Neuer Til-Schweiger-Film:Hohepriester der Schmusigkeit

Die Hochzeit Til Schweiger

Im reifen Alter vor den Altar: Til Schweiger im neuen Til-Schweiger-Film.

(Foto: Warner Bros. Entertainment In.)
  • In "Die Hochzeit", der 18. Regiearbeit von Til Schweiger, wagt sich der von Schweiger gespielte Charakter im reifen Alter vor den Altar.
  • Schweiger inszeniert sich einmal mehr als Hohepriester der deutschen Kino-Schmusigkeit - und als Männererlöser.

Von Philipp Bovermann

Hochzeiten sind toll. Wer was anderes behauptet, hat kein Herz, mag keinen Alkohol, keinen Kitsch, keine samtenen und glänzenden Dinge, vermeidet Peinlichkeiten, hört nicht gern salbungsvolle Ansprachen - und er geht möglicherweise auch nicht gern in Filme von Til Schweiger, in denen es all diese Dinge bis zum Überfluss gibt.

"Die Hochzeit", Schweigers insgesamt 18. Regiearbeit, bei der er wieder einmal auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, ist für sein Werk entscheidend, weil das Thema für den Lieblingsschmuseregisseur der Deutschen ein Heimspiel ist. So ein Spiel verliert man und geht gebrochen vom Platz. Oder es passiert das, was Schweiger mit "Die Hochzeit" gelingt - man fängt an zu zaubern. Magische Dinge passieren.

So wie auf Hochzeiten alter, peinlicher Schulfreunde, auf die man mit dem festen Vorsatz geht, alles und alle doof zu finden - und dann singt man doch nachts um halb vier Schlager mit, wird selbst peinlich. So was kommt ja gottlob vor.

Alte Schulfreunde? Ach ja, richtig, da war ja was: Schweigers vorangegangener Film "Klassentreffen 1.0". Herrje, war das zum Fremdschämen. Ein paar älter werdende Kumpels wollen es zusammen noch mal einen Tag lang krachen lassen, vor dem gemeinsamen dreißigjährigen Klassentreffen, also irgendwie auch vor dem finalen Einlauf ins Alter, aus ihrer Sicht. Selbiges wird, zumal in seinen körperlichen Begleiterscheinungen, gemeinsam heftig beklagt, zugleich unternehmen sie den Versuch, es mit pubertären Furzwitzen irgendwie auf Abstand zu halten - aber dem Film geht es in dieser Hinsicht ganz wie seinen Protagonisten: So was funktioniert nicht.

Hier darf der Mann noch ein Depp und Schlimmeres sein

Älter werdende Männer, die sich, wie die drei Jungs in "Klassentreffen 1.0", in einem letzten Aufbäumen ihrer Potenz versichern wollen, indem sie mit frisch rasierten Hoden im Club die Kreditkarte glühen lassen, neigen zu Verhaltensweisen, für die in den vergangenen Jahren das öffentliche Verständnis stark gesunken ist. Nicht so bei Regisseur Til Schweiger.

Dort darf der Mann noch ein Depp und Schlimmeres sein, wenn er nur hinterher schmusig guckt - oder wenn zumindest Til Schweiger irgendwann schmusig in eine Kamera guckt, stellvertretend für sein ganzes Geschlecht, dem man doch bitte, bitte nicht böse sein darf. Til Schweiger, der Männererlöser, der die kollektive Mannesschuld für Untreue und mangelnde Stubenreinheit auf sich nimmt. "Klassentreffen 1.0" war ein großer Schwanengesang des Mannes auf sich selbst, wie vielleicht das ganze bisherige Schweiger-Werk.

"Die Hochzeit" setzt die Handlung nun fort, erweitert den Schwanengesang aber zugleich entscheidend. Der coole Frauenschwarm unter den drei Klassentreffen-Jungs - gespielt, na klar, von Til Schweiger selbst - will doch tatsächlich im reifen Alter zum ersten Mal heiraten. In einem schwarzen Anzug vor den Altar treten und Ja sagen. Einen Schritt weiterkommen in seinem Leben. Aber erst einmal muss für die nötige Ernsthaftigkeit im Drehbuch noch jemand sterben. Einen Kumpel der drei Freunde erwischt es kurz vor der geplanten Hochzeit, so wie man in einem Til-Schweiger-Film halt stirbt: ohne übermäßige dramaturgische Verkomplizierung. "Sekundentod. Gar nicht so selten, wie man denkt", stellt einer der drei fest. Schon rollt eine Lawine an Szenen an, in denen Menschen traurig gucken und Dinge sagen, für die man sie in den Arm nehmen möchte.

Die Devise "Viel hilft viel" - wie beim klassischen Schnulzenschlager aus der Eckkneipe

Nicht alle diese Leute trauern um den Verstorbenen. Manche haben einfach nur Liebeskummer, sind zu alt, zu jung, zu verheiratet, zu geschieden, das Drehbuch findet für jeden eine individuelle Lösung, warum auch er oder sie Mitleid verdient. Und plötzlich gehören dazu auch Frauen - sie werden ebenfalls vom allgemeinen Rausch der Trauer erfasst, statt diese immer nur auszulösen oder wegzuströsten. Das ist für sich schon eine tolle Sache. Es sorgt aber auch dafür, dass sich künstlerisch etwas löst beim Filmemacher Schweiger. Etwas entspannt sich, kommt bei sich selbst an.

Denn dass endlich alle mitheulen dürfen bedeutet nicht, dass es nun um echte Gefühle ginge - au contraire! Echte Gefühle sind anstrengend, man muss sich dafür in andere Menschen hineinversetzen. Schweigers Filme hingegen funktionieren eher wie Kissen zum Reinheulen und Reinkuscheln - aber daran ist nichts verwerflich. Während die meisten Filmemacher spannende und entspannende Passagen abwechseln, kommt bei ihm nach einem mit Melodram-Techno unterlegten Freundschaftsbekenntnis eine mit sanft anziehendem Sommerurlaubs-Techno unterlegte Szene, in der Peniswitze geklopft werden.

Als oberster Schulterklopfer steht die Schweiger-Figur bereit

Deregulation der Affekte bildet das erzählerische Prinzip, nach der Devise "Viel hilft viel", wie beim klassischen Schnulzenschlager aus der Eckkneipe, dem Schweiger sich nun auch im Soundtrack endlich nicht mehr verschließt. Der Schnitt rumpelt dauerbeschallt durch in fluffiges Licht getauchte Landhausszenen, als wäre er selig besoffen, gebrochene Herzen klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, als oberster Schulterklopfer steht natürlich immer noch die Schweiger-Figur bereit: Ein Hohepriester der Schmusigkeit, während der Regisseur Schweiger allmählich zum Autorenfilmer des Weichzeichners avanciert, je mehr die Einhegung des erzählerischen Prinzips Weinen und Trösten durch klassische Dramaturgie und Machismen sich auflöst.

"Klassentreffen 1.0" bildete für Schweiger den filmemacherischen Eintritt in jene zweite, in umgekehrter Richtung verlaufende Pubertät, die Männer über fünfzig bisweilen ereilt. Die Zeit, in der man sich, wie die Schweiger-Figur im Film, einen albernen Hut aufsetzt, weil man denkt, man sehe dann jung aus, wie Brad Pitt. Mit "Die Hochzeit" geht diese Phase nun überraschend würdevoll zu Ende. Anschließend wird wohl das Alterswerk beginnen. Was da wohl noch alles kommen wird, wenn sich die Entspannung vertieft?

Die Hochzeit, D 2020 - Regie: Til Schweiger. Buch: Schweiger, Lo Malinke. Kamera: René Richter. Mit Til Schweiger, Milan Peschel, Samuel Finzim, Lilli Schweiger, Stefanie Stappenbeck. Verleih: Warner, 119 Min.

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