Impeachment-Prozess:Bestellter Freispruch

Lesezeit: 3 min

Donald Trump bei einem öffentlichen Auftritt in Des Moines, Iowa. (Foto: Tom Brenner/AFP)
  • Der US-Senat hat entschieden: Im Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Trump will die Kongresskammer keine Zeugen vernehmen.
  • Die Abstimmung darüber ging am Freitagabend mit 51 zu 49 Stimmen aus, nur zwei anstelle der benötigten vier Republikaner stimmten mit den Demokraten.
  • Am Mittwoch wollen die Republikaner über die Amtsenthebung des Präsidenten abstimmen. Alles andere als ein Freispruch wäre eine Überraschung.

Von Alan Cassidy, Washington

Keine Zeugen also, kein John Bolton, keiner der anderen Mitarbeiter von Donald Trump, die über das Verhalten des US-Präsidenten in der Ukraine-Affäre aus erster Hand berichten könnten. Am Freitag kam Trump seinem Ziel - einem Freispruch im Impeachment-Prozess durch den Senat - einen großen Schritt näher. Die Demokraten hatten in den vergangenen Tagen vehement gefordert, Zeugen zum Verfahren zuzulassen. Sie wollten unter anderem Trumps früheren Sicherheitsberater John Bolton vorladen, der den Präsidenten in einem unveröffentlichten Buch belastet. Doch am Freitagabend entschied der Senat mit 51 zu 49 Stimmen, dass er keine Zeugen vorladen will.

Die Mehrheit der Kammer sei zum Schluss gekommen, dass sie genügend Material habe, um die Anklage gegen Trump durch das Repräsentantenhaus zu beurteilen, teilte Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner, nach der Abstimmung mit. Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Demokraten, bezeichnete die Entscheidung dagegen als "eine der grössten Tragödien" in der Geschichte des Senats. "Ein Freispruch ohne Zeugen und ohne Beweismittel ist wertlos", sagte er.

In eigener Sache
:Das Wichtigste zur Wahl in den USA im neuen SZ-Newsletter

Amerika steht vor einer Schicksalswahl. Jeden Donnerstag ordnen die US-Korrespondenten der SZ die relevantesten Entwicklungen der Wahlkampfwoche ein - damit Sie den Überblick behalten.

Von Stefan Kornelius

Die Entscheidung ist zweifellos ein Rückschlag für die Demokraten. Weil die Opposition nur auf 47 von 100 Stimmen im Senat kommt, brauchte sie mindestens vier Republikaner, die für die Anhörung von Zeugen votierten. Mit Susan Collins und Mitt Romney fanden sie aber nur zwei Republikaner, die sich dafür aussprachen. Die Entscheidung gegen Zeugen zeichnete sich ab, als Lamar Alexander aus Tennessee verkündete, dass es in seinen Augen "keine Notwendigkeit" für Zeugen und weitere Beweise gebe. Der Senator tritt Ende des Jahres von seinem Amt zurück und galt als Wackelkandidat, der es sich politisch leisten könnte, sich auf die Seite der Demokraten zu schlagen.

"Unangebracht" aber nicht Impeachment-würdig

Alexander sagte, er sehe es zwar für erwiesen an, dass Trump die Ukraine darum gebeten habe, gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zu ermitteln. Dafür habe er auch US-Militärhilfe an Kiew zurückbehalten. Die Ankläger des Repräsentantenhauses hätten für diesen Vorwurf ausreichend Belege geliefert, und Trump selbst habe in einem Fernsehinterview im vergangenen Oktober so gut wie zugegeben, dass er von der Ukraine Ermittlungen gegen Biden gefordert hatte. Dieses Verhalten Trumps sei "unangebracht", sagte Alexander. Es rechtfertige aber keine Amtsenthebung. Über die politische Zukunft des Präsidenten müssten die amerikanischen Wähler im kommenden November entscheiden.

An Alexanders Haltung schien auch die jüngste Enthüllung in der Ukraine-Affäre nichts mehr zu ändern. Kurz vor Beginn der Verhandlung im Senat veröffentlichte die New York Times neue Details aus Boltons Buch. Trump, schrieb die Zeitung, habe Bolton im vergangenen Mai dazu gedrängt, seinem persönlichen Anwalt Rudy Giuliani dabei zu helfen, belastendes Material über Trumps politischen Rivalen in der Ukraine zu besorgen. Er, Bolton, habe dies verweigert. Trump bestritt Boltons Darstellung in einer Stellungnahme, doch die Ankläger der Demokraten nahmen den Bericht im Senatssaal trotzdem sofort auf. Er unterstreiche, wie dringend es geboten sei, Bolton als Zeugen vorzuladen, sagte der Abgeordnete Adam Schiff.

Trotzdem sagte mit Lisa Murkowski aus Alaska dann auch noch die letzte mögliche Wackelkandidatin der Republikaner ab: Sie habe genug gehört. Die Demokraten sahen angesichts dieser Entwicklung kaum mehr Chancen, eine Mehrheit für Zeugen zu erhalten. Trotzdem drängten sie am Freitag erneut darauf. Die Opposition argumentierte auch damit, dass eine Mehrheit von 73 Prozent der Amerikaner in Umfragen einen Prozess mit Zeugen befürwortet. Nach Ansicht der Republikaner würde dies das Verfahren nur unnötig verlängern.

Abschließendes Urteil am Mittwoch

Bereits vor der Abstimmung über die Zeugen war die Opposition dazu übergegangen, den bevorstehenden Freispruch Trumps in Zweifel zu ziehen. "Man kann nicht freigesprochen werden, wenn man kein Verfahren hat. Und man kann kein Verfahren haben, wenn man nicht auch die Zeugen und die Beweismittel hat", sagte Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses. Unterstützung erhielt sie dabei von einem Mann, der den Demokraten nicht besonders nahe steht: John Kelly. Ohne Zeugen mache der Senat seinen Job "nur zur Hälfte", sagte Trumps früherer Stabschef. "Damit setzt sich der Senat für immer dem Vorwurf aus, dass er sich um seine Pflicht gedrückt habe."

Das abschließende Urteil im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump soll nun am kommenden Mittwoch fallen. Am Wochenende haben die Senatoren frei. Am Montag sollen Anklagevertreter und Trumps Verteidiger dann vier Stunden Zeit für ihre Abschlussplädoyers bekommen. Ein Votum zu den Anklagepunkten gegen Trump soll am Mittwochnachmittag (Ortszeit) folgen.

Der Abschluss des Impeachment-Verfahrens wird damit in eine volle Woche fallen: Am Montagabend (Ortszeit) steht im Bundesstaat Iowa die erste Vorwahl an, bei denen Demokraten und Republikaner bestimmen, wen sie für den besten Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei halten. Für Dienstagabend (Ortszeit) ist die traditionelle Ansprache des Präsidenten zur Lage der Nation angesetzt.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusImpeachment
:No big deal

Jeder im US-Senat weiß, dass Präsident Donald Trump seine Macht missbraucht hat. Und jeder weiß, dass den Republikanern das egal ist. Über Amt und Unwürde.

Von Alan Cassidy und Hubert Wetzel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: