Eklat um Opernball in Dresden:Ein Orden für den Diktator

Theater um Dresdner Semperopernball

Im Jahr 2006 wurde der Dresdner Opernball nach fast sieben Jahrzehnten Dämmerschlaf in der feudalistischen Gruselkammer wieder neu belebt.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Hans-Joachim Frey, langjähriger Organisator des Dresdner Semperopernballs, verfügt über ausgezeichnete Kontakte - auch nach Moskau und Kairo. Doch mit einer Ehrung für Ägyptens Staatschef al-Sisi dürfte er zu weit gegangen sein.

Von Martin Zips, Dresden

Die Taste, hinter der sich der MDR verbirgt, ist auf vielen Fernbedienungen gar nicht leicht zu finden. Wer sich aber dennoch zufällig hierhin verirrt und etwa den Dresdner Semperopernball live im Fernsehen findet, der ist doch sehr erstaunt: Das also soll Deutschlands Höhepunkt der Ballsaison sein? Ein im Jahr 2006 nach fast sieben Jahrzehnten herrlichster Ruhe leider aus der feudalistischen Gruselkammer zurückgeholter Geld-Adel-Prominenz-Quatsch? Ohne jeglichen Schmäh, ohne zumindest einen Hauch von Distanz? Einfach nur bieder und fad, von fülligen Opern- oder grauen Schlagersängern schleppend moderiert sowie vom unerschütterlichen André Rieu meist brav befiedelt?

Dieser Tage herrscht viel Aufregung um den Dresdner Opernball. Ein ehemaliger Fußballfunktionär hat bereits abgesagt, auch eine Unicef-Botschafterin, eine Nachrichtensprecherin sowie der Gründer eines Weltkonzerns. Peinlich für Dresden. Und blöd für einen Mann, der sich auf seiner Homepage als "German cultural manager with strong international focus" präsentiert.

Der Kulturmanager aus Niedersachsen, Hans-Joachim Frey heißt er, hat vor wenigen Tagen Ägyptens Herrscher Abdel Fattah al-Sisi bei einem Ortstermin im Präsidentenpalast von Kairo eine Medaille überreicht. Den St.-Georgs-Orden nämlich, den auch Wladimir Putin bereits von ihm erhielt. Auch die Beziehungen zwischen Putin und al-Sisi sind gut: Der russische Präsident gehörte zu den ersten Gratulanten, als der Ägypter sich 2014 zum Präsidenten wählen ließ; seitdem bekämpft er Journalisten, Demokraten und Islamisten gleichermaßen. Als Gastgeschenk brachte Putin damals eine Kalaschnikow mit.

Kulturmanager Frey wiederum, Autor des Buches "Russland lieben lernen", würdigte al-Sisi zur Ordensverleihung als Brückenbauer und Friedensstifter. Über seine Reise nach Kairo war die Sächsische Staatskanzlei nach eigenen Angaben informiert. Frey ist zudem Leiter des Kultur- und Festivalzentrums von Sotschi. Im vergangenen Jahr hatte er den Dresdner Opernball erstmals nach St. Petersburg exportiert. Auch diese Veranstaltung wurde vom MDR übertragen. Laut Tagesspiegel strebt Frey derzeit eine Kooperation zwischen der Semperoper und dem Opernhaus in Kairo an.

Aber auch eine Luxushotelkette, die Dependancen in Dresden, St. Petersburg und, Überraschung, auch Kairo unterhält sowie viele Bälle ausrichtet und sponsert, verdient nicht schlecht an der kulturellen Brückenbauerei. Womöglich sogar der Maschinenbauer aus Chemnitz, dem an diesem Freitag in einem der Hotels am Rande des Dresdner Opernballs ebenfalls ein Orden angeheftet werden sollte. Der Unternehmer hatte in einem Interview den US-Präsidenten gelobt, da dieser erkannt habe, "dass die weiße Bevölkerung zusammenstehen" müsse. Afroamerikaner wiederum, so meinte der Industrielle, sollten diszipliniert werden. Diese Verleihung wurde kurzfristig abgesagt.

Aber auch den bereits überreichten Orden für Abdel Fattah al-Sisi hat Kulturmanager Frey (seine Verträge mit dem Opernhaus laufen noch ein paar Jahre) mittlerweile als Fehler bezeichnet und, nach einem von Show-Act Peter Maffay gestellten Ultimatum, wenige Stunden vor der Eröffnungsfanfare wieder aberkannt. Doch ob der St.-Georgs-Orden (Materialwert etwa 8000 Euro) jemals wieder den Weg von Kairo zurück nach Dresden findet? Ob es dem Preis vielleicht ergeht wie damals dem deutschen "Echo" nach dem von den Rappern Kollegah und Farid Bang provozierten Auschwitz-Eklat? Den Musikpreis gibt es nicht mehr.

Der MDR indes glaubte eigentlich, Ersatz für die aus Empörung über die Diktatoren-Ehrung zurückgetretene Moderatorin Judith Rakers gefunden zu haben. Doch dann wollte auch Mareile Höppner, bekannt aus der MDR-Sendereihe "Schlager einer Stadt", den Dresdner Opernball nicht mehr an der Seite von Roland Kaiser moderieren. Ihr Grund: Ein "unerträglicher Grad an Hass". Es könnte also doch noch spannend werden, auf der "wunderbaren Veranstaltung", wie sie Sachsens Ministerpräsident und Opernball-Schirmherr Michael Kretschmer (CDU) nennt.

Amnesty International hat vor der Oper eine Mahnwache angekündigt. Drinnen kann derweil Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) Kretschmer beim ersten Walzer zusehen. Allein Uli Hoeneß, SAP-Gründer und Multimillionär Dietmar Hopp, das Model Eva Padberg und das "Babylon Berlin"-Orchester kommen wohl wirklich nicht. Aus Protest. Und aus "Angst vor Anfeindungen" (Hopp). Den (laut Opernball-Homepage) russischen "Ausnahmegeiger" Pavel Milyukov aber und seine Kollegin, die russische "Weltklasse-Sopranistin" Julia Muzychenko, sollte man sich schon anschauen. Falls man die MDR-Taste auf der Fernbedienung findet. Von irgendwelchen Orden wird während der fröhlichen Liveübertragung ganz sicher nichts zu hören sein.

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