Auto: Abwrackprämie:Ein Tsunami namens Sarrazin

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Berlins Finanzsenator Sarrazin ist immer für markige Sprüche gut. Das bekommt nun auch die Autoindustrie zu spüren. Ist BMW "irrational?"

Bernd Oswald

Vergangenen Freitag war Thilo Sarrazin wieder in den Schlagzeilen. Der Berliner Finanzsenator, der es mit einem rigiden Sparkurs geschafft hat, den Haushalt der Hauptstadt 2008 mit einem Überschuss von fast einer Milliarde Euro abzuschließen, war als neuer Chef des Bankenrettungsfonds Soffin im Gespräch. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stellte sofort klar, dass er den Genossen Sarrazin nicht gehen lassen werde.

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin ist immer für eine Provokation gut. (Foto: Foto: ddp)

Meistens kommt Thilo Sarrazin aber nicht wegen seines Amtes in die Schlagzeilen, sondern mit dem, was er in diesem Amt sagt. Denn der schräge Sozialdemokrat ist fast immer für eine oder mehrere plakative Aussagen gut. Über den Berliner Koalitionspartner sagte er "dumm, dümmer, PDS", den Deutschen empfahl er angesichts der steigenden Energiekosten eine Zimmertemperatur von 15 oder 16 Grad und einen dicken Pullover, Arbeitslose fasste er immer mal wieder recht grob an: "Wenn man sich das anschaut, ist das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern das Untergewicht."

Neuer Leidtragender von Sarrazins Despektierlichkeiten ist nun die deutsche Autoindustrie. Inzwischen würden die Bürger merken, dass sie weniger Autos und weniger Auto brauchen, sagte Sarrazin der Wirtschaftswoche und schlussfolgerte kalt: "Das ist blöd für die Autounternehmen und die Beschäftigten dort. Aber es ist gut für Verkehr und Umwelt."

Thilo Sarrazin teilt aber selten ohne argumentativen Überbau aus. Auch die Lage der deutschen Autoindustrie hat er seziert. Den reinen Transportbedarf deckten Autos, die 10.000 bis 15.000 Euro kosten, vollständig ab, findet Sarrazin. "Alles darüber ist irrational", urteilt der 63-Jährige mit Blick auf das großteils hochpreisige Sortiment deutscher Autohersteller. BMW, Mercedes, Audi - alles irrational. In schlechten Zeiten würden die Menschen rationaler, findet der Senator.

Von dieser Position aus ist es für Sarrazin ein Leichtes, die Abwrackprämie, ein Teil des zweiten Konjunkturpaketes der großen Koalition, als falschen Weg aus der Krise zu brandmarken. Diese 2500-Euro-Prämie, die die Regierung für einen Neuwagenkauf bei gleichzeitiger Altautoverschrottung auslobt, schadet laut Sarrazin den deutschen Autoherstellern sogar, "weil die Leute in dieser Krisenzeit umso mehr kleine Wagen aus dem Ausland kaufen und damit die Nachfrage nach deutschen Luxusautos in den Folgejahren umso geringer ausfällt".

Diese Bedenken hat auch die CSU. Ihr Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg hat vorgeschlagen, die Abwrackprämie müsse für den Fall überarbeitet werden, dass von ihr vor allem ausländische Autobauer profitierten. "Unser Konjunkturpaket soll Arbeitsplätze in Deutschland sichern und nicht Arbeitsplätze in Fernost", sagte er dem Spiegel.

Damit ernteten die Christsozialen umgehend den Widerspruch des deutschen EU-Industriekommissars Günter Verheugen: "Wenn die CSU vorschreiben will, dass nur in Deutschland hergestellte Autos gekauft werden dürfen, wenn die Abwrackprämie in Anspruch genommen wird, kann sie das vergessen", sagte Verheugen im Deutschlandfunk. "Das verstößt gegen Europarecht und würde sofort gestoppt werden."

Nicht zu stoppen ist dagegen der Sturm, der den deutschen Automobilherstellern laut Sarrazin als Konsequenz aus dem um 15 Prozent gesunkenen US-Konsum droht: "Die deutschen Maschinenbauer werden über den Umweg China getroffen, weil die Chinesen weniger investieren, wenn sie weniger in die USA exportieren. Unsere Autoindustrie bekommt dagegen den Tsunami frontal ab." Unter dem Tsunami macht es Thilo Sarrazin nicht.

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