Im juristischen Grenzbereich:Monatsspritze gegen Schizophrenie

Mordprozess Landshut

Das Landshuter Landgericht hat am vergangenen Freitag die Unterbringung eines 31-Jährigen in einer Psychiatrie ausgesetzt.

(Foto: dpa)

Landshuter Landgericht setzt Unterbringung eines 31-Jährigen in einer Psychiatrie zur Bewährung aus. Voraussetzung ist, dass er sich medikamentös behandeln lässt.

Von Alexander Kappen, Landshut

Man bewege sich in einem juristischen Grenzbereich, sagte Richter Ralph Reiter, als er am Freitag das Urteil des Landshuter Landgerichts gegen einen 31-jährigen Mann aus dem südlichen Landkreis Freising verkündete. Der musste sich wegen Sachbeschädigung, Bedrohung und Nachstellung verantworten, war wegen einer paranoiden Schizophrenie aber nur vermindert schuldfähig und bereits seit März in der Psychiatrie untergebracht. Es galt nun abzuwägen, ob der Mann eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und weiterhin in einer psychiatrischen Klinikuntergebracht wird.

Die sechste Strafkammer des Landgerichts entschied sich letztlich für die Unterbringung. Sie setzte diese jedoch, wie sich während der mehrtägigen Hauptverhandlung schon abgezeichnet hatte, unter einer Reihe von Auflagen zur Bewährung aus. So verließ der Beschuldigte, der durch die Polizei zur Verhandlung vorgeführt wurde, den Gerichtssaal als freier Mann, weil alle Beteiligten das Urteil akzeptierten und dieses somit rechtskräftig ist.

Dass der 31-Jährige, wie es in der Anklage stand, seine Mutter mit einem Messer bedroht hatte, konnte im Urteil nicht berücksichtigt werden. Da die Eltern als nahestehende Verwandte im Prozess von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machten, durfte das Gericht ihre früheren Aussagen bei der Polizei nicht verwerten. So blieben als Straftaten noch eine so genannte "Gewalt gegen eine Sache" - der Angeklagte hatte die Wohnungstür eines Nachbarn eingeschlagen - und das Nachstellen "in seinem Liebeswahn", wie es der Richter bezeichnete. Der 31-Jährige überhäufte eine ehemalige Arbeitskollegin, die seine Zuneigung nicht erwiderte, mit Anrufen und Textnachrichten. "Wegen seines fehlenden Realitätssinns hat er nicht erkannt, dass es keine Erwiderung gab, und hat ihr bis zu 50 Briefe täglich geschrieben", so der Richter. Einmal suchte er sie am Arbeitsplatz auf.

Der Angeklagte sei "für die Allgemeinheit gefährlich" - Allerdings nur, wenn er nicht behandelt werde

Der Verteidiger und die Verteidigerin des Angeklagten sahen die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach Paragraf 63 des Strafgesetzbuches als nicht gegeben. "Muss man hier das starke Schwert des Paragrafen 63 ziehen?", fragte der Verteidiger. Es habe "keine einzige Aggressionstat mit Gewalt gegen Personen gegeben", betonte der Verteidiger. Zur ehemaligen Arbeitskollegin habe er nur einmal direkten Kontakt gehabt, sei aber sofort wieder gegangen, als man ihn dazu aufgefordert habe. Gleichwohl sagte der Verteidiger schließlich, mit einer Unterbringung auf Bewährung "kann man leben". Er bat aber darum, bezüglich der Auflagen "das Korsett nicht so eng zu schnallen, dass es ihm die Luft abschnürt". Auch die Verteidigerin meinte, "die Gefahrenprognose hat mich nicht überzeugt". Sie halte "den Paragrafen 63 für unverhältnismäßig, aber weil wir ja schon alle wissen, was beim Urteil rauskommt, beantrage ich Bewährung".

Die Staatsanwältin meinte, eine Unterbringung entspreche durchaus "dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit", der Angeklagte sei "für die Allgemeinheit gefährlich". Allerdings nur, wenn er nicht behandelt werde und nicht regelmäßig seine Medikamente bekomme. Da er aber einverstanden ist, sich diese alle vier Wochen mit einer Depotspritze geben zu lassen, beantragte auch sie eine Bewährung.

Für diese machte das Gerichte etwa zur Auflage, dass sich der Angeklagte Drogen- und Alkoholkonsums zu enthalten hat, weil das seine psychische Krankheit verstärken kann. Er muss sich regelmäßig Urin-, Haar- und Blutproben unterziehen und bei seinen Eltern wohnen, die zugesichert haben, ihn wieder aufzunehmen.

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