Huawei-Diskussion:EU-Kommission empfiehlt Sicherheitsvorkehrungen für das 5G-Netz

Sommerabend in München junge Frauen sitzen auf dem Geländer der Hackerbrücke und genießen den Sonne

Das 5G-Netz soll das Surfen mit dem Smartphone noch schneller machen. Welche Anbieter beim Aufbau beteiligt werden sollen, ist umstritten.

(Foto: Ralph Peters/imago images)
  • Die EU-Kommission hat ihre Empfehlungen für den Umgang mit Netzwerkausrüstern wie Huawei abgegeben.
  • Die Behörde hält nichts davon, Firmen nur wegen ihrer nationalen Herkunft auszuschließen. Sie empfiehlt allerdings strenge Sicherheitsvorkehrungen.
  • Die Bundesregierung hat noch immer keine Entscheidung über den Umgang mit dem chinesischen Unternehmen Huawei getroffen, auch weil man sich in der Union uneins ist. Nun aber ist der Weg für eine Entscheidung frei.

Von Björn Finke, Brüssel

Natürlich denken alle an Huawei, den ebenso erfolgreichen wie umstrittenen Telekom-Ausrüster aus China. Doch Thierry Breton gelingt es, den Namen des Konzerns in dem achtzigminütigen Interview nicht einmal in den Mund zu nehmen. Der EU-Kommissar, zuständig für den Binnenmarkt, präsentierte am Mittwochmittag die Sicherheitsempfehlungen seiner Behörde für die neue schnelle Mobilfunktechnik 5G. Damit kann jetzt auch die Bundesregierung über den Umgang mit Huawei entscheiden. Schon vor der Präsentation empfängt Breton die Süddeutsche Zeitung und einige internationale Medien zum Gespräch im zehnten Stock des Brüsseler Berlaymont-Gebäudes, der Zentrale der Kommission. "Einige Anbieter werden sich ändern müssen, damit sie die Vorgaben erfüllen", sagt der Franzose da. "Aber wir bannen niemanden nur wegen seines Namens oder seiner Nationalität." Sprich: Dass ein Unternehmen wie Huawei aus China kommt, reicht alleine nicht für den Ausschluss vom Bau des 5G-Netzes. Die 5G-Technologie überträgt Daten so schnell, dass sie ganz neue Anwendungen ermöglicht.

Sie ist Grundlage für Visionen von komplett vernetzten Städten und Fabriken, in denen sämtliche Geräte munter miteinander kommunizieren und alles ferngesteuert werden kann. Bereits in zwei bis drei Jahren könnten derart leistungsfähige 5G-Netze im großen Stil zur Verfügung stehen. Doch um Huawei, den weltweit wichtigsten Lieferanten der nötigen Technik und Software, ist ein erbitterter Streit entbrannt.

Die US-Regierung wirft dem Unternehmen aus Shenzhen in Südchina vor, dass seine Produkte den chinesischen Geheimdiensten bei der Spionage helfen könnten. Der Konzern streitet das vehement ab. Trotzdem übt Washington Druck auf seine Verbündeten aus. Die US-Regierung will, dass sie Huawei vom 5G-Aufbau ausschließen, weil die Technik Basis für so viele sensible Anwendungen sein soll - und zugleich mehr Angriffspunkte für Hacker bietet. Die britische Regierung verkündete am Dienstag, einem Mittelweg zu folgen: Huawei darf nicht für den Kernbereich des Netzes zuliefern, für andere Teile der Infrastruktur aber schon.

In Deutschland sind CDU/CSU bei der Frage des Umgangs mit Huawei zerstritten. Einige Abgeordnete wollen das Unternehmen, das bereits der wichtigste Ausrüster für das bestehende 4G-Netz ist, bei der Nachfolgetechnik draußen halten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält jedoch nichts von einem kompletten Bann.

Nach Vorlage der Empfehlungen der EU-Kommission gibt es nun keinen triftigen Grund mehr, eine Entscheidung in Berlin weiter aufzuschieben. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden das Dokument allerdings erst bei ihrem Gipfel im März offiziell absegnen.

Kommissar Breton, der bis Herbst Chef des IT-Konzerns Atos war, sagt, er lege hier eine "Checkliste" oder einen "Werkzeugkasten für die nächsten zehn Jahre" vor, mit dem Regierungen, Telekom-Konzerne und Anwender von 5G-Technik - etwa Kommunen oder Industriebetriebe - die Risiken minimieren könnten. Da nationale Sicherheit Sache der Mitgliedstaaten ist, hat dieser Werkzeugkasten nicht die Form eines EU-Gesetzes; er zwingt die Länder zu nichts. Ein Gesetz ist laut Breton auch gar nicht nötig, denn alle Regierungen hätten die Empfehlungen mitentwickelt und ihnen zugestimmt, unterstützten sie also. Es sei "das erste Mal in der Geschichte", dass die Länder bei solch einem Thema koordiniert vorgehen wollten. Manche Staaten würden den Katalog sofort und überall anwenden, andere vielleicht erst später: "Ich bin aber sicher, dass am Ende, wenn 5G komplett ausgerollt ist, jeder unseren Werkzeugkasten nutzt." Die Kommission wird im Juni einen Bericht über die Umsetzung in den ersten Monaten vorlegen.

Die Checkliste rät den Regierungen, die Sicherheitsanforderungen für Telekom-Konzerne zu verschärfen. So könnte das Auslagern von bestimmten heiklen Aufgaben verboten werden. Breton warnt im Gespräch davor, dass Zulieferer und Dienstleister von anderen Kontinenten durch ihre Regierung gezwungen werden könnten, Daten europäischer Nutzer herauszugeben. Solche Gesetze existieren zum Beispiel in China und den USA. Der Franzose fordert deswegen, sensible Daten und Software in Europa zu belassen. Zudem sollen die Mitgliedstaaten prüfen, wie vertrauenswürdig die Ausrüster sind, und sie wenn nötig teilweise oder komplett ausschließen - so wie es die Briten bei Huawei vorexerziert haben. "Der Werkzeugkasten liefert dafür die Begründungen", sagt Breton. Dieser Kasten empfiehlt außerdem, für alle Komponenten mehrere Zulieferer zu suchen - verschiedene Firmen aus verschiedenen Herkunftsländern, wie Breton ausführt. Soll heißen: Stammt ein Anbieter aus China, sollte der zweite wohl besser aus einem Staat wie Schweden oder Finnland kommen und Ericsson oder Nokia heißen. Die Brüsseler Behörde verspricht, in Politikfeldern, in denen sie und nicht die Staaten zuständig ist, ebenfalls zu einem sicheren Umfeld für 5G beizutragen: in der Handels- und Wettbewerbspolitik und bei den Regeln für öffentliche Ausschreibungen. Breton sagt, dass sich Rivalen von anderen Kontinenten an die gleichen Regeln halten müssten wie die hiesigen Hersteller, wenn sie in der EU Produkte verkaufen wollten. Unfairer Wettbewerb müsse verhindert werden. Das gelte umso mehr, wenn dieser die Existenz der europäischen Firmen gefährden könne. Es sei wichtig, dass die EU auch in Zukunft eigene 5G-Ausrüster habe.

Den Vorwurf, die Empfehlungen würden unter dem Deckmantel der Sicherheit heimische Anbieter schützen, lässt Breton nicht gelten: "Wir bevorzugen niemanden. Die einzigen, die wir bevorzugen, sind Firmen, die unsere Regeln respektieren. Es geht nicht um Protektionismus, sondern um fairen Wettbewerb und Sicherheitsbedenken."

Bei den Telekom-Konzernen, welche die Aufträge für die 5G-Technik erteilen, werde der Werkzeugkasten dazu führen, dass der Preis nicht mehr das einzige Kriterium für den Zuschlag sei, hofft Breton. Das sieht der 65-Jährige, der Anfang des Jahrtausends Chef von France Télécom war, als Verbesserung an: "Als Vorstandsvorsitzender wäre ich froh gewesen, solch einen Werkzeugkasten gehabt zu haben."

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