Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:"Manchmal muss man auch den Takt vorgeben"

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Bei der Podiumsdiskussion der Geretsrieder Bürgermeisterkandidaten verteidigt Michael Müller (CSU) selbstbewusst seinen Kurs. Seine Herausforderer fordern mehr Klimaschutz, mehr ganzheitliche Planung - und mehr Bürgerbeteiligung.

Von Viktoria Spinrad, Geretsried

Zunächst hatte es so ausgesehen, als würde Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller (CSU) einfach unangefochten durchmarschieren. Doch ganz so einfach soll es doch nicht für ihn werden - nach und nach positionierten sich drei Gegenkandidaten. Am Donnerstagabend trafen der alte und die neuen Anwerber auf den Chefsessel im Rathaus erstmals aufeinander. Moderiert von Carl-Christian Eick und Susanne Weiß ging es in den Ratsstuben um die Themen der Stadt: Wohnraum, den Ausbau der Bundesstraße 11, Stadtbus, die Belebung der Innenstadt. Die Teilnehmer in der Einzelkritik.

Michael Müller (CSU)

Bürgermeister Michael Müller bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der amtierende Amtsinhaber Müller machte klar, wer die nächsten sechs Jahre die Fäden im Rathaus ziehen sollte: er selbst. Müller präsentierte sich selbstbewusst, lobte die Entwicklung der Stadt, spielte seinen Informationsvorschuss als Rathaus-Chef gekonnt aus und ließ es sich nicht nehmen, gelegentlich gegen seine Mitstreiter zu sticheln. Er nannte Kindergärten und Schulen als Prioritäten, verteidigte den Ausbau der Bundesstraße 11 ("brauchen wir auch als Wirtschaftsstandort") und sprach sich für mehr Innenentwicklung und den Schutz des Waldes aus. Zudem befürwortete er eine Umstellung des Stadtbusses auf einen 20-Minuten-Takt, damit dieser an den neuen MVV-Bus, der von 2021 an unter anderem die End-Achsen Geretsried, Wolfratshausen und Bad Tölz verbinden soll, anknüpfen kann. Er verteidigte seinen teils umstrittenen Führungsstil, als er sich selbst als eine Art Orchester-Leiter zeichnete und staatsmännisch sagte: "Manchmal muss man auch den Takt vorgeben."

Wolfgang Werner (SPD)

Von dem 44-jährigen Finanzwirt und langjährigen Stadtrat hatte sich so mancher mehr erhofft. Zum Wahlkampfauftakt hatte er sich noch kampfeslustig gegeben, am Donnerstagabend präsentierte er sich im Sandwich zwischen den Moderatoren und dem Bürgermeister fast handzahm. Werner blieb oft im Vagen, verlor sich in Zustandsbeschreibungen, nutzte Steilvorlagen der Moderatoren nicht. Zum Beispiel, als es um Bauprojekte ging, wobei er immer wieder auf die Baugenossenschaft verwies und sich erst am Ende zum Vorschlag eines "Wohn-Azubi-Komplexes" durchrang. Inhaltlich blieb er bei seiner Linie: Nachverdichtung, Mietspiegel, sozialgerechte Bodennutzung, kostenloser Stadtbus. Letzteres Projekt war gescheitert, doch er versprach, dranzubleiben. Als Vorbild nannte er Planegg, wo die Verwaltung den Bürgern die Tickets zurückerstatten soll - was im Publikum sichtlich Irritation auslöste. Mehr Sympathien gab es für Ideen wie Bürgersolaranlagen in Energiegenossenschaften - und seine Reaktion auf die Grundsatzfrage zu Feuerwerken: "Da bin ich ein gebranntes Kind", entgegnete er - in der Silvesternacht vor drei Jahren waren Teile seiner Wohnung abgebrannt.

Martina Raschke (Grüne)

Martina Raschke ist Nachhaltigkeitsberaterin und Mitbegründerin der Bürgerstiftung Energiewende Oberland. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dress to impress, hatte sich die Grünen-Kandidatin möglicherweise gedacht, und kam in einem langen, schillernd grünen Mantel. Konkrete Ansagen für ein grüneres Geretsried blieb die 57-jährige Nachhaltigkeitsberaterin aber teils schuldig. Zwar kamen ihre Themen wie eine gesamtheitlichere Stadtplanung, höheres Bauen, Begegnungsräume in den Stadtteilen durchaus beim Publikum an - bei Nachfragen verwies sie dann aber häufig auf Bürgerumfragen. Was nicht überrascht, ist die Bürgerbeteiligung doch neben dem Klimaschutz eines ihrer großen Themen. Gleichzeitig scheute sie sich nicht, unpopuläre Maßnahmen wie weniger Parkplätze aufzuzeigen. Zweimal wendete sie sich mit leidenschaftlichen Plädoyers für mehr direkte Zusammenarbeit und Verzicht direkt an das Publikum - und blieb trotz beständiger Spitzen von links, wo der Bürgermeister saß, souverän.

Larry Terwey (FDP)

So spontan er sich entschieden hatte, zu kandidieren, so stoisch gelassen zeigte sich der 54-jährige IT-Spezialist auf der Bühne. Er lächelte auch dann gönnerhaft, wenn seine Grünen-Mitstreiterin Applaus bekam, und ließ sich auch nicht nach einem Versprecher ("Ich bin auf der ganzen Welt mit meinem Auto unterwegs") aus der Bahn werfen. Dass seine Themen die Verkehrs- und die Familienpolitik sind, wurde auch am Donnerstag klar: Er sprach sich für Fahrrad-Stellplätze nach holländischem Vorbild, einen Infrastruktur-Arbeitskreis und mehr Kitaplätze aus. Letztere Thematik kennt er aus seinem Privatleben: Er selber hat drei Kinder, seine jetzige Frau noch einmal fünf. Seit drei Jahren lebt er in Geretsried-Stein - einem Ortsteil, auf den der Liberale mit Hang zum Grünen auch nach einer Provokation von Wolfgang Werner (SPD) nichts kommen ließ: Zum Abschluss nannte er ihn als eines der Dinge, die er an Geretsried am meisten schätze.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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