Flugsicherheit:Tödliche Zäpfchen

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Anti-Terror-Spezialisten sprechen von einer neuen "Operationsweise" von al-Qaida: Bei einem Anschlag in Saudi-Arabien wurde der Sprengsatz nicht am, sondern im Körper versteckt - wie ein Zäpfchen. Frankreich will Fluggäste deshalb noch genauer durchleuchten.

Stefan Ulrich, Paris

Der eigene Körper als Versteck - bislang rechneten Flughafenpolizisten damit nur bei Drogenkurieren. Nun müssen sie fürchten, dass Terroristen Sprengkörper wie ein Zäpfchen bei sich einführen. Attentäter könnten so durch Passagier-Kontrollen gelangen, um sich dann während des Flugs per Handy-Signal in die Luft zu sprengen.

Angst vor im Körper versteckten Bomben. Ein Scanner wie er bislang nur an manchen Flughäfen in den USA verwendet wird. (Foto: Archivfoto: Reuters)

Davor warnt jetzt ein vertraulicher Bericht des französischen Inlandsgeheimdienstes DCRI. Die Anti-Terror-Spezialisten sprechen von einer neuen "Operationsweise" der al-Qaida. In Paris wird diskutiert, ob die Gefahr mit Massen-Röntgenkontrollen oder einem totalen Handy-Verbot auf Flügen entschärft werden kann. Innenminister Brice Hortefeux plant, dem Luftterror auf europäischer Ebene zu begegnen - durch die Übermittlung umfangreicher Passagierdaten von den Fluggesellschaften an die Polizei.

Auslöser des Geheimdienstberichts, aus dem die Zeitung Figaro zitiert, ist ein Anschlag vom 28. August auf den saudiarabischen Vize-Innenminister. Ein Al-Qaida-Terrorist näherte sich dem Prinzen bei einer Audienz. Dann zog er sein Mobiltelefon aus der Tasche. Die Explosion zerriss den Attentäter, der Prinz wurde leicht verletzt. Seine Wachleute mussten sich fragen lassen, warum sie den Sprengsatz nicht gefunden hatten. Die Antwort: Er war nicht am, sondern im Körper des Terroristen versteckt.

Laut den Agenten war dies das erste Mal, dass al-Qaida zu dieser Mordmethode griff. Damit seien die Schutzvorkehrungen im Flugverkehr in Frage gestellt. Lediglich ein Röntgengerät, aber nicht ein herkömmlicher Metalldetektor, könne im Körper versteckte Bomben sichtbar machen. Eine massenweise Durchleuchtung von Fluggästen mit Röntgenstrahlen ist jedoch unzumutbar. "Die gesundheitlichen Risiken wären zu groß", heißt es in Sicherheitskreisen. Zudem seien Röntgenkontrollen sehr teuer. Praktikabler wäre ein Verbot, Handys auf Flügen mit sich zu führen, um ein Zünden der Zäpfchen zu vereiteln. Doch das wäre schwer durchsetzbar. Geht doch die Tendenz eher dahin, Passagieren zu erlauben, auf Flügen zu telefonieren.

Im Pariser Innenministerium denkt man denn auch über eine ganz andere Abwehrstrategie gegen Luft-Terroristen nach: Fluggäste sollen künftig schon lange vor dem Einchecken umfassend überprüft werden, nämlich gleich nach der Buchung. Laut Figaro möchte Innenminister Brice Hortefeux die Fluggesellschaften verpflichten, zahlreiche Buchungsdaten wie Adressen, Zahlungsweise und Kontaktpersonen an die Polizei weiterzugeben. Dies solle für alle Ausländer gelten, die von außerhalb nach Europa einreisen.

Ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin sagt zu der neuen Bedrohung und den französischen Plänen: "Der geschilderte Sachverhalt ist den Sicherheitsbehörden bekannt." Das Bundesinnenministerium äußere sich aber "generell nicht zur Auswertung von terroristischen Anschlägen und ergriffenen Schutzmaßnahmen". Es sei abzuwarten, ob Paris Vorschläge auf europäischer Ebene einbringe.

Die Bundesregierung dürfte einen umfassenden Datenaustausch zwischen Flugfirmen und Polizei jedenfalls skeptisch sehen - zumal bei einer Regierungsbeteiligung der FDP. Frankreich setzt daher auf Spanien, das von Januar an die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Wie es heißt, haben sich Innenminister Hortefeux und sein spanischer Kollege bereits auf einen Vorstoß in Sachen Datenweitergabe verständigt.

© SZ vom 06.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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