CDU:Eine Partei, die niemanden begeistern will

Kramp-Karrenbauer: Verzicht auf Kanzlerkandidatur und CDU-Vorsitz

Die Noch-CDU-Vorsitzende Annegret-Kramp-Karrenbauer (l.) und Kanzlerin Angela Merkel.

(Foto: dpa)

Das Scheitern von Kramp-Karrenbauer ist ein Scheitern der gesamten CDU. Die Christdemokraten sind über Jahrzehnte der Frage ausgewichen, wer sie in einer sich rasant ändernden Welt sein wollen.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Die AfD und ihre Funktionäre - sie werden sich ins Fäustchen lachen. Mit dem angekündigten Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Alternative für Deutschland einen giftigen Erfolg errungen. Durch ein zynisches Manöver im Thüringer Landtag ist es ihr gelungen, in der größten Regierungspartei Deutschlands so viel Chaos und Streit anzurichten, dass die Vorsitzende entnervt aufgibt. Das trifft nicht nur die Christdemokraten. Es ist ein Wirkungstreffer gegen alle Vertreter einer Republik, die seit Kriegsende dafür kämpfen, dieses Land zu einer liberalen, weltoffenen, selbstbewussten Demokratie zu machen. Die große Mehrheit in Deutschland hängt an den Werten dieser Republik. Umso bitterer ist es, dass die völkischen Ausgrenzer der AfD das Scheitern einer zentralen Vertreterin dieser Demokratie jetzt als Etappensieg feiern.

Doch so ärgerlich das ist, so deutlich führt es vor Augen, was auf dem Spiel steht. Es führt vor Augen, dass es hier um viel mehr geht als die Frage, ob Armin Laschet oder Jens Spahn, Friedrich Merz oder eine andere Persönlichkeit auf Kramp-Karrenbauer folgen wird. Es geht um die Demokratie und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Und es geht um eine gespaltene CDU, die den Mut braucht, sich als Volkspartei und Stütze dieser Republik neu zusammenzufinden.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht allein an den Volten des Thüringer Landeschefs Mike Mohring gescheitert. Sie ist nicht nur an ihren eigenen Pannen, nicht an ihrer mangelnden Autorität oder der Trennung zwischen Kanzleramt und Parteivorsitz gescheitert. Ihr Scheitern ist ein Scheitern der gesamten CDU, weil die Christdemokraten über Jahrzehnte hinweg der Frage ausgewichen sind, wer sie in einer sich rasant ändernden Welt sein wollen. Sie haben sich viel zu lange wohlgefühlt in der Selbstbeschreibung, sie seien schon irgendwie die Kraft der Mitte und könnten das vor allem dadurch kenntlich machen, dass sie jede Berührung mit der Linkspartei und der AfD ausschlossen. Nach dem Motto: Die ausbalancierte Abgrenzung nach links und rechts macht mich zu der Mitte, die ich sein möchte.

Das war nicht nur inhaltsleer und frei von jeder Ambition, Menschen mit eigenen Ideen zu begeistern. Es führte ausgerechnet die sonst so pragmatische CDU in die Irre. So ignorierte sie den zentralen Unterschied zwischen Linkspartei und AfD. Beide Parteien sind keine natürlichen Partner für die CDU. Aber während die Linken aus Sicht der CDU die falschen Konzepte verfolgen, will die AfD elementarste Werte der CDU mit Füßen treten. Mit anderen Worten: Die einen sind politische Konkurrenten in der Demokratie; die anderen wollen mit völkischen und rassistischen Ausgrenzungen die Säulen des Grundgesetzes zerstören.

Nur wer diesen Unterschied ignoriert, kann Linkspartei und AfD politisch in einen Topf werfen. Und nur wer ab sofort genauer hinsieht, kann der CDU eine vernünftige Orientierung geben. Das heißt nicht, mit den Linken zu koalieren. Aber es hätte heißen können, in Thüringen eigene Ideen für Regierungsprojekte zu formulieren. Das wäre eine ganz andere Botschaft gewesen.

Die Leerstellen von 2018 wurden in der CDU nie geschlossen

Zumal die Wahlerfolge von Linkspartei und AfD zeigen, wie sehr sich die Welt ändert und wie wenig die alten Antworten der CDU noch überzeugen. Das gilt für die Digitalisierung und ihre massiven Folgen auch für bislang sichere Arbeitsplätze; es gilt für die Folgen einer Sparpolitik, die nicht nur im Osten großen Frust über miserable Schulen, Straßen und digitale Infrastruktur erzeugt hat. Und es gilt für eine Zuwanderungspolitik, die es nicht geschafft hat, einen humanitären Umgang mit Flüchtlingen und eine entschiedene Verteidigung von Rechtsstaat und liberalen Werten unter einen Hut zu bringen: mit selbstverständlicher Hilfe für Menschen in Not - und einer selbstverständlichen, entschiedenen Antwort von Polizei und Justiz auf alle, die gegen Gesetze und Werte dieser Gesellschaft verstoßen. Nichts hat der CDU seit dem Sommer 2015 mehr geschadet als das in bürgerlichen Milieus verbreitete Gefühl, dass sie diese Balance nicht mehr sicherstellt.

Im Dezember 2018 gab sich die CDU schon einmal eine neue Führung. Die Leerstellen aber wurden nie geschlossen. Im Gegenteil: Die Lager standen sich unversöhnlich gegenüber. Der nicht!, hieß es bei den einen. Die nicht!, hieß es bei den anderen. Merkel-CDU gegen Merz-CDU - darum schien es zu gehen. Und deshalb spaltete das Ergebnis die Partei, statt sie zusammenzuführen. Will die CDU überleben, darf sie das nicht wiederholen.

Es geht nicht um rechts oder links. Es geht um die Frage, welche Lösungen die CDU für die Klimakrise, die digitale Weltveränderung, die Verteidigung Europas und den Zusammenhalt im Land bereithält. Wer die CDU führen will, muss darauf überzeugende Antworten geben. Verbindet sich das noch mit ansteckender Leidenschaft, könnte aus der Malaise der CDU eine neue Chance werden. Nicht nur für die CDU, sondern für das ganze Land.

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