Neue Wohnform:Wie ein Schneckenhaus

Neue Wohnform: Überzeugungsarbeit vor dem Mini-Haus (v.li.): Thorsten Thane und Thomas von Wittern mit den Abgeordneten Nicole Gohlke und Andreas Wagner.

Überzeugungsarbeit vor dem Mini-Haus (v.li.): Thorsten Thane und Thomas von Wittern mit den Abgeordneten Nicole Gohlke und Andreas Wagner.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Nachdem das Tiny-House-Projekt bei Gelting vergangenes Jahr gescheitert ist, nehmen sich nun zwei Bundespolitiker der Linken der Thematik an.

Von Marie Heßlinger

"Louisa" ist ein kleines Haus, das sich überallhin mitnehmen lässt. Sie war eigentlich nur als Ausstellungsstück gedacht. Im vergangenen Jahr sind aber so viele Touristen zum Probeschlafen gekommen, dass das Landratsamt einschritt - schließlich hatte niemand ein Hotelgewerbe angemeldet. Das mobile Minihaus wird Eurasburg deshalb bald verlassen. Sein treuer Verfechter Thorsten Thane aber gibt nicht auf. Und deshalb präsentiert er nun zusammen mit Bauingenieur Thomas von Wittern zwei Bundestagsabgeordneten seine Wohnvision.

Nicole Gohlke sieht sich anerkennend in dem elf Meter langen Raum um. "Es ist wirklich spannend, mit was für einem guten ökologischen Fußabdruck man leben könnte", sagt die Bundestagsabgeordnete der Linken. Gerade hat sie die Trenntoilette im Badezimmer getestet: Flüssiges wandert von dort aufs Dach, wo Sumpfpflanzen alles filtern. Die wurden an der Loisach gepflückt und sind unempfindlich: "Nur wenn Gäste keine ökologischen Spülmittel verwenden, sieht man ihnen an, dass sie leiden", sagt Thomas von Wittern, der für das Unternehmen Wohnwagon arbeitet. Er lehnt an der Küchenzeile und kocht Kaffee. Ein winzig kleiner Wasserkocher steht im Eck. Ansonsten ist in dem Minihaus alles gar nicht so winzig.

33 Quadratmeter misst "Louisas" Grundfläche. "Ich hab' in Berlin nur 32 Quadratmeter", kommentiert der Bundestagsabgeordnete Andreas Wagner. Im Holzwagen ist es geräumig, gemütlich und hell. Ein großes Bett liegt in einer halbrunde Nische. Esstisch und Kleiderschrank stehen in einem Erker, der sich in den Innenraum schieben lässt. Wenn man dann die Veranda abbaut, kann man - ohne Kistenpacken - mit dem ganzen Häuschen umziehen. Wie eine Schnecke mit Schneckenhäuschen.

Genauso langsam ist man dabei auch: Ungefähr einen Tag dauert es, das Haus einzuklappen. Mit 25 Kilometern pro Stunde kann eine Zugmaschine daraufhin das 14 Tonnen schwere Häuschen auf zwei Achsen wegziehen. "Bis nach Norddeutschland kostet das dann etwa 5000 Euro", rechnet von Wittern vor. Dort sei man übrigens Vorreiter, was solche Wohnprojekte angehe, sagt der 57-Jährige.

In Bayern ist das ein bisschen anders. Damit hat Thorsten Thane seine Erfahrungen gemacht. Der Gründer des Vereins "Einfach gemeinsam leben" hatte nahe Gelting ein Dorf aus sieben mobilen Kleinhäusern ansiedeln wollen. Im Juli 2019 scheiterte das Projekt. Rechtlich wurden die mobilen Minihäuser wie reguläre Häuser behandelt - und die duldet Geretsrieder Bauamt duldet außerhalb des städtischen Innenbereiches nicht. "Wir brauchen eigene Regelungen für Tiny Houses", sagt Thane, "Das ist wie mit Lkw, Pkw und Fahrrädern. Die haben auch jeweils ihre eigenen Verkehrsregeln."

Im Unterschied zu echten Häusern würden die Wohnwagen keine Flächen versiegeln, argumentiert von Wittern. Mit Solaranlage und Dämmung aus Lehm und Schafswolle seien sie zudem umweltverträglich. Und dann noch der Holzofen und die Toilette, mit der sich 40 000 Liter Wasser pro Jahr einsparen lassen.

Thane sieht in den Tiny-House-Siedlungen aber noch mehr: das Miteinander der Menschen. "Ich möchte eine generationsübergreifende Gemeinschaft, wo jeder sein darf, wie er mag - ob Fleischesser oder Veganer." Für den selbständigen Filmemacher ist ein Tiny House außerdem eine Altersvorsorge: "Ich will mal ein Dach über dem Kopf haben, wenn ich in Rente bin." Das Tinyhouse "Louisa" kostet 150 000 Euro. Es geht aber auch günstiger, für 25 000 Euro beispielsweise.

Diesen sozialen Aspekt loben die beiden Abgeordneten der Linken. Sie wollen in ihrer Fraktion über alternatives Wohnen diskutieren, denn: "Bislang ist das auf Bundesebene noch kein Thema", sagt Gohlke. Dass das Interesse in der Bevölkerung groß ist, haben die 200 Übernachtungsgästen am Eurasburger Sägewerk vergangenes Jahr bewiesen.

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