Theater nicht nur für Kinder:Plastik statt Fisch

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Zum Kampf gegen Plastik entschließen sich Fischerstochter Motte, gespielt von Jessica Jahning, und ihr Fischervater alias Robert Heinle. (Foto: Hartmut Pösgtes)

Achja!-Bühne begeistert Geretsrieder Kinder.

Von Arnold Zimprich, Geretsried

An der Tür zur Aula der Karl-Lederer-Schule kommen sich die Besucher in die Quere: Etwa 30 Kinder und Eltern strömen an diesem windigen Samstagnachmittag zum Theaterstück "Motte will Meer" der Essener Achja!-Bühne - und zur vom Elternbeirat reichlich gedeckten Kuchentheke. Peter Teuchert sitzt derweil erwartungsvoll an seinem Mischpult. "Wir sind ein kleines Team von drei Leuten", sagt Teuchert, "und heute eigens von Essen acht Stunden nach Geretsried gefahren". Doch jetzt heißt es still sein, denn das Stück beginnt.

Was das Trio um Theaterchefin Jessica Jahning auf die Bühne bringt, fesselt das Publikum eine Stunde lang. Fischerstochter Motte muss miterleben, wie ihr Vater immer weniger Fisch, dafür aber umso mehr Plastikmüll nach Hause bringt. Motte wünscht sich einen Zauberstab - "dann zaubere ich das ganze Plastik einfach weg". Wenn das nur so einfach wäre. "Ich bin viel zu klein, um irgendwas zu ändern", glaubt das Mädchen. Doch siehe da, ein wertlos wirkender Beifang des Vaters in Form eines Holzstocks entpuppt sich tatsächlich als Zauberwerkzeug und führt Motte zielsicher in das Plastiklabor von Professor Fabrizio Fantastico.

"Willkommen in der Wünschewelt" frohlockt der neonbunt gekleidete, übereifrige und überdrehte Wissenschaftler. Er nestelt an seiner "WünschDirWas"-Maschine, die jeden Plastikwunsch der Welt erfüllt. "Der Oskar will 'ne Tüte nur für eine Stunde Einkaufstour" singt er; gerade erst hat der Plastik-Fan einen Arbeitsauftrag über eine Million Plastiktüten aus China erhalten. Dass die ersten 200 001 Tüten keinen Boden haben und man hindurchschauen kann - geschenkt. Fantastico ficht das nicht an, dann produziert er sie eben noch mal, denn seine Maschine spuckt Plastik ohne Ende aus. "Hier ist ja gar nichts mehr echt, und das ist mir sehr recht", umreißt Fantastico seine Arbeitsethik. "Plastik forever" prangt auf dem Rücken seines Kittels.

Schauspieler Robert Heinle füllt den durchgeknallten Wissenschaftler hinreißend mit Leben. Ein Junge in der vierten Reihe kann sich angesichts seiner Eskapaden gar nicht mehr halten vor Lachen. In Plastiksandalen wirbelt er über die Bühne, unstet, ein Hansdampf in allen Plastikgassen - doch Motte schafft es, Fantastico zur Räson zu bringen und ihn für die Probleme außerhalb seines Labors zu sensibilisieren. "Professor, das ganze Plastik ist wieder da!" Obwohl es der Wissenschaftler in einem Loch in der Wand endgültig entsorgt zu haben glaubt, verschmutzt Plastik weiterhin das Meer. "Wenn wir uns nicht erheben, kommt es nicht zurück!" sorgt sich Motte um ihre Lebensgrundlage.

Die beiden Schauspieler wenden sich schließlich an das Publikum: Was kann man tun, damit der Müll nicht überhandnimmt? "Einen Korb statt einer Plastiktüte verwenden!", "Kaputte Hosen nicht gleich wegwerfen!", "Das gebrauchte Fahrrad an die Schwester verschenken!" - die Ideen gehen nicht aus, das Stück hat die kleinen und hoffentlich auch einige größere Zuschauer zum Nachdenken gebracht.

Schließlich bringt Motte Fantastico dazu, eine "Plastikwegmachmaschine" zu bauen. "Jetzt beginnt eine neue Zeit. Sag den Leuten, dass sie nicht so viel Plastik brauchen!" Zurück beim fischenden Vater, zieht dieser zwar immer noch viel Plastik, aber auch wieder "Riesenoschis" - also große Fische - an Land. "Wir wollen mehr, mehr, mehr, mehr Fische für unsere kleine Welt", singen die Schauspieler zum Schluss. Die Botschaft kommt auch beim Publikum an, der Applaus ist groß.

Jessica Jahning, die das Stück auch geschrieben hat, will damit Basisarbeit betreiben. "Wir sind mit 'Motte will Meer' an Kindergärten und Schulen unterwegs und wollen die Kinder berühren, bewegen und aufklären", berichtet sie. Dass das gelingt, merkt man sofort - Jahning, die immer noch im an Pippi Langstrumpf erinnernden Motte-Look mit Gummistiefeln, buntem Kleid und Zöpfen gekleidet ist, wird von einer Horde Kinder umringt. Man wünscht sich mehr kindgerechte und pädagogisch tatsächlich wertvolle Theaterstücke wie "Motte will Meer" - und der Achja!-Bühne weiterhin viel Erfolg.

© SZ vom 03.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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