Kunstszene:Dachauer Galerie sitzt Fälschungen auf

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Fast 30 Gouachen, angeblich alles Werke von Markus Lüpertz, hat ein Dachauer Galeristenehepaar bei Kollegen in Kalkar für eine hohe Summe erworben. Jetzt haben sie Strafanzeige gestellt.

Von Robert Stocker, Dachau

Die Umrisse des Mannes sind mit dicken, schwarzen Strichen schwungvoll skizziert. Sein Körper ist gelb, er sitzt vor einem roten Hintergrund. Das Bild, Tusche und Gouache, ist scheinbar vom Meister signiert. Rechts unten sind ein großes M und ein kleines l zu sehen, die Initialen von Markus Lüpertz. Das Werk "Ohne Titel (Narziss)" gehört dem Dachauer Galeristen Josef Lochner. Ein Werk des großen Malerfürsten, könnte man meinen - wenn auf der Rückseite nicht das Wort zu lesen wäre: "Falsch". Der Meister persönlich hat es drauf geschrieben.

Josef Lochner und seine Frau Ursula, die in der Dachauer Altstadt die Galerie Lochner betreiben, sind Opfer von Kunstfälschern geworden. Am vergangenen Freitag durchsuchten Polizisten und Beamte der Staatsanwaltschaft Kleve laut Bild-Zeitung eine Galerie und zwei Ateliers in Kalkar (Nordrhein-Westfalen) sowie Wohnungen in Goch und Mülheim. Von der Durchsuchung wurde auch das Galeristenehepaar informiert. Etwa 30 Gouachen haben die Lochners in gutem Glauben von dieser Galerie erworben - für eine beträchtliche Summe, wie Lochner der Süddeutschen Zeitung sagt. Angeblich alles Lüpertz-Werke. Bis sich herausstellte, dass es Fälschungen sind.

Die Dachauer Galeristen hatten fast alle Bilder in den Jahren 2016 und 2017 gekauft. Sie wurden nicht in der Galerie ausgestellt, sondern zierten die Wohnung des Ehepaars. Drei Jahre lang waren sie auf der Homepage der erfolgreichen Galerie zu sehen. Dort wurden sie von Lüpertz, einem der größten zeitgenössischen deutschen Künstler, selbst entdeckt. Ende Juli 2019 rief er persönlich bei den Dachauer Galeristen an. "Diese Bilder sind wahrscheinlich Fälschungen", sagte der Berliner Maler am Telefon. Das war für die Lochners, wie sie erzählen, ein Schock. Sie nahmen die Bilder umgehend von der Homepage herunter.

Um völlig sicher zu gehen, ob alle von den Dachauer Galeristen gekauften Werke Fälschungen sind, wollte Lüpertz sie selbst in Augenschein nehmen. In der ersten Augusthälfte des vergangenen Jahres hielt sich der Meister in Kolbermoor (Landkreis Rosenheim) auf. Er veranstaltet dort regelmäßig Mallehrgänge. Lochner fuhr mit seinem gesamten Bestand an Lüpertz-Bildern dort hin. Lüpertz und seine Assistenten prüften sie und pickten alle Fälschungen heraus. Sie wurden entsprechend gekennzeichnet. Lochner erstattete bei der Dachauer Polizei Anzeige wegen Kunstfälschung gegen Unbekannt. Einige der gefälschten Bilder hatte er schon verkauft. Die Verkäufe wurden rückabgewickelt, die Kunden erhielten ihr Geld zurück. "Alle zeigten sich sehr verständnisvoll", so der Dachauer Galerist.

Auch dieses Bild wurde mit den Initialen von Lüpertz signiert. Es stellte sich als Fälschung heraus. (Foto: oh)

Die Staatsanwaltschaft Kleve nahm Ermittlungen auf, die jetzt in den Durchsuchungen gipfelten. Der Galerist in Kalkar hat ausgesagt, dass er die gefälschten Lüpertz-Bilder von zwei Männern bezogen habe. Er stellte für einige Werke Echtheitszertifikate aus. Ob er wusste, dass sie gefälscht sind, ist aber noch unklar.

Die beiden Männer sollen auch Werke der Künstler René Magritte und Amadeo Modigliani gefälscht oder Plakate und Drucke davon unautorisiert vervielfältigt haben. Bei den Durchsuchungen wurden nach Auskunft des zuständigen Oberstaatsanwalts etwa 200 Plakate, Drucke und Grafiken sichergestellt. Weitere Lüpertz-Fälschungen wurden laut Lochner in der Galerie in Kalkar nicht gefunden. Lüpertz sei von den Vorgängen sehr betroffen gewesen, so der Dachauer Galerist.

Der Künstler pflegte mit der Galerie in Kalkar einen guten Kontakt. Die Galerie stellte für ihn auch Druckgrafiken her. Im Jahr 2016 wollte Lüpertz in der Galerie Lehrgänge halten. Eine Schuld des Galeristen ist nicht erwiesen. "Da muss man sehr vorsichtig sein", warnt Josef Lochner. Auch das Atelier Lüpertz erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Die Dachauer Galeristen gingen beim Kauf der angeblichen Lüpertz-Bilder sehr sorgfältig vor. Die Galerie in Kalkar hatte einen guten Ruf. Die Dachauer fuhren selbst dort hin, um sich die Bilder anzuschauen. "Wir haben sie nicht per E-Bay zusammengekauft", sagt Lochner. Auf dem materiellen Schaden werde er trotzdem sitzen bleiben. "Auch unser Image leidet darunter."

Die Dachauer Galerie organisierte zwei Veranstaltungen mit Werken des bekannten Künstlers. Bei der ersten Ausstellung im Jahr 2015 war Lüpertz persönlich anwesend. "Wenn es in dieser Schau gefälschte Bilder gegeben hätte, hätte er sicher Alarm geschlagen", sagt Lochner. Die große Lüpertz-Ausstellung fand dann 2018 im Keller des Kaufhauses Rübsamen statt. Josef Lochner legt Wert auf die Feststellung, dass alle in der Galerie ausgestellten Werke von den Verlegern der Künstler stammen. "Sie haben mit den Fälschungen nichts zu tun." Lüpertz, dessen Markenzeichen ein Hut und ein Gehstock sind, hat seine Werke in der Dachauer Galerie untersucht. "Da war alles okay", sagt Lochner.

© SZ vom 18.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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