Große Koalition:Ungewollt, blockiert, schlechtgeredet - und immer noch da

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Noch hat niemand die Hintertür aus der Großen Koalition gewählt.

(Foto: imago images/Christian Ohde)

Der großen Koalition kommt zugute, dass ihre Macht mit der Möglichkeit einhergeht, Geld mit vollen Händen auszugeben. Das weiß auch die neue SPD-Spitze zu schätzen.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Angela Merkels dritte große Koalition ist die von allen Beteiligten am wenigsten gewollte, die von der Union in den ersten Monaten am heftigsten blockierte und die von Teilen der SPD durchweg am schlechtesten geredete große Koalition, die es unter der Führung dieser Kanzlerin je gab. Die dritte große Koalition Merkels wird begleitet von einem Führungswechsel in allen drei Parteien, und sie hat die Spannung auszuhalten zwischen einer Kanzlerin auf der Schlussrunde sowie einer CDU-Chefin, die sich erst im Startblock verhakt hatte und nun die verlorene Zeit aufholen muss. Die dritte große Koalition Merkels wird kritisiert von so viel Opposition wie noch nie, ihr Personal sieht nach Meinung des CSU-Chefs zu alt aus, und die neuen SPD-Vorsitzenden spielten mit dem Gedanken an einen Ausstieg, zumindest solange sie noch nicht SPD-Vorsitzende waren.

Warum nur gibt es diese Koalition immer noch? Die Frage, ob es weitergeht, begleitet sie von Anfang an unabschüttelbar. Und jedes Mal geht's einfach weiter. Die Gründe liegen in einer Mischung aus Trotzdems und Deshalbs. Die Trotzdems haben damit zu tun, dass diese Koalition schlechter beleumundet sein mag als manche Vorgängerin, aber unterm Strich gewiss nicht schlechter arbeitet. Die Deshalbs haben damit zu tun, dass alle Anfechtungen auch zeigen, welches Unheil die drei Parteien erwarten könnte, wenn sie sich trennen. In der Summe ergibt das, dass diese Koalition unter schlechten Alternativen die beste ist - jedenfalls aus Sicht der drei Koalitionsparteien.

Macht allein ist nicht der wichtigste Kitt. Dieser Regierung kommt zugute, dass ihre Macht mit der Möglichkeit einhergeht, Geld mit vollen Händen auszugeben. Der jüngste Koalitionsausschuss ist ein gutes Beispiel. Aus dem Nichts steht plötzlich eine Milliarde Euro für die Bauern auf dem Zettel. Zuschüsse für Kurzarbeiter könnten dazukommen. Steuersenkungen stehen in Rede. Diese Koalition hat nie überlegen müssen, wo Geld herkommen, sondern immer nur, wo es hinfließen soll. Wer da rausdrängt, überlässt anderen die Knete.

Das weiß auch die SPD, deren neue Chefs unter dem größten Rechtfertigungsdruck stehen. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans haben im parteiinternen Wahlkampf - vorsichtig ausgedrückt - den Eindruck erweckt, es verbinde sie nicht viel mit dieser Regierung. Das ist vorbei. Erst wurden sie von der Kanzlerin freundlich empfangen und ernst genommen, was sie von der eigenen Partei nicht immer gewohnt waren. Die eigenen Minister erklärten ihnen zudem, warum Regieren gar nicht so schlecht ist, und die Fraktion, warum sie sich die Arbeit der vergangenen Jahre nicht schlechtreden lässt. Und das eine oder andere Trittbrett fand sich auch, auf dem man die Erfolge anderer für sich beanspruchen konnte.

Esken und Walter-Borjans wurden gewählt, um der Partei wieder eigenes Profil zu verschaffen, wenn schon nicht jenseits der Regierung, dann wenigstens jenseits der Regierungsarbeit. Davon kann bislang keine Rede sein. Wie in einem Strudel sind sie fortwährend mit Fragen nach der Koalition konfrontiert und mit der Suche nach neuen Kompromissen beschäftigt. Und wer nun mitreden kann im Koalitionsausschuss, fragt sich vielleicht auch still und leise: Warum darauf verzichten, nur um öffentlich unbeachtet in Stuhlkreisen eine 13-Prozent-Partei in der Opposition aufzumöbeln?

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