Kreuzfahrt in Norwegen:Jäger des Lichts

Nordnorwegen im Winter: Das ist nicht nur Kälte und Dunkelheit, sondern auch die beste Kulisse für Polarlichter. Sie sind dann Traum und Ziel der meisten Kreuzfahrtpassagiere.

Von Verena Wolff

Nordlichter. Sie sind der Traum und das Ziel der meisten Passagiere auf der Aida Aura, die im März ins nördliche Norwegen fahren. Aber so einfach ist das dann doch nicht mit den Nordlichtern. Vor allem, wenn man sie auf eine Speicherkarte bannen will. Denn: Damit man die Aurora Borealis sehen kann, muss es dunkel sein, sehr dunkel. Und kalt ist es meist auch, denn sie zeigt sich vorwiegend nördlich des Polarkreises, der exakt auf 66° 33' 55'' nördlicher Breite liegt. In Europa ist man da mindestens auf der Höhe Islands, Nordschwedens oder eben im nördlichen Norwegen.

Auf dieser Reise ist es schon zwischen Haugesund und Bodø so weit. Südlich des Polarkreises also. Doch das Meer ist wild und rau, beim Landgang hatte es vom bleigrauen Himmel geregnet. Also machen es sich viele Passagiere schon früh im Bett gemütlich, manche mit Medikamenten gegen die Seekrankheit. Bei zehn Meter hohen Wellen schaukelt ein Kreuzfahrtschiff trotz Stabilisatoren.

Doch dann ertönt der Gong im Lautsprecher der Kabine. Es ist kurz vor Mitternacht, als der Kapitän mitteilt, dass Nordlichter gesichtet wurden. So weit im Süden? Bei dem schlechten Wetter? Das Schiff fährt gerade durch ein wolkenloses Gebiet, die Sonnenstürme jagen über den Himmel. Also zeigen sich die Lichter, von denen die Wikinger glaubten, sie verkörperten ihre Götter.

Nun rumpelt es auf den Gängen, viele Passagiere ziehen sich ihre Winterausrüstung über den Pyjama, spannen die Kamera aufs Stativ und eilen hinauf auf Deck 11, auf das Sonnendeck, das mit Schnee überzogen ist. Und dann stehen sie in der eisigen Kälte, im Abstand der ausgeklappten Stativbeine, nebeneinander. Viele haben die Programmautomatik auf ihren Spiegelreflexkameras eingestellt, damit fotografiert es sich über den Tag und bei wechselnden Lichtverhältnissen am leichtesten. Doch nun sehen sie - nichts. Der kleine Bildschirm an der Kamera bleibt schwarz.

Jetzt die Kamera umzustellen, ist schwierig. Die Tasten und Räder sind klein, die Finger kalt - und richtig sehen kann man auch nicht in der Polarnacht. Die Aurora Borealis ist schon bei guten Bedingungen nicht einfach zu fotografieren: lange Belichtungszeit, große Blende, keine Erschütterungen. Auf einem schwankenden Schiffsdeck ist das noch schwieriger. Manch einer gibt schnell auf und zieht sich wieder ins Warme zurück - vielleicht hilft es, die Bedienungsanleitung zu studieren, für die hoffentlich nächste Sichtung.

Zunächst einmal müssen es Bilder tun, die Hartmut Renken Theater an die Wand projiziert. Von Nordlichtern, Sternen und Planeten, die er auf Kreuzfahrtschiffen rund um die Welt fotografiert hat. Renken ist Experte für Astronomie und Fotografie - ein Merkmal der "Selections"-Reisen, wie Aida sie mit ihren kleineren und etwas älteren Schiffen anbietet. Entertainment allerorten, das gibt es auch hier. Aber eben auch Lektoren und Wissenschaftler, die Vorträge über Land, Leute und andere Themen halten. Zum Beispiel über das Fotografieren in der Nacht.

Voll ist es bei Vorträgen auf der Kreuzfahrt mit dem Titel "Winter im hohen Norden" nicht. Der Schiffsarzt hat großen Zulauf von Menschen, denen der starke Wellengang zusetzt. Die See ist rau, seit die Aura, knapp 203 Meter lang und 28 Meter breit, von der Elbe in die Deutsche Bucht hinausgefahren ist. Seit Tagen also. Die Brecher knallen auch im siebten Stock noch an die Fensterscheiben, im Bett spürt man die Bewegung noch stärker, denn es geht nicht nur in eine Richtung, sondern gefühlt in alle.

An Tag 1 spricht Lektor Björn Lars Oberndorf, Experte für Norwegen und die Wikinger, über Land und Landschaft, die Eigenheiten der Wikinger, über die Heringe und die Erdölförderung vor der norwegischen Küste. Der gemütliche Mann mit dem sympathischen Ruhrgebiets-Slang und dem wolligen Bart ist ganz in seinem Element. Heringsfang war einst die Haupteinnahmequelle der Menschen in Haugesund, dem ersten Hafen während der Reise. Doch die großen Zeiten des Fischfangs sind vorbei. "Heute sorgen Erdöl und Schiffsbau dafür, dass die Bewohner ein sicheres Einkommen haben."

Haugesund ist auch der richtige Stopp für alle, die sich für Geschichte interessieren. "Sie sollten einen Abstecher nach Avaldsnes machen", empfiehlt er. Der Ort war lange Zeit Wikingerresidenz und ist der älteste Königssitz Norwegens, gegründet von König Harald Schönhaar im Jahr 870. Zu besichtigen gibt es die Olavskirche, erbaut um 1250 von König Håkon Håkonson, sowie einen rekonstruierten Wikingerhof.

Die Passagiere genießen es, beim Landausflug festen Boden unter den Füßen zu haben. Zurück an Bord wird der Seegang stärker, der Wind nimmt zu, was zu nochmals stärkerem Wellengang führt. Die Speisesäle sind ebenso wie das Fitnessstudio nur wenig besucht. Dafür haben Schiffsarzt und Rezeption wieder gut zu tun - dort wird auf Verlangen ein homöopathisches Mittel gegen Übelkeit ausgegeben. Der nächste Halt im Hafen von Bodø entfällt, dafür gibt es einen Seetag mehr - langsam erfreuen sich die Gesellschaftsspiele in der Bar steigender Beliebtheit. Ebenso wie die lichtdurchflutete kleine Bibliothek auf dem obersten Deck mit gemütlichen Sesseln und Sofas. Doch Besserung naht, und zwar bei 69,99 Grad nördlicher Breite und 23,32 Grad östlicher Länge: im Altafjord.

Tag 6 der Reise beginnt mit strahlendem Sonnenschein und kaum Wind. Der Himmel ist tiefblau, die Berge rundherum schneebedeckt. Und Lektor Björn Lars Oberndorf kommentiert live die Einfahrt in den riesigen Fjord auf dem Weg nach Alta, dem nördlichsten Punkt der Reise und Hauptstadt der Finnmark. "Wer nicht ans Nordkap fährt, ist hier schon so ziemlich im äußersten Norden Norwegens", sagt Oberndorf.

Kaum hat die Aida Aura angelegt, gehen die Passagiere an Land. Fester Boden ist nach drei Tagen mit starkem Seegang ein hohes Gut. Man sieht sich um im recht kahlen Alta, in dem der spannendste Bau die Nordlicht-Kathedrale ist. Und das Beste kommt schließlich am Abend - recht früh sogar schon. Aurora Borealis. Extrem stark, extrem aktiv. Dieses Mal sind viele der Hobby-Fotografen an Bord vorbereitet, ihre Kameras sind exakt eingestellt.

Es ist ein Glücksfall, die bunten Sonnenstürme mehrmals zu sehen - das Wetter im hohen Norden ist ja zu jeder Jahreszeit unberechenbar. Das zeigt sich in Tromsø, der selbsternannten Welthauptstadt der Polarlichter, wo die dichte Wolkendecke keine Sonne durchlässt, geschweige denn ein Nordlicht erstrahlen lässt.

In Tromsø, dem Tor zur Arktis, beginnt auch der Rückweg nach Hamburg. Die Aida Aura nimmt dabei die Orte mit, an denen sie auf dem "Nordvegen", dem Weg nach Norden, vorbeigefahren ist: Sortland, Trondheim und Bergen. Die Klassiker Norwegens. Mit den Polarlichtern ist es bald vorbei, dafür kommt der bleierne Himmel wieder zum Vorschein. 5855 Kilometer wird das Schiff in 14 Tagen zurückgelegt haben, 20 Breitengrade ist man nach Norden gereist. Dabei war oft der Weg das Ziel - und der Himmel mit den bunten Lichtern.

Reiseinformationen

Reisearrangement: Winter im hohen Norden mit der Aidacara, 21.3 bis 5.4.2020, von Hamburg über Trondheim, Bodø und Alta bis ans Nordkap, retour über Tromsø, Trondheim und Bergen nach Kiel. In der Innenkabine für zwei Personen ohne Anreise ab 3198 Euro, in der Kantine mit Meerblick ab 3998 Euro. Empfehlung: Warme Kleidung, wer mit Kamera fotografiert, sollte auch ein Stativ einpacken - sonst sind die Nordlichter nur schwer zu fotografieren. Ebenso Ersatzbatterien, denn die Batterien entladen sich in der Kälte schnell. www.aida.de

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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