Österreich:Mit abgestumpften Waffen

RB Salzburg - Linzer ASK

Salzburgs Patson Daka (mitte) vergibt mehrere Chancen - Torwart Alexander Schlager (links) hält den Ball.

(Foto: dpa)

Serienmeister Salzburg verliert erstmals seit 2016 ein Ligaheimspiel und muss sich nach den Wintertransfers neu erfinden. Außenseiter Linz übernimmt dank des 3:2-Erfolgs die Tabellenführung.

Von Felix Haselsteiner, Salzburg

Eine halbe Stunde nach Spielschluss ist es in der Arena in Wals-Siezenheim meistens: still. Die Heimfans, sie besingen, wenn überhaupt, nur die großen Siege wie etwa im vergangenen Herbst in der Champions League. Und die Auswärtsfans haben in Salzburg meistens nicht allzu viel Grund, nach Spielen noch zu singen. Insofern war es durchaus eine besondere Kulisse, als 35 Minuten nach Abpfiff des ersten Rückrundenspiels der österreichischen Bundesliga die Fans des Linzer ASK von der Meisterschaft sangen, während der Rest der Zuschauer längst zuhause war. Die Atmosphäre war dem Anlass entsprechend: Mit dem 3:2-Auswärtssieg in Salzburg übernahmen die Linzer zum Rückrundenstart die Tabellenführung, der große Favorit und Serienmeister aus Salzburg hat nun einen Punkt Rückstand in der Liga und findet sich nach dem 1:4 bei Eintracht Frankfurt in der Europa League am Donnerstag in einer neuen Situation wieder: Unter Druck. Zwei Niederlagen hintereinander mussten die Salzburger zuletzt im April 2018 hinnehmen, dass es nun aber sogar in der eigenen Arena eng wird, ist die eigentlich schlechte Nachricht.

"Wir haben ein Heimspiel verloren", sagte Zlatko Junuzovic, Salzburgs zentraler Mittelfeldspieler, nach dem Spiel. Was nach einer simplen Aussage klang, war durchaus historisch: Die letzte Heimniederlage in der Bundesliga kassierte Salzburg am 27. November 2016 gegen Admira Wacker Mödling, bis zum Freitagabend war RB Salzburg daher, was Ligaspiele angeht, die erfolgreichste Heimmannschaft im europäischen Fußball. "Das ist eine neue Situation für uns jetzt", sagte Junuzovic, der 2016 noch bei Werder Bremen gespielt hatte und seit seinem Wechsel nach Salzburg 2018 überhaupt erst einmal bei einer Bundesliga-Niederlage auf dem Feld gestanden hatte. Im Team der jungen Salzburger ist der 32-Jährige in solchen Momenten mit der Aufgabe betraut, realistische Einschätzungen abzugeben: "Ich mache mir weniger Gedanken um die Statistik, sondern mehr darum, wie wir die Gegentore verteidigt haben - und dass wir vorne unsere Chancen nicht genutzt haben", sagte Junuzovic daher.

Haaland und Minamino sind nicht adäquat zu ersetzen

Die Offensive, sie hatte die Salzburger normalerweise immer vor Niederlagen bewahrt. Nach der Winterpause jedoch kämpft man in der Walser Arena mit abgestumpften Waffen: Die Abschiede von Erling Haaland (Dortmund) und Takumi Minamino (Liverpool) mögen zwar friedlich verlaufen sein, ein wenig Bitterkeit war im Kontext des ersten Rückrundenauftritts dennoch zu spüren. Die Fans enthüllten Plakate, auf dem einen stand "Wir brennen für Salzburg, nicht für einen", auf dem anderen "Haaland weg: Viele haben's missverstanden, ihr zusammen seid der Star". Das alles wirkte fast schon wie ein trotziges "Jetzt erst recht", hielt aber nur solange, bis Stürmer Patson Daka in den ersten 20 Minuten dreimal frei vor dem Gästetor vergeben hatte und die Zuschauer das Gefühl beschlich, dass diese Rückrunde ohne den Norweger im Sturmzentrum doch etwas härter werden könnte als zunächst gedacht. Die nächste Prüfung erwartet Salzburg nun in Wien, am Sonntag (17 Uhr) gastiert die Mannschaft von Trainer Jesse Marsch bei der Austria und hat dort Gelegenheit, die kleine Krise zu überwinden.

Für Aufruhr in der seit einem halben Jahrzehnt ausnahmslos Bullen-dominierten österreichischen Liga sorgt jedoch vor allem der Linzer ASK mit Trainer Valérien Ismaël. Der LASK hat nicht nur Fans, die eine halbe Stunde nach Spielende noch laut singen können, sondern vor allem eine junge und taktisch hervorragend eingestellte Mannschaft, die mittlerweile an Erfahrung gewonnen hat. "In den ersten 20 Minuten hatten wir sehr viel Glück, nicht in Rückstand zu geraten", sagte Ismaël nach dem Spiel: "Dann aber hat man gesehen, wie sich unsere Mannschaft im letzten halben Jahr mit den internationalen Spielen entwickelt hat: Wir sind geduldig geblieben und haben auf unsere Chancen gewartet." Der LASK, vom heutigen Wolfsburg-Trainer Oliver Glasner im vergangenen Jahr bereits auf Platz zwei der Tabelle geführt, ist unter Ismaël reifer geworden, spielt Ballbesitzfußball gegen tiefstehende und Konterfußball gegen vermeintlich stärkere Mannschaften.

Linz kletterte In sechs Jahren von der Regionalliga in die Europa League

Ismaël beschreibt seine fußballerische Heimat in Oberösterreich als "cool, ambitioniert und familiär" und nicht ohne Stolz verweist man in Linz darauf, dass der sportliche Aufstieg von der Regionalliga 2014 bis in die Europa League in dieser Saison ohne einen Großsponsor möglich gewesen ist. LASK gegen RB bleibt, das vergisst man ob der aktuellen sportlichen Ausgeglichenheit schnell, ein Duell zwischen David und Goliath. 19 ausländische Spieler leistet sich Salzburg, eine moderne Fußballakademie noch dazu, und trotz der Wechsel von Haaland und Minamino eine Mannschaft, die international konkurrenzfähig bleibt. Der LASK hat fünf Legionäre, ein sanierungsbedürftiges Stadion und laut Ismaël "25 Mitarbeiter an der Geschäftsstelle, die die Arbeit von 50 machen".

Diese Mentalität Woche für Woche auf den Platz zu bekommen, hat den LASK in eine konkurrenzfähige Situation mit Salzburg gebracht, auch wenn nach dem Sieg am Freitag von allen Beteiligten zu hören war, dass man dem Ergebnis nicht zu viel Bedeutung beimessen wolle. "Wir konnten an diesem Abend nicht viel gewinnen oder verlieren. Der Kampf geht weiter. Jeder Punkt wird wichtig sein", sagte Salzburgs Trainer Marsch. Ismaël verwies auf die Erfahrung aus seiner Laufbahn: "Ich habe als Spieler schon um die Meisterschaft gespielt", sagte der zweimalige deutsche Meister: "Es ist noch ein langer Weg."

Dieser Text ist zuerst am 16. Februar 2020 in der SZ erschienen und wurde am 21. Februar 2020 aktualisiert.

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