Naturschutz:Fleißiger Baumeister

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Biber sind im Landkreis wieder heimisch. Wenn sie Burgen anlegen, Dämme bauen und Bäume fällen, profitieren davon Fische, Krebstierchen und Insekten. Den Menschen bereiten die regen Nagetiere manches Problem

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Mitten in Fürstenfeldbruck, nahe der Brücke, die beim Stadtbauhof über die Amper führt, liegt eine bewohnte Biberburg. Sie ist vom Ufer und von der Brücke aus gut zu sehen, vor allem im Winter. Petra Heber von der Unteren Naturschutzbehörde führt oft Gruppen dorthin. Man erkennt neben der Burg im Wasser einen Fressplatz und so etwas wie eine Müllhalde, einen treibenden Haufen von abgenagten Ästen. Für die Jungtiere legen die Eltern extra einen Vorrat an kleineren Ästen an, berichtet Heber. Dass man nicht nur die Burg, sondern die Tiere selbst zu Gesicht bekommt, sei gar nicht so selten, wenn man in der Dämmerung dort vorbeischaut.

Auch riesige Bäume können absterben, wenn Biber rundherum die Rinde abnagen, so wie anmehreren Stämmen an der Amper in Emmering. (Foto: Matthias F. Döring)

Praktisch alle Biberreviere im Landkreis seien besetzt, sagen Heber und Sebastian Böhm, der als Gebietsbetreuer für das Ampertal zuständig ist. Wo die großen Nagetiere unterwegs sind, sieht man sehr schnell ihre Spuren, sie fallen vor allem im Winter auf. Entlang der Amper und der Maisach sind zahlreiche Bäume angenagt oder gefällt. An vielen Ufern sind eingetiefte "Biberrutschen" zu sehen, die die Tiere hinterlassen, wenn sie zum Fluss hinunterschlittern. Gerade die Rutschen verursachen Heber zufolge erhebliche Schäden in Dämmen. "Das gräbt sich immer tiefer ein und macht Probleme bei Hochwasser", sagt sie. An Wegen steige die Unfallgefahr.

Petra Heber (von links) ,Manuel Bode und Sebastian Böhm zeigen ein Biberfell und den Schädel eines Tieres mit den starken Nagezähnen. (Foto: Günther Reger)

Wenn Biber in Feldern Löcher graben, bestehe die Gefahr von Maschinenschäden, das kann laut Heber richtig teuer werden. Wandernde Biber auf der Suche nach einem Revier buddeln sich gerne einen kleinen Bau in Uferböschungen, auch das ist natürlich ein Problem. In Schöngeising und Grafrath sind den Nagern Heber zufolge "massenhaft Bäume" zum Opfer gefallen. Einen Hang an der Sunderburg hätten die Tiere "fast völlig aufgearbeitet". Für solche Schäden müsse der Staat aufkommen. Im Sommerhalbjahr fressen sich die Nager gerne in Mais- oder Rapsfeldern voll, auch Zuckerrüben sind sehr beliebt. Landwirte können die Schäden melden, die sie dabei hinterlassen. "Ein Gutachter und eine Fachkraft gehen raus, der Schaden wird ersetzt", sagt Heber. Sie sage den Landwirten immer: "Der Biber ist jetzt da, man muss ihn akzeptieren."

Doch es gibt Abwehrmaßnahmen. Uferböschungen können mit Drahtgeflechten gesichert werden, die in den Boden verlegt werden, Bäume bis zu einer Höhe von etwa einem Meter mit Maschendraht geschützt werden. Weiter hinauf kommen die Tiere nicht. Ohnehin richten die streng geschützten Groß-Nager nicht nur Schäden an. Gebietsbetreuer Sebastian Böhm sieht eher den Nutzen der Tiere für die Natur. Hinter Baumstämmen, die der Biber umgenagt und als Futtervorrat ins Wasser gezogen hat, bilden sich ruhige Wasserstellen, in denen sich gerne Fische aufhalten. Für junge Fische sind solche Bäume und auch die Ränder der Biberburgen gute Unterstände, sie können dort Schutz suchen.

In Fürstenfeldbruck liegt eine Biberburg gut geschützt unter Bäumen. (Foto: Günther Reger)

Wo das Wasser ruhiger wird, lagert sich Sand ab, der Grund des Flusses wird vielfältiger. Krebstierchen und Weichtiere können sich ansiedeln. Deshalb kommen in Biber-Gewässern mehr Fischarten vor als anderswo. Die eigentliche Nahrung der Biber sind Böhm zufolge typische Gehölze der Flussauen wie Weiden oder Erlen mit einem Durchmesser bis fünf Zentimeter. Diese Büsche und kleinen Bäume wachsen ohne Probleme nach, wenn sie vom Biber "auf den Stock" gesetzt wurden. Legt der Biber ganze Bäume um, sollten sie Heber zufolge im Wasser liegen bleiben, so weit das möglich ist. Denn sie dienen den Tieren als Nahrungsvorrat. Sie fressen daran, bis die Rinde komplett abgenagt ist. Entfernt man den Baum vorher aus dem Wasser, muss der Biber einen neuen fällen, um wieder Futtervorrat zu haben.

Am liebsten nagen Biber dünne Stämme und Äste ab. Gehölze wie Erle und Weide sind daran angepasst und wachsen schnell nach. (Foto: Günther Reger)

Wenn Biber große Bäume benagen, können die nach und nach absterben - und einen neuen Lebensraum bilden. Vom Totholz leben Pilze und Insekten, die Vögeln und Säugetieren als Nahrung dienen. Spechte und Eulen nisten in absterbenden Bäumen. Manchmal führt die Bautätigkeit der Biber zu Uferabbrüchen. Auch so entstehen neue Lebensräume. "Aus ökologischer Sicht hat der Biber absolut Vorteile", sagt Böhm.

Für 86 Tier- und Pflanzenarten in Bayern sind positive Effekte durch die Aktivitäten des Bibers nachgewiesen worden. Es profitieren seltene Vögel wie Eisvogel und Wasserralle, aber auch der Laubfrosch , weitere Amphibien sowie zahlreiche Libellenarten und andere Insekten. Der Bund Naturschutz hält den gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Bibers in Bayern für um den Faktor 70 größer als die einzelnen Schäden bei Land-, Forst- oder Teichwirten. Dazu zählen kostenlose Renaturierungsleistungen, positive Auswirkungen auf die Wasserqualität und die Schaffung von Bereichen, in denen bei Hochwasser die Fluten zurückgehalten werden.

Die Wiederansiedlung ist eine Erfolgsgeschichte. Hundert Jahre lang hat es in Bayern keine Biber gegeben. 1867 war der letzte geschossen worden, 1966 wurde der erste wieder ausgewildert. Vor etwa 20 Jahren kamen die ersten Biber im Landkreis an. Die Tiere, die heute an Amper und Maisach leben, könnten von Bibern abstammen, die an der Isar bei Plattling ausgewildert wurden, sagt Böhm. Auf der Suche nach einem neuen Revier laufen Männchen wie Weibchen, weite Strecken, auch über Land.

Wie viele Biber im Landkreis leben, könne man nicht genau feststellen, über hundert seien es schon, schätzen Heber und Böhm. 17 000 bis 18 000 sollen es in ganz Bayern sein. Die Menschen lernten wieder, mit den Tieren zu leben, sagt Böhm. Auch bei den Landwirten habe "Akzeptanz eingesetzt".

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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