Clubszene:Es ist überfällig

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Die Techno-Club-Betreiber wollen im Baugesetz nicht mehr auf eine Stufe mit Bordellen und Casinos gestellt werden. Sie fordern als "Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke" anerkannt zu werden. Zeit wird es.

Von Jan Kedves

Endlich im Baugesetzbuch nicht mehr auf eine Stufe mit Bordellen und Casinos gestellt werden: Das wollen die deutschen Clubbetreiber. Mit dieser Forderung sind sie am Mittwoch im Bundestag, beim Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, vorstellig geworden. Die Lage in Berlin zeigt die Dringlichkeit. Dort mussten jüngst immer wieder gut laufende, teils stilprägende Clubs schließen - das Stattbad Wedding, der Farbfernseher in Kreuzberg, Anfang Februar nun auch die Griessmühle in Neukölln. Mietvertrag nicht verlängert, die Eigentümer spekulieren auf einen lukrativeren Verkauf des Geländes. Party over.

Das Bangen ließe sich begrenzen, würden Clubs vom Gesetzgeber endlich als "Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke" anerkannt und nicht länger als simple "Vergnügungsstätten" abgetan werden (mit Gewerbemietverträgen, die kaum Schutz vor Rauswurf, klagenden Nachbarn bieten und so weiter). Der Einwand, Berlin sei für seine nomadische Clubkultur doch bekannt, und früher sei es sogar cool gewesen, wenn ein Club jedes Jahr an einem anderen Ort neu eröffnet: Er zieht nicht mehr. Das waren die Neunziger. Inzwischen ist der Raum knapp, und Investoren werben in perfiden Portfolios mit genau jenem clubkulturellen Flair, das sie längst im Begriff sind zu verdrängen.

Die Grünen, die Linke, SPD und CDU stellen derzeit im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus ihre Anträge auf Club-Schutz: eine erstaunliche Allianz der Tanz- und Techno-Verteidiger. Die Anträge betonen meist, dass allein in Berlin an den Clubs jährlich mehr als 200 Millionen Euro Umsatz hängen. Das ist die wirtschaftliche Argumentation. Wenn sie zieht, ist gegen sie auch wenig zu sagen. Etwas kurz kommt dabei die kulturelle Würdigung.

Die Relevanz der Clubkultur lässt sich jedenfalls auch an der Regelmäßigkeit messen, mit der sie andere (hoch-)kulturelle Institutionen mit Renommee und Besuchern beschenkt. Als das C/O Berlin im vergangenen Jahr "No Photos On The Dance Floor" eröffnete - eine Best-of-Schau der Berliner Clubfotografie vom Mauerfall bis heute, war die Schlange so lang wie sonntags vor dem Berghain. Es war eine der bestbesuchten Ausstellungen, die internationale Presse war begeistert. Und erst am vergangenen Wochenende lud die Philharmonie zum "Strom"-Festival, mit Elektronik-Projekten und DJs aus Berlin und der ganzen Welt. Wenn Andrea Zietzschmann, die Intendantin der Berliner Philhamoniker, ihre Spielstätte ein ausverkauftes Wochenende lang mit Musik schmückt, die in Clubs geboren wurde, dann kann es ja wohl kaum sein, dass dieselbe Musik zu Hause, also in den Clubs, plötzlich nur noch kulturloses Vergnügen sein soll? Derzeit sieht es so aus, als würden die Clubbetreiber offene Türen einrennen. Höchste Zeit.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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