Nachruf:Theorie und Liebe

Robert Suckale

Robert Suckale (1943-2020).

(Foto: TU Berlin)

Kunst braucht den freien Austausch: Der Berliner Kunsthistoriker Robert Suckale hat Horizonte erweitert und Menschen begeistert.

Von Andreas Strobl

Im letzten Jahrhundert galt es als linke Kunstgeschichte, wenn man sich mit den sozialen Umständen befasste, aus denen heraus Kunst entsteht. Der Kunsthistoriker Robert Suckale war 1970 noch mit einer Arbeit über Stilfragen der französischen Madonnenskulpturen promoviert worden. Das klingt nach der traditionellen Kunstgeschichte des Datierens und Sortierens, wie es damals in Deutschland üblich war. Und das war es auch. Aus der konservativen Schule gediegener Objektkenntnis kommend, entwickelte Suckale aber als Assistent des Münchner Ordinarius Wolfgang Braunfels einen neuen Blick auf die Entstehungsumstände der Kunst und auf das, was man heute kulturellen Transfer nennt. Sein gemeinsam mit Dieter Kimpel aus dieser Perspektive heraus verfasstes Buch über die gotischen Kathedralen bleibt ein Standardwerk.

Mit seinem großen Band "Kunst in Deutschland" zeigte der Europäer Suckale einem breiten Publikum, dass Kunst vom Mittelalter bis in die Gegenwart nichts mit Nation, sondern viel mit Kulturlandschaften und deren freiem Austausch zu tun hat. Werkstätten und Künstler hielten sich in früheren Jahrhunderten so wenig an Grenzen und Herrschaftsbereiche wie heute. Nicht erst die Neuzeit kennt erstaunliche Mobilität. Nur wenige deutsche Kunsthistoriker wollten sich diesem Gedanken stellen. Für das Werk des vergessenen Emigranten Rudolf Berliner setzte sich Suckale intensiv ein, weil er zu diesen wenigen zählte.

Kennerschaft einem interessierten Publikum vermitteln - das konnte dieser Forscher

Suckale verband Kennerschaft mit der analytischen Durchdringung der Theorie, die Liebe zum Kunstwerk mit der Folie der sozialen Umstände, vor der es entsteht. Die Ergebnisse der Forschung einem möglichst breiten Publikum nahezubringen, war ihm keine belastende Vorstellung. Vielmehr sah er hier eine wichtige Aufgabe des Fachs. Und mit seinen Beiträgen zu den großen Mittelalterausstellungen, etwa der zur Bildhauerfamilie der Parler, gelang ihm dies spielend. Dabei kannte Suckale nicht die in diesem Bereich weit verbreitete Scheu vor den unterschiedlichsten Medien und publizierte zur Skulptur genauso wie zur Tafel- oder Buchmalerei, so wie er als Mediävist immer auch die Neuzeit und die Gegenwart wahrnahm, selbst wenn er sich publizistisch zurückhielt.

Robert Suckale war aber vor allem mit Leib und Seele Lehrer. Die Universität Bamberg, wo er die Ausbildung für die Denkmalpflege besonders förderte, und seit 1990 die Technische Universität Berlin, waren seine wichtigsten Stationen. 2004 ließ er sich dennoch vorzeitig emeritieren und rang seither seiner schweren Parkinsonerkrankung in stoischer Gelassenheit noch eine Reihe beeindruckender Werke ab, darunter ein zweibändiges Werk über die mitteleuropäische Malerei vor Albrecht Dürer. Am letzten Donnerstag ist Robert Suckale in seinem siebenundsiebzigsten Lebensjahr in Berlin gestorben. Kurz nach Martin Warnke verliert das Fach Kunstgeschichte einen weiteren Forscher, der Horizonte erweitert hat und als Wissenschaftler wie als Mensch zu begeistern verstand.

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