Kommunalwahl in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt:Viel Flair und Verkehr

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Wachsendes Großprojekt: der Neubau des Volkstheaters auf dem ehemaligen Viehhof-Areal (links). Die andere Geländehälfte bietet noch Platz für Zwischennutzungen, derzeit ist hier die Kulturstätte Bahnwärter Thiel. (Foto: Robert Haas)

Im Bezirk Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt kämpfen die Politiker für mehr Freiräume für die Bürger - und um Teilhabe bei so einigen Großprojekten

Von Birgit Lotze

Der 25-köpfige Bezirksausschuss tagt im Saal der Wirtschaft "Zum Zunfthaus" an der Thalkirchner Straße, bekannt für seinen Kaiserschmarrn, Krimidinner und dafür, dass die Heizung nicht funktioniert. Plakate von Schwulenparties und Drag-Queen-Treffen zeugen davon, was an anderen Tagen im Saal noch stattfindet. Man ist mitten im Glockenbachviertel, im leicht miefigen Charme der Siebzigerjahre, es ist das schrillste Viertel der Stadt. Treffen sich dort die örtlichen Politiker, oft im Mantel und in dicken Pullis, zur Sitzung des Bezirksausschusses (BA), wirken die Zusammenkünfte allerdings eher nüchtern und unaufgeregt.

Partylaune? Schwul-lesbische Community? Die Arbeit der Lokalpolitiker hat damit zwar zu tun, doch nur am Rande. Es geht viel häufiger um die Gentrifizierung, die den Anwohnern und dem Kleingewerbe die Räume nimmt, wie auch der Medizintourismus. Es geht um den stockenden Verkehr, der über die Lindwurm-, die Schwanthalerstraße oder die Paul-Heyse-Straße einfällt und Fußgängern und Radfahrern zu wenig Platz lässt. Es geht überdies um Hotelketten, die sich am Bahnhof breitmachen und kleine Hotels verdrängen, um nächtliche Ruhestörung entlang der Feierbanane und am Gärtnerplatz.

Die SPD mit ihrer emsigen und omnipräsenten Chefin Beate Bidjanbeg setzt nach wie vor häufig Schwerpunkte. Bidjanbeg setzt auf Bürgerbeteiligung, bewegt als Vorsitzende des Unterausschusses Kultur-, Jugend- und Soziales Vieles im Viertel. Die Bürgerversammlungen für Kinder und Jugendliche, inzwischen in der ganzen Stadt üblich, gehen auf ihre Initiative zurück. Oft setzt sie in zähen Verhandlungen mit Referenten und der Stadtverwaltung Anliegen durch - beim neuen Stadtteilkulturzentrum Luisa etwa oder für Zwischennutzungen wie das Viehhofkino oder Bahnwärter Thiel.

(Foto: SZ)

Trotz des großen Engagements im Stadtviertel ist die SPD im Abstieg. Sie ist in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich geschrumpft. Zwar galt der zweite Bezirk - trotz des Schlachthofs und bis 2006 des Viehhofs - auch früher nicht als Hochburg der Sozialdemokraten. Doch noch 1996 gab immerhin jeder dritte Wähler zugunsten der SPD sein Votum ab, zu einer Zeit, als die Grünen im Viertel bereits fast zwanzig Prozent der Stimmen bekamen, doppelt so viele wie im städtischen Durchschnitt. Bei der Kommunalwahl 2014 wurde die SPD im BA nur drittstärkste Kraft, sogar die CSU errang 4000 Stimmen mehr. Schon damals wurden die Grünen so stark wie früher die SPD. Fakt ist in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt seit 2014: Die Fraktion aus Grünen und Rosa Liste hat ebenso viele Sitze wie SPD und CSU zusammen.

Im Viertel ist es eng: Freiräume schaffen, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum stärken - mit diesen Absichten ist Andreas Klose (Rosa Liste), der Chef des Bezirksausschusses, im Stadtviertelgremium angetreten. Damit steht er nicht allein, das wollen alle Fraktionen. Verschönern ist die Devise, Grün anlegen, Sitzgelegenheiten und den Radlern und Fußgängern Platz verschaffen. Die Grünen in der Ludwigs-Isarvorstadt sind die ersten gewesen, die in München vehement ein Böllerverbot forderten, in ihrem Stadtteil speziell für die Isarauen.

Im aktuellen Wahlkampf haben sie die Losung ausgegeben, dass man jetzt die Umgestaltung von Goethe-, Balde- und Esperantoplatz vorantreiben müsse. Der Nußbaumpark solle eine Oase in der Innenstadt, das Mikroklima im Stadtteil durch Bäume verbessert werden. Der ehemalige Viehhof ist als Freiraum verloren; die Stadt als Hausherrin will die Fläche nutzen, um Wohnungsnot zu lindern und Kultur in der Stadt zu halten. Vor zwei Jahren war der Viehhof noch eine der wenigen Brachen im Viertel, zwar nicht wirklich grün - so wie auch die Theresienwiese, doch er bot sich an als Abenteuerspielfläche für Zwischennutzungen wie das Viehhofkino oder der Märchenbazar. Nun ist er zu einem Großteil mit der Baustelle für das neue Volkstheater belegt. Auf den Theaterbau hatte der BA wenig Einfluss. Doch die Stadt hat sich inzwischen positiv zu den Plänen der Stadtviertelpolitiker geäußert, zumindest entlang der Bahngleise einen Park einzurichten. Wohnungen werden wohl nicht vor 2023 gebaut, eher später, vermutet Klose.

Derzeit bremst das nicht geklärte Schicksal der Lkw-Waschanlage auf dem Gelände. Sie muss, vergrößert, auf den Schlachthof verlegt werden; dort gibt es dafür aktuell keinen Platz. Vorerst ist den Stadtteilpolitikern daran gelegen, dass das verbliebene Brache-Reststück des ehemaligen Viehhofs mit dem Kulturprojekt Bahnwärter Thiel als Zwischennutzer möglichst lange so bleibt. Andreas Klose lobt das "schöne Flair", welches die Kulturstätte dort schafft - mit viel Programm, Urban Gardening und Eigeninitiative. Derzeit entstehen Künstlerateliers, Container werden zu Arbeitsplätzen umgebaut. Vom Viehhof-Areal will auch die CSU noch ein Stück retten: Auf ihren Antrag geht das "Haus für Humor" zurück, das - unterstützt von dem Kabarettisten Gerhard Polt - in die ehemalige Schlachthof-Bank einziehen soll. Bislang hat die Stadt allerdings die Finanzierung nicht geklärt.

Doch es gibt noch größere Baustellen im Viertel, davon einige in zentraler Lage. Der Umbau des U-Bahnhofs Sendlinger Tor zum Beispiel: Die Baustelle hat 2019 die "Halbzeit" erreicht und Klose hofft, dass heuer zumindest die offene Baustelle fertig wird, dann nur im Untergrund weitergearbeitet wird. 2022 will die Stadt dort fertig sein. Der Fahrradweg vom Sendlinger Tor zum Goetheplatz wird in diesem Jahr auf die Straße verlegt, für Autos wird es dort enger. Am Stachus wird noch mehrere Jahre gebaut, am Hotel Königshof bis 2021. Die Fassadensanierung des C&A an der Bayerstraße soll heuer fertig werden, auch ein Hotel - das erste in München ohne Personal - zieht dort ein.

Fertig werden auch das lang erwartete Stadtteilkulturzentrum Luise und der St.-Pauls-Platz. Dessen Rundumerneuerung gilt dem BA wegen der Anwohnerbeteiligung als Musterbeispiel dafür, wie Plätze künftig umgebaut werden sollen. In noch größerem Zeitraum denken muss der BA beim Umbau des Hauptbahnhofes. Erst nach 2030 stehe die Umgestaltung des Bahnhofvorsplatzes an, ein Projekt, von dem man sich im Viertel wegen des derzeit eklatanten Grünmangels viel erhofft. Ziel bleibe es in jedem Fall, sagt Klose, die Aufenthaltsqualität von Plätzen zu stärken. So, wie derzeit am St.-Pauls-Platz, würde man gerne weitermachen.

Zurück zum Bahnhofsviertel. Hier gab es jahrelang Probleme, mancher Anwohner bezeichnete die Lage als kriminell. Der Einsatz eines Kommunalen Außendienstes, der im südlichen Bahnhofsviertel seit eineinhalb Jahren Dienst tut, hat die Situation entschärft. "Symptompflege", konstatiert jedoch Klose, das müsse man ändern. Die Lage habe sich beruhigt, ja. Der BA-Chef hat sehr wohl registriert, dass erstmals seit Jahren kein Antrag dazu in der Bürgerversammlung gestellt wurde. Doch die Probleme seien nicht gelöst, sagt er. Die Szene habe sich Richtung Norden verlagert. So könne es also nicht bleiben, so wälze man das Problem lediglich ab.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): Grüne: 1. Meike Thyssen, 2. Benoît Blaser, 3. Helga Solfrank. CSU: 1. Martin Ruckert, 2. Rudolf Cermak, 3. Tina Meinel. SPD: 1. Beate Bidjanbeg, 2. Kristian Greite, 3. Martina Weinberger. FDP: 1. Andreas Siebel, 2. Katrin Nesemann, 3. Christian-Georg Siebke. Die Linke: 1. Dagmar Modrow, 2. Christian Modrow, 3. Judith Ramoser.

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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