Dialekt im Fernsehen:Bassd scho?

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"Tannbach - Schicksal eines Dorfes": Georg von Striesow (Heiner Lauterbach) mit Tochter Anna (Henriette Confurius, r.) und Liesbeth Erler (Nadja Uhl, l.). (Foto: Dusan Martincek, Lukás Zentel/ZDF)

Dialekte gehören in vielen Sendungen zur Atmosphäre. Das geht manchmal gut, manchmal sprechen nur einfältige Nebenfiguren Dialekt - und der "Tatort" hat's auch schon mal besser gemacht.

Aus der SZ-Redaktion

Viele Sendungen machen sich das Unverwechselbare, nicht selten auch Kauzige der Regionen zunutze. Zum Lokalkolorit gehört zwingend der Dialekt der einheimischen Bevölkerung. Aber Dialekte können den Ungeübten überfordern. Bei jeder Produktion stehen die Macher deshalb vor der Frage: Wie viel Dialekt muss sein? Wann versteht fast jeder nur noch Bahnhof? Die SZ-Redaktion hat einmal, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, sehr genau hingehört.

Fränkisch in Tannbach

Bassd scho. Das höchste fränkische Lob kommt immer dann zum Einsatz, wenn etwas eine absolute Meisterleistung oder immerhin keine Katastrophe ist. Gar nicht gepasst hat allerdings der Dialekt in der ZDF-Serie Tannbach - Schicksal eines Dorfes. Verortet im fiktiven Örtchen Tannbach, das sich auf das oberfränkische Dorf Mödlareuth stützt, erzählt die Serie in zwei Staffeln die Geschichte eines Ortes an der bayerisch-thüringischen Grenze nach dem zweiten Weltkrieg. Doch die Bewohner von Tannbach sprechen einen Dialekt, der so gar nicht nach Oberfranken klingt, sondern stark nach Oberbayern. Neben dem obligatorischen Shitstorm im Netz kritisierte auch der Fränkische Bund den "Seppl-Dialekt" stark. Das ZDF nannte als Grund, dass ein Dialekt gewählt wurde, "der natürlich dem Bayerischen, das einem breiten Publikum am besten verständlich ist, am nächsten kommt". Besser hat es die ARD im Franken- Tatort gemacht. Einige Darsteller lassen den lokalen Klang mit seinen vielen Facetten immer wieder aufblitzen. Oder wie der Franke sagt: Bassd scho. Von Benedikt Scherm

Norddeutsch bei Pilawa

Jörg Pilawa in der NDR-Quizshow. (Foto: Uwe Ernst/NDR)

Irgendwann ist das Norddeutsche irre populär geworden, etwa seit den 90ern, Hamburger Hip-Hop, "Fettes Brot". Seitdem wird von Fremden das Norddeutsche mit dem Hamburgischen gleichgesetzt, ist zwar nicht präzise, aber bitte. Problem: Während Sächsisch für Nichtsachsen unsprechbar ist, glaubt jeder Nichtnorddeutsche, Norddeutsch zu können. Das a etwas in Richtung o gedreht, das e lang gezogen, dann wird aus der "Frage" die "Frogee". Passt doch. Im Dritten des NDR wird dauernd Norddeutsch gesprochen, aber zu viel Dialekt ist schlimmer als falscher Dialekt, und am heftigsten ist sonntags die NDR-Quizshow, wo norddeutsche Kandidaten raten, was die norddeutsche Band Torfrock zu Weihnachten singt (Antwort "Leise pieselt das Reh"). Moderator Jörg Pilawa überbetont seine Hamburger Herkunft komplett, er sacht "Joa" und "schwierige Frogee", und irgendwann wünscht man sich dann etwas geradezu Wahnsinniges: Man wünscht sich den Pilawa aus dem Hauptabendprogramm der ARD herbei. Da spricht er wenigstens ganz normal. Von Holger Gertz

Allgäuerisch bei Kluftinger

Im Allgäu ist man stolz auf die Berge, die Kässpatzen und den Dialekt, wobei es beim Dialekt schon schwierig wird: Schließlich unterscheidet der sich von Dorf zu Dorf. Welche Form des im Fernsehen chronisch unterrepräsentierten Allgäuerischen man als korrekt erachtet, ist deshalb Definitionssache. Kommissar Kluftinger jedenfalls, der in den Romanverfilmungen vom Sonthofer Herbert Knaup gespielt wird, auf den man auch ein bisschen stolz ist, kommt recht gut weg. Aus Nicht-Allgäuer Sicht macht er seine Sache sogar so gut, dass man ihn nicht versteht. "I ka jetzt it eifach fahre" sagt er etwa zur Erika, wenn er nicht einfach fahren kann. Der Rest Deutschlands will aber auch noch irgendwie mitkommen, und mit der hochdeutschsprechenden Medizin-Professorin schwätzt man halt auch anders als mit dem eigenen Vater, also klingt auch der Knaup-Kluftinger nicht immer unverfälscht. Er spricht dann ein wenig anders, um sich verständlich zu machen. So, wie man eben mit Urlaubern redet. Von Elisa Britzelmeier

Switzerdütsch im Tatort

Wenn es ein Land gibt, in dem Dialekt eine Rolle spielt, dann die Schweiz. Jeder spricht Dialekt, die Bankerin genauso wie der Straßenkehrer. Es gibt unzählige verschiedene Dialekte, jeder anders in Aussprache und Wortschatz, und allen Sprechern ist gemeinsam: Sie lieben ihren Dialekt. Wenn sich zwei Schweizer treffen, geht es erst einmal lange darum, wer was zu etwas sagt. "Butter" oder "Anke"? "Chätzli" oder "Büsi"? Umso seltsamer ist es, dass der Schweizer Tatort aus Luzern fast dialektfrei ist, jedenfalls in der von der ARD ausgestrahlten Synchronfassung. Wenn der Schweizer Kommissar zu einem Mordschauplatz kommt, mit der Schweizer Kollegin von der Spurensicherung redet oder Schweizer Zeugen vernimmt, dann hört man nicht Baseldytsch, Züritüütsch, Wallissertitsch oder vielleicht auch Rumantsch. Nein, die Leute sprechen Hochdeutsch beziehungsweise so, wie Schweizer in der Schule reden (müssen) oder mit Deutschen, wenn sie sich verständlich machen wollen. Was dann außerhalb der Schweiz oft fälschlicherweise für Schweizerdeutsch gehalten wird. Von Verena Mayer

Kölsch in Der König von Köln

Als Joachim Król kürzlich in Der König von Köln einen windigen Baudezernenten darstellte, musste er auch Kölsch reden. Er musste also reichlich "sch" in seinen Wortschatz mischen. Nun weiß man, dass Król sich als Schauspieler von Format Mundarten so aneignen kann, dass sie für den Auswärtigen klingen wie das Original. Gebürtige Kölner decken allerdings jeden Versuch der verbalen Assimilation umgehend als Fälschung auf. Genau deshalb traf es auch den aus dem Ruhrgebiet stammenden Król. Das sei kein Kölner, lautete das Urteil bei den Vertretern des sprachlichen Reinheitsgebots, was lustig ist, denn im zugehörigen Film ging es um all die Korruption, die man gerne unter der Überschrift Kölscher Klüngel verzärtelt. So ein bisschen charmante Korruption, das geht in Köln immer. Hauptsache, man vergeht sich nicht wie Król am örtlichen Dialekt. Da hört für echte Kölner der Spaß auf. Von Hans Hoff

Schwäbisch in Die Kirche bleibt im Dorf

Gottfried Häberle mit seinen drei Töchtern: Natalia Wörner als Maria, Christian Pätzold als Vater Gottfried, Karoline Eichhorn als Christine und Julia Nachtmann als Klara (von rechts nach links). (Foto: imago)

Willkommen in Oberriesling, fiktiver Heimat von Gottfried Häberle, der seinen Weinberg derart rustikal verteidigt. Er ist eine der Hauptfiguren in der Serie Die Kirche bleibt im Dorf, die der SWR für den regionalen Markt produziert hat und die das Dilemma des Schwäbischen im Fernsehen dramatisch zeigt: Wenn Figuren diesen Dialekt schwätzen, dann so richtig. Dann müssen sie fluchen und Wörter wie "Glotzbebbl" (Augen) oder "Muggabatscher (Fliegenklatsche) verwenden. Filmemacher haben das Schwäbische zu einem Fall für die Komödie und den Klamauk erklärt. Selbst wenn der Dialekt mal im Hauptprogramm in einem Krimi vorkommt, wird er meist von etwas einfältigen Nebenfiguren gesprochen, wie in der Soko Stuttgart. Der Stuttgarter Tatort wagt nur hin und wieder ein Experiment mit schwäbisch sprechenden Gastfiguren und erntet dafür gemischte Reaktionen. Man lehne den "Klischee-Dialektsprecher" ab und sei um Differenzierung bemüht, sagt Manfred Hattendorf, der beim SWR für den Tatort zuständig ist. Es sei schwer, dafür geeignete Schauspieler und Regisseure zu finden. Von Claudia Henzler

Oberpfälzerisch in Das Verschwinden

Von links nach rechts: Die Schauspielerinnen Elisa Schlott und Julia Jentsch und Drehbuchschreiber und Produzent von "Das Verschwinden" Hans-Christian Schmid. (Foto: ARD Degeto)

Forstenau gibt es nicht. Die Kleinstadt der ARD-Serie Das Verschwinden ist fiktiv, liegt aber eindeutig an der tschechischen Grenze, die Autos haben Chamer Kennzeichen. Muss die Oberpfalz sein. Klingt aber überhaupt nicht so. Prägend für das Nordbairische der Oberpfalz sind Zwielaute wie das "ou", festgehalten im Witz, wie man einen Oberpfälzer zum Bellen bringt: "Do gibts fei a Freibier!" -"Wou, wou, wou?". In Das Verschwinden bellt niemand. Fast alle Figuren sprechen reinstes Fernseh-Hochdeutsch. Wäre da nicht Stephan Zinner als örtlicher Polizeichef, der überarbeitet ist, zur Gewalt neigt und als gebürtiger Forstenauer Bairisch spricht - nur leider Oberbairisch. Von Elisa Britzelmeier

Düsseldorfer Platt im Tatort

Harmoniesprache Rheinisch: In Düsseldorf wird das ganze Jahr beim Reden gesungen und Touri-Rheinisch (dat und wat) von Alteingessensen wie Zugezogenen begeistert gesprochen. Aber das original Düsseldorfer Platt ist eher eine Geheimsprache. Der Hund heißt Hongk, die Blutwurst heißt Flönz und ein Tüftler ist ein Fisternölles. Das Düsseldorfer Platt liegt auf der Intensivstation und die Heimatvereine halten die Injektionsnadeln. Der einzige Tatort der je aus der NRW-Landeshauptstadt zwischen 1992 bis 1997 kam, präsentierte konsequenterweise Kommissar Flemming (Martin Lüttge). Der war erstens null Klischee, also total ernsthaft und vollkommen witzfrei. Und der zweitens, selbst wenn er mal gut gelaunt war, beim Ermitteln kein bisschen rheinisch sang. Der knorrige Lüttge stammte aus Hamburg. Nach 15 Folgen Hochdeutsch am Rhein war Schluss, sein Assistent Ballauf wechselte schnell nach Köln, wo er mit Freddy Schenk bis heute dialektfrei Dienst schiebt. Von Harald Hordych

Bairisch in Hindafing

Dass die von Hindafing restlos begeisterte Rezensentin der Zeit "höchstens noch Untertitel" für die Norddeutschen erbat, stellt der Dialekttreue dieser Serie ex negativo das beste Zeugnis aus. Damit ist nicht gesagt, dass hier Folge für Folge reinstes Bairisch gesprochen würde, im Gegenteil: Es ist jede Schattierung vertreten, die zwischen dem eher mundartscheuen München und dem dialektstolzen Hinterland zu hören ist. Was aber den Protagonisten angeht, den von allen Teufeln getriebenen Bürgermeister Zischl, so stattet Maximilian Brückner ihn mit einer Sprache aus, die das Risiko, schon innerhalb Bayerns nicht überall und von jedem verstanden zu werden, mit grimmigem Spaß an der Sache eingeht. Serien der minderen Sorte haben mit ihrer Mixtur aus Deppen- und Boutiquenboarisch gewaltige Flurschäden angerichtet. Da macht einer wie Brückner viel gut, wenn er mit dem scheinheiligsten Gesicht von der Welt sagt: "Da Jesus war scho a gscheida Mo, gell!" Von Herrmann Unterstöger

© SZ vom 29.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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