Weltweite Aktion:Tanzen gegen Gewalt

Tanztraining für Kinder und Jugendliche, Aktionstag: One Billion Rising. Spielhaus Sophienstraße, Sophienstr. 15

Kerstin Hof vom Kreisjugendring probt mit Mädchen die Tanzschritte für den Flashmob "One Billion Rising".

(Foto: Florian Peljak)

Der Kreisjugendring trainiert mit Kindern für den Flashmob "One Billion Rising"

Von Ricarda Richter

Ein Ausfallschritt nach rechts, einer nach links, Drehung, beide Arme kreisen lassen. Dann kommt der entscheidende Schritt. "Stellt euch vor, ihr würdet einen großen Ast in den Händen halten", ruft Kerstin Ott und streckt die Arme vor ihrem Oberkörper. "Den müsst ihr jetzt mit aller Gewalt nach unten über das Knie ziehen, um ihn zu brechen." Um Äste geht es zwar nicht, aber die Bewegung symbolisiert den Befreiungsschlag. "Break the chain", heißt das Lied, zu dem an diesem Nachmittag getanzt wird.

Geprobt wird für den weltweiten Flashmob "One Billion Rising", den 2012 die New Yorker Künstlerin und feministische Aktivistin Eve Ensler ins Leben gerufen hat: Die Aktion, die in vielen Ländern der Erde stattfindet, richtet sich gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Laut offiziellen Zahlen der Vereinten Nationen wird jede dritte Frau weltweit in ihrem Leben Opfer physischer oder sexueller Gewalt - sexuelle Belästigungen nicht mit eingerechnet.

Kerstin Hof, Kinderbeauftragte des Münchner Kreisjugendrings war schon bei der ersten Umsetzung am 14. Februar 2013 dabei. Gemeinsam mit Hunderten Mädchen und Frauen tanzte sie damals auf dem Stachus, um für mehr Respekt und ein Ende der Gewalt zu demonstrieren. Seitdem ist die Aktion für sie zur Selbstverständlichkeit geworden. "Im ersten Jahr gab es einen unglaublichen Hype. Mittlerweile hat das Thema eine größere Öffentlichkeit, es wird bewusster damit umgegangen", sagt Hof.

An diesem Freitag drängen sich die Kinder im Spielhaus Sophienstraße zum Tanztraining. Zwanzig waren angemeldet, mehr als dreißig sind gekommen. Gleich zu Beginn zeigt Hof das Musikvideo von "Break the Chain", der offiziellen Hymne der Bewegung. Schon nach wenigen Takten fangen die ersten Mädchen an, sich im Rhythmus zu bewegen, wer das Lied bereits kennt, singt kurz darauf mit. Das Ende geht in Jubeln und Applaus unter.

Als Eila Förschner im ersten Jahr für "One Billion Rising" auf der Bühne stand, war sie zehn Jahre alt und ging in die fünfte Klasse. Diesen Sommer macht sie ihr Abitur am Luisengymnasium. Die Schule ist eine von sechs in München, die sich durch eine Kooperation besonders an dem Projekt beteiligen. Seit einiger Zeit organisiert Eila Förschner die Trainings im Spielhaus gemeinsam mit Kerstin Hof.

Weil der Raum viel zu klein und das Wetter gut ist, wird das Training nach draußen verlegt. Förschner und Hof tanzen die Schritte vor, die Kinder machen es ihnen nach. Auf der Stelle laufen, ein imaginäres Lasso schwingen, den sogenannten Boxschritt. Dann wird die Musik aufgedreht und der Rest läuft fast wie von selbst. Die Choreografie ist leicht, die Kinder lernen schnell. Nach drei Durchläufen sieht es aus, als hätten sie seit Wochen geübt.

Doch Kerstin gibt sich Mühe, den Mädchen nicht nur die Schritte beizubringen, sondern auch den Text zu erklären. "This is my body, my body is holy", lautet eine Zeile im Lied. "Was bedeutet das?", fragt Hof. Körper können viele übersetzen, aber das englische Wort für heilig haben die meisten noch nie gehört. Hof engagiert sich seit Jahren für ein Ende der Gewalt an Mädchen und Frauen. In ihren Selbstverteidigungskursen bringt sie Kindern die Fünf-Finger-Faustregel bei: Nein sagen, schreien, weglaufen, darüber sprechen und der kleine Finger: im Notfall kämpfen. "Vor allem über das Erlebte zu sprechen, ist extrem wichtig", sagt Kerstin Hof. "Es gibt gute und schlechte Geheimnisse. Und die schlechten darf man nicht für sich behalten." Jedes Kind brauche eine Vertrauensperson, auch außerhalb der Verwandtschaft. Denn 80 Prozent der Übergriffe fänden im Familienumfeld statt.

Zwar sind an diesem Tag fast nur Mädchen beim Tanztraining, Jungs seien aber genauso willkommen. "Eigentlich sind die besonders wichtig, weil es um sie letztendlich geht." Zum Flashmob, der am 14. Februar von 14 bis 17 Uhr am Stachus stattfindet, werden um die 500 Teilnehmer erwartet. Wer daran teilnehmen will, kann die Schritte auch über einfach erklärte Youtube-Videos lernen.

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