertes galten, sondern auch irgendwie Trost spenden wollten. Immer wieder erschien die Solistin dann zum Dank mit der Geige und dem havarierten Bogen, den sie geradezu fragend hochhielt. Wie sich herausstellte, hat sich nicht der Befestigungskeil an der Spitze gelöst, so dass die Behaarung abfiel, sondern leider ist die Spitze gebrochen, der wertvolle Bogen ist wirklich kaputt.

Bis dahin war Solistin, Dirigent und Orchester zum Glück eine so eindringliche, schmalzferne und durchartikulierte Aufführung des Konzertes gelungen, wie sie selten zu hören ist. Das Mendelssohn-Konzert, bei aller Emphase und Leidenschaftlichkeit doch ein im besten Sinne klassizistisches Stück, wird oft an vermeintlich romantisches Süßholzraspeln, schluchzende Rutscher, dickes Dauervibrato und falsch verstandene Temporaserei verraten. Hier behielt es immer Kontur, blieb orchestral durchsichtig ohne falsche Leisetreterei und überzeugte mit rhythmischer Pointierung - bis zum tatsächlichen Bruch.

Der Abend war insgesamt von instrumentaler Beweglichkeit, Leichtigkeit ohne Leichtgewichtigkeit und dem Sinn für Maß und Balance einer fein ausgehörten Orchesterkultur geprägt, wie sie Antonio Pappano mit versierter Zeichengebung und bei allem Temperament mit beherrschtem Feuer vermittelte. Also klang Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu "König Stephan" niemals schwerfüßig, keineswegs wie ein Gelegenheitswerk, sondern geradezu italienisch keck und thematisch eingängig, als folge nun eine forsche Oper.

Pappano ließ bei allem Schwung nie die dirigentischen Mittel des Dämpfens und Strukturierens außer Acht. Das galt natürlich auch für Robert Schumanns 1. Symphonie. Pappano hat offenbar einen eher raschen Puls, so dass die sogenannte "Frühlingssymphonie" in den Tempi etwas eilig erschien. Doch wie er die Holzbläser zu ihrem Recht kommen ließ, ein rauschendes, doch nie lärmendes Finale bot, hatte Klasse und orchestralen Glanz. Zum Beifallsdank zwei Zugaben von Respighi und Mozart.

© SZ vom 24.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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