Niedrige Gewerbesteuer:Wer hat's erfunden?

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CSU und Parteifreie reklamieren Grünwalds Reichtum als Erfolg

Von Claudia Wessel, Grünwald

Geld ist genug da, in der Gemeinde Grünwald. Für 2020 gibt es einen Gesamthaushalt von 244 Millionen Euro, es werden Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 170 Millionen Euro erwartet. Wie aber kam es dazu? Und vor allem - eine Frage, die in Wahlkampfzeiten von höchster Wichtigkeit zu sein scheint - wem ist dies zu verdanken? Wer hat die vielen Firmen in den Ort gelockt? Da es in Grünwald eine lange Konkurrenz zwischen den Parteifreien Bürgern (PBG) und der CSU gibt, flammt diese jetzt natürlich wieder auf. "Die Parteifreien Bürger Grünwald haben in Grünwald bis 2002 über 50 Jahre lang den Bürgermeister gestellt", heißt es in einem Flyer, den die PBG im Ort verteilt haben. "In dieser Zeit wurden die Grundlagen für den Wohlstand, den es jetzt alljährlich im Gemeinderat zu verwalten und zu verteilen gibt, geschaffen." 2002 wurde dann CSU-Bürgermeister Jan Neusiedl gewählt. Dazu steht auf dem Flyer: "In den letzten drei Wahlperioden konnte die PBG nur noch zuschauen, wie sich andere mit den Federn schmückten, die unsere unvergessenen Bürgermeister Franz Rieger und Hubertus Lindner erarbeitet haben."

Das möchte Jan Neusiedl nicht auf sich sitzen lassen. Als Antwort auf diese Darstellung hat jetzt die CSU eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie betont, dass erst die "kluge Wirtschafts- und Finanzpolitik, die 2002 unter dem CSU-Bürgermeister Jan Neusiedl ihren Anfang nahm", den "bemerkenswerten Aufschwung" Grünwalds verursacht habe. Grund für diesen Aufschwung sei der niedrige Gewerbesteuer-Hebesatz, der 2003 - Neusiedl war zu der Zeit bereits Bürgermeister - eingeführt wurde.

"Ich hatte die Idee dazu", sagt Neusiedl. "Weil damals große Gewerbesteuerzahler auf mich zukamen und sagten, der Hebesatz müsse niedriger werden, sonst müsse man Grünwald angesichts des starken internationalen Wettbewerbs verlassen." Seinerzeit habe der gesamte Gemeinderat einstimmig für die Senkung des Hebesatzes von 270 auf 240 gestimmt. Daraufhin habe die KGAL-Gruppe, heute einer der wichtigesten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde, zahlreiche Gesellschaften zurück nach Grünwald geholt.

Auf diese Darstellung haben wiederum die Parteifreien eine Antwort. Gemeinderat Tobias Brauner teilt mit, dass die Hebesätze in Grünwald auch schon unter früheren Bürgermeistern niedrig waren. So lag der Hebesatz von 1948 bis 1963 bereits bei 220, von 1964 bis 1969 bei 250, von 1970 bis 1972 bei 280 und von 1973 bis 1979 bei 300. Unter dem damaligen parteifreien Bürgermeister Franz Rieger wurde er zunächst auf 290 (von 1980 bis 1982), 1983 dann auf 270 gesenkt. Auf diesem Wert blieb er unter dem parteifreien Bürgermeister Hubertus Lindner bis 2003, unter Jan Neusiedl sank er auf die noch heute geltenden 240.

Die Grundlagen der starken Finanzkraft der Gemeinde Grünwald lägen in der vorausschauenden, niedrigen Gewerbesteuerpolitik, die der Parteifreie Rieger begonnen und der Parteifreien Lindner fortgesetzt habe, betont PBG-Gemeinderat Oliver Schmidt. "Wir finden den respektlosen Umgang des Amtsinhabers mit den historischen Leistungen seiner beiden Vorgänger unerträglich. Franz Rieger und Hubertus Lindner verdienen höchste Wertschätzung", klagt Schmidt.

"Ich glaube, die Vorgänger von Jan Neusiedl haben es geschafft, Grünwald für finanzkräftiges und ruhiges Gewerbe attraktiv zu machen", sagt auch Ingrid Reinhart von den Grünen. Die Hebesatz-Senkung in der Ära Neusiedl dagegen sei von dem größten Steuerzahler KGAL ausgelöst worden, der drohte Grünwald zu verlassen, falls die Gewerbesteuer nicht gesenkt werde. "Diese Forderung der Firma hat der Gemeinde Glück gebracht." Durch den jetzt niedrigen Steuersatz und die gute Infrastruktur sowie die Nähe zu München sei Grünwald höchst attraktiv für Kapitalunternehmen. "Leider auch für Briefkasten-Firmen", so Reinhart.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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