Management:Weibliche Ausnahmen 

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In vielen Vorständen deutscher Unternehmen sind Frauen immer noch selten. Vor allem in der Versicherungsbranche haben es weibliche Führungskräfte schwer. Aber woran liegt das eigentlich?

Von Christian Bellmann und Friederike Krieger, Bergisch-Gladbach

Frauen und die Versicherungsbranche, das ist ein schwieriges Thema. In den meisten Branchen in Deutschland sind Frauen in höheren Positionen nach wie vor eine kleine Minderheit, bei Versicherern ist der Frauenanteil in den Vorstandsetagen und im höheren Management aber besonders gering - auch noch im Jahr 2020. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatten nur elf Prozent der größten 60 Versicherer 2019 eine Frau im Vorstand. "Wir sind immer noch ein Jungs-Club, das ist wirklich nicht zukunftsfähig", sagte Wolfgang Breuer, Chef des Versicherers Provinzial Nordwest aus Münster, beim Versicherungstag der SZ in Bergisch-Gladbach.

Die Provinzial Nordwest, ein Versicherer aus der Sparkassen-Finanzgruppe, ist kein Einzelfall. Nur wenige ihrer Konkurrenten haben eine Frau im Vorstand, selbst im 18 Personen starken Präsidium des deutschen Versichererverband GDV sitzen ausschließlich Männer.

Insgesamt sind Frauen in der Versicherungsbranche gar nicht so rar. In unteren Hierarchieebenen, etwa in den Abteilungen für die Regulierung von Versicherungsschäden, ist das Verhältnis der männlichen und der weiblichen Angestellten eher ausgeglichen. Das ist auch bei der Provinzial Nordwest so. "Der Frauenanteil ist bei uns unten breit und oben dünn", sagte Breuer. "Die Provinzial hat genug gute Frauen, aber nur wenige schaffen es nach oben."

Dass die Versicherungswirtschaft eine der stärksten von Männern dominierte Branche ist, kann auch Carolin Gabor bestätigen. Sie ist Chefin des neuen Versicherungs-Vergleichsportals Joonko und blickt auf eine langjährige berufliche Erfahrung in der Versicherungsbranche zurück. "Viele Frauen bekommen schnell das Gefühl, dass in dieser Branche kein Platz für sie ist", sagte sie.

Sie sieht vor allem einen Grund, warum die meisten Führungspositionen bei Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich immer noch mit Männern besetzt sind: Die Unternehmen wählten mit Vorliebe Bewerber aus, die in ihrer Karriere eine vergleichbare Tätigkeit schon einmal ausgeübt haben. Das schränkt nicht nur den Kreis der Kandidaten insgesamt ein, sondern hat vor allem zur Folge, dass kaum Frauen in die engere Wahl kommen. "Wenn die Unternehmen immer nur im gleichen Teich fischen, ist es klar, dass sie nicht viele Kandidatinnen bekommen", sagt die Joonko-Chefin Gabor.

Dietmar Austrup von Egon Zehnder, einem der großen Personalberatungsunternehmen in Deutschland, kann das bestätigen. "Andere Branchen sind in diesem Punkt viel durchlässiger, sie sind besser darin, Frauen aus benachbarten Branchen in Führungspositionen zu etablieren", sagte er. Versicherer sollten seiner Ansicht nach stärker auf das Potenzial eines Bewerbers oder einer Bewerberin schauen als auf die traditionelle Kompetenz.

Es würde auch helfen, wenn die Gremien im Unternehmen, die über Einstellungen und Beförderungen von Mitarbeitern entscheiden, gleichermaßen mit Frauen und Männern besetzt sind, glaubt Hannover Rück-Chef Jean-Jacques Henchoz. Wenn die Entscheider nur männlich sind, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Mann die Stelle bekomme. "Wir müssen an unseren unbewussten Vorurteilen arbeiten", sagte er.

Dass sich bei den Versicherern in Sachen Frauenanteil kurzfristig etwas tun wird, scheint unwahrscheinlich, schließlich mahlen die Mühlen in der Branche traditionell eher langsam. Dennoch wäre jetzt ein günstiger Moment für Veränderungen. Die Versicherer befinden sich aufgrund der Digitalisierung, des demografischen Wandels und der niedrigen Zinsen gerade in einem tief greifenden Wandel.

Auch bei der Provinzial in Münster ist es nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft eine Frau im Vorstand sitzt oder sogar das Zepter in der Hand hält. Das dürfte allerdings noch einige Jahre dauern, räumte Konzernchef Breuer ein. "Die Fluktuation in unserem Vorstand ist nun einmal seit jeher sehr gering."

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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