Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Kontinuität oder Aufbruch

Bei einer Podiumsdiskussion im Dorfener Vereineheim stellen sich die vier Bewerberinnen um die Nachfolge von Bürgermeisterin Margit Menrad den drängendsten Themen und Fragen aus der Bürgerschaft

Von Claudia Koestler, Icking

Kommunalwahl 2020

Großes Interesse: Zahlreiche Ickinger wohnten der Diskussion bei.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Isartal ist schön, seine Landschaften typisch. Zudem gibt es dort immer wieder Besonderheiten, die weit über die Regionsgrenzen hinaus wirken. Dass Icking zum Beispiel politisch fest in weiblicher Hand bleiben wird, steht schon lange vor den Kommunalwahlen im März fest. Vier Frauen bewerben sich derzeit um die Amtsnachfolge von Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI), die Jüngeren das Feld überlassen möchte. Und diese vier Bewerberinnen, also Verena Reithmann (UBI), Cornelia Zechmeister (PWG), Beatrice Wagner (SPD) und Laura von Beckerath-Leismüller (Grüne), stellten sich am Dienstag im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Vereineheim Dorfen den Fragen der Ickinger. Vier thematische Schwerpunkte setzte Moderator Carl-Christian Eick vom Isar-Loisachboten: Wohnen und Bauen, Verkehr, Mobilität und Klimaschutz.

Dass über all diesen Themen eine grundsätzliche Problematik schwebt, nämlich wie sich der Ort in Zukunft entwickeln wird, wurde auch in der anschließenden Fragerunde der Bürger deutlich - mitsamt klaren Lagern: Während die einen neue, flexiblere Wohnformen forderten, stöhnten andere im Publikum deutlich auf, die den Gartenstadt- und Villencharakter der Kommune erhalten sehen wollen und vice versa.

Auch auf dem Podium klare Lager: Während die einen eher auf Kontinuität setzen (UBI-Gemeinderätin Reithmann, Bauamtsleiterin Zechmeister), wollen die anderen klare Neuausrichtungen und versprachen insbesondere mehr Bürgerbeteiligung, was Kritik an der bestehenden Politik gleichkam. Doch es gab auch Gleichklang unter den Kandidatinnen. Alle vier stehen hinter der geplanten PV-Freiflächenanlage auf den Gelände der Geothermie, und Nachverdichtung ist für alle Bewerberinnen ein Weg zu mehr Wohnraum. An einem konkreten und aktuellen Beispiel aber schieden sich die Geister schon wieder: der Entwicklung des ehemaligen Reithallen-Areals. Beatrice Wagner (SPD) schwebt hier eine Modellsiedlung vor für Jung und Alt sowie Gemeinschaftsflächen für beispielsweise ein Café und eine Werkstatt. Zechmeister indes will dort jedoch durch solche Gemeinschaftsflächen keine Wohnraummöglichkeiten verlieren. Reithmann setzt auf eine Anzahl von Wohnungen mit einem Erstbelegungsrecht für die Gemeinde, die einen gedeckelten Mietpreis haben sollten. Eine konkrete Zahl wollte sie noch nicht nennen ("das wäre unseriös"). Von Beckerath-Leismüller warnte indes davor, dass dort etwaiger Leerstand dazu führt, dass diese Wohnungen wieder an den Investor zurückfallen könnten. Sie übte - zusammen mit Wagner - generell Kritik am bisherigen Vorgehen und dem Planungsstand: "Mit uns geht es zurück auf Null", sagte sie, während Wagner einen Ideenwettbewerb ausloben will, um die Bürger an Bord zu nehmen. Zechmeister will dort lieber "zügig vorankommen", während von Beckerath-Leismüller und Wagner befürchten, der Investor habe bei den Verhandlungen aktuell das Heft in der Hand, doch die Gemeinde müsse ihre Interessen klar durchsetzen. Reithmann verwies darauf, dass man erst am Anfang des Planungsprozesses stehe und die Bürger durch die Bürgerinfo involviert seien, der Gemeinderat habe es noch gar nicht behandelt.

Geklärt werden konnte, dass es an der Reithalle keine Abfüllanlage für Heilwasser geben werde - hierzu gibt es laut Reithmann einen einhelligen Beschluss. Einig waren sich alle Bewerber, dort stilles Gewerbe zulassen zu wollen - mit Verweis auf die Gewerbesteuereinnahmen.

Beim Thema Verkehr forderte von Beckerath-Leismüller Elektro-Ladesäulen in Icking und bauliche Veränderungen für mehr Verkehrssicherheit. Wagner fügte an, mehr Bürgersteige bauen zu wollen. Reithmann setzt auf eine bessere Vernetzung der Ortsteile durch die Öffnung der Schulbusse für alle. Zechmeister plädierte ebenfalls für mehr Ladesäulen und war "d'accord mit mehr Bürgersteigen".

Die Energiewende anschieben will Zechmeister mit mehr PV-Anlagen auf öffentlichen Dächern. Sie war aber unsicher, ob ein Klimaschutzbeauftragter finanziell leistbar sei. Reithmann erwähnte eine neue Initiative ("300 für Icking"), um mehr PV-Anlagen auf private Dächer zu bringen. Wagner zählte die Erstellung eines Energienutzungsplans auf, will einen Energiebeauftragten einstellen, Holzbauten fördern, eine Dorfheizung etablieren und Schulungen anbieten. Auch hier bemängelten Wagner wie von Beckerath-Leismüller die bisherige Vorgehensweise der Gemeinde: "Die Ästethik beim Supermarkt ist doch eh Nebensache, da hätte man das Dach doch mit PV-Anlagen zuballern müssen", sagte etwa die Grünen-Kandidatin.

Als Icking-spezifische Herausforderungen der Zukunft nannte Reithmann die Pflege des Trinkwassernetzes, einen Masterplan fürs Regenwasser, die Kinderbetreuung, die Sanierung der Turnhalle und die Schulbauerweiterung, Verkehrsplanung und bauliche Verbesserungen für die Dorfener Feuerwehr sowie den demografischen Wandel: "Hier müssen wir kluge Abwägungen treffen und Reihenfolgen treffen, die für die Bürger verständlich sind." Wagner sprach Vorkaufsrechte der Gemeinde für Flächen an und ein Ickinger Label, um die lokale Landwirtschaft zu stärken. Zechmeister betonte, den Gartenstadtcharakter erhalten zu wollen ("wir brauchen langsames Wachstum, es darf nicht kunterbunt werden"), und Vereine fürs Gemeindeleben zu stärken. Von Beckerath-Leismüller listete ihre Visionen auf: "Ickinger miteinbeziehen, Klimaschutz, Brücken bauen, keine einseitige Kommunikation vom Gemeinderat an die Bürger."

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Aus dem Publikum monierte ein Anwesender den "klassenkämpferischen Ton" Wagners und fragte, wie bei den aktuellen Ickinger Grundstückpreisen denn sozialer Wohnungsbau realisiert werden solle. Die Wolfratshauser Baugenossenschaft nenne hier etwa die Hälfte als maximal möglichen Grundstückspreis. Wagner verwies auf Verhandlungsspielraum und das Beispiel der sozialgerechten Bodennutzung der Stadt München. Bedeckt hielt sich Reithmann auf die Frage nach Einbahnstraßen. Sie wolle zunächst die Verkehrsplanung abwarten, während Zechmeister "eher grundsätzlich dagegen", von Beckerath-Leismüller und Wagner "eher dafür" waren, aber alle ebenfalls den Verkehrsplan abwarten wollen.

Auf die Frage nach Wlan an der Schule erklärte Reithmann, dass kabelgestütztes Internet stets vorzuziehen sei, die drei weiteren wollten sich zunächst mit dem Schulleiter beraten. Einen klaren Auftrag nahmen alle vier mit von einem Ickinger Jugendlichen entgegen: Für junge Gemeindebürger müsse mehr passieren, es brauche einen Treff ("schalldicht, warm, überdacht"). Hier versprachen alle, sich einzusetzen und der Jugend eine Stimme zu geben - mit einer Jungbürgerversammlung oder einem Jugendrat.

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