Grünwalder Stadion:Bayern, 1860 oder Türkgücü?

29 04 2018 Fussball Regionalliga Bayern 2017 2018 36 Spieltag FC Bayern München Amateure TSV 18; 1860

Münchens Fußball-Kultstätte: Das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße.

(Foto: imago/MIS)
  • Sollte der souveräne Regionalliga-Tabellenführer Türkgücü München in die dritte Liga aufsteigen,müsste er zusammen mit 1860 München und der U23 des FC Bayern im Grünwalder Stadion spielen.
  • Der DFB erlaubt diese Konstellation aber nicht. Ein Klub müsste ausziehen.
  • Türkgücü spielte mit dem Gedanken, für einzelne Spiele nach Nordrhein-Westfalen zu ziehen. Auch das ist laut DFB nicht möglich.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Es war gut was los am Montagabend auf dem Rasen des Grünwalder Stadions, aber eine kleine Gruppe auf der Haupttribüne hatte kaum Zeit, dem Spiel zuzusehen. Eigentlich wollten sie schon vor dem Anpfiff mit ihrer Besprechung fertig sein. Das klappte nicht, aber die Zeit drängt. Also setzte sich die Gruppe noch einmal in Bewegung, während der zweiten Hälfte des Drittligaspiels FC Bayern München II gegen den Halleschen FC (Endstand 6:1) stieg sie im Gänsemarsch die Stufen hinauf zu den Beobachterplätzen auf der Holztribüne und verschwand in einem kleinen Raum. Doch selbst am späten Abend war keine Lösung gefunden. Und so geht das schon seit Wochen.

Die Münchner Leiterin des Sportreferats, Beatrix Zurek, führte die Fußball-Gesandtschaft an, dabei handelte es sich um Vertreter des FC Bayern, des TSV 1860 und des designierten Drittliga-Aufsteigers Türkgücü München, um zu klären: Wer spielt künftig im Grünwalder Stadion? Es ist ein Thema, das schon seit Langem schwelt, das allerdings lange nicht öffentlich ausgetragen wurde, weil Stellungnahmen der Verantwortlichen fehlten. Allen voran Aussagen der Stadt, die Vermieter des Grünwalder Stadions ist. Sie steht nun vor dem großen Problem, einen der drei Mieter rauswerfen zu müssen.

Denn am Dienstag positionierte sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und formulierte das Problem ganz deutlich. "Mehr als zwei Drittligisten in einem Stadion sind kaum realisierbar", sagt DFB-Direktorin Heike Ullrich. "Die dritte Liga ist eine Profiliga und ist hinsichtlich Organisation, Vermarktung und Sicherheitsaspekten mit festen Anforderungen verbunden. Wir müssen als Liga-Träger klar strukturierte Abläufe und einen reibungslosen Spielbetrieb innerhalb der Liga gewährleisten."

Im Lizenzierungsprozess müssen die Klubs bis 2. März auch einen Spielort angeben

Der DFB zeigte sich auch darüber verwundert, dass Türkgücüs Präsident Hasan Kivran gegenüber der SZ gesagt hatte, er denke wegen des Stadion-Engpasses darüber nach, Spiele in Nordrhein-Westfalen auszutragen - mit dem Vorteil, dass es dort mehr türkischstämmige Bewohner gebe. "Ein solcher Umzug von Türkgücü München zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen ist nicht möglich", sagt Ullrich. Eine räumliche Nähe sei verpflichtend.

In der Praxis würde eine Dreifachbelegung bedeuten, dass zwei Teams ihre Heimspiele am selben Wochenende austragen müssten. Diese könnten aber, so erklärt es der DFB auf Nachfrage, nicht an direkt aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden, also zum Beispiel nicht am Freitagabend und am Samstagmittag. Denn so könne man nicht mehr gewährleisten, dass Ab- und Aufbau rechtzeitig über die Bühne gehen. Das würde bedeuten, dass Spiele im Rhythmus Freitag/Sonntag oder Samstag/Montag stattfinden müssten. Und dies wiederum würde viel mehr Freitags- und Montagsspiele einzelner Vereine vorschreiben, als dies der Rahmenspielplan erlaubt. Wenn auch noch die Wünsche der Sicherheitsbehörden in die Terminfindung einfließen, erscheint eine Lösung in der Tat undenkbar. Was in München die Debatte verschärft: Welcher Verein hat eventuell weniger Anrecht darauf, im Grünwalder Stadion zu spielen, als die beiden anderen?

Der Verband hofft auf ein Einsehen der Klubs: Es ergebe "auch für die betreffenden Vereine keinen Sinn", betont DFB-Direktorin Ullrich, eine Spielstätte zu dritt zu teilen. Schon allein, weil doch der Rasen erheblich darunter leide. Bis zum Dienstag war aber keine Lösung des Problems in Sicht. In den vergangenen Wochen war immer wieder kolportiert worden, dass die U23 der Bayern im Sportpark Unterhaching unterkommen könnte. Von den Bayern heißt es auf Anfrage: kein Kommentar zu diesem Thema. Klar ist: Sie wollen partout nicht ausziehen. Das wurde der Stadt München dem Vernehmen nach schon vor einiger Zeit auf höchster Ebene klargemacht. In den internen Gesprächen argumentieren sie damit, dass sie am längsten Mieter im Grünwalder sind. Sechzig in Giesing sieht man in München neuerdings ohnehin wieder als Selbstverständlichkeit an. Und wenn sie Türkgücü - dem ersten von Migranten gegründeten Verein in Deutschland, der es in den Profifußball schafft - eine Miete verweigern, befürchten sie bei der Stadt München selbstredend eine riesige politische Debatte.

Im Lizenzierungsprozess müssen die Klubs die ersten Unterlagen zum 2. März einreichen und dabei auch ihren Spielort angeben. Sechzig wird sich sowohl für die dritte als auch für die zweite Liga mit dem Grünwalder Stadion bewerben. Anfang April erwarten die Löwen dann den Bescheid, ob sie einen anderen Spielort benennen müssen - falls sie doch aufsteigen, ist das wahrscheinlich. Dann hätten sie das Umzugsproblem ganz unabhängig von der Überbelegung im Grünwalder an der Backe. Geschäftsführer Michael Scharold sagt: "Es gibt ganz viele Optionen, der entscheidende Punkt ist, damit sie zum Erfolg führen, dass diese Gespräche vertraulich sind." Sechzig und Vertraulichkeit, nun ja: Anfragen in Unterhaching, Ingolstadt, Augsburg und Regensburg wurden bereits öffentlich und führten zur ebenfalls öffentlichen Absage der beteiligten Klubs.

Nicht vertraulich ist, dass die Deutsche Fußball-Liga zwei Lösungen nicht erlaubt: Salzburg kommt nicht in Frage, da es nicht in Deutschland liegt; ein Wanderzirkus durch verschiedene Spielorte in Bayern ist auch nicht erwünscht. Und die Option, ein temporäres Stahlrohr-Stadion im Stadtgebiet aufzustellen, ist "aktuell nicht realistisch", sagt Scharold, nicht nur aus finanziellen Gründen: "Es mangelt schon an einem Ort, der per Bebauungsplan schon als Sportstätte gewidmet ist." Bliebe das Olympiastadion, die naheliegende Lösung - dort müssten nur eine Rasenheizung und ein Flutlicht installiert werden. Das ist jedoch aus historischen Gründen nicht sehr beliebt bei vielen Anhängern - begann der Klub dort doch seine Entfremdung aus Giesing unter Karl-Heinz Wildmoser. Dafür ist es beim FC Bayern nicht negativ konnotiert, und auch nicht bei Türkgücü.

Wie immer das Problem gelöst wird, eine dauerhafte Ausweich-Spielstätte, nach Möglichkeit innerhalb der Stadtgrenze, wäre ohnehin vonnöten. Denn das Grünwalder Stadion soll in wenigen Jahren umgebaut werden - für diese Zeit müssten alle Beteiligten ohnehin eine andere Heimat finden.

Zur SZ-Startseite

Türkgücü München
:Wenn Amateur-Kicker plötzlich Profis sind

Regionalligist Türkgücü München hat im Gegensatz zu vielen Konkurrenten Geld und professionalisierte sich. Doch der Klub kämpft mit dem rasanten Umbruch - und fehlenden Zuschauern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: