Isarvorstadt:Den Anwohnern stinkt der Schlachthof

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Der Münchner Schlachthof ist Grund der Auseinandersetzung um die Geruchsbelästigung in der Isarvorstadt. (Foto: Robert Haas)
  • Anwohner des Schlachthofs beklagen seit Monaten einen Gestank nach Verwesung, Fäkalien und abgestandenem Blut.
  • Das Referat für Umwelt und Gesundheit tue zu wenig dagegen, kritisieren die Nachbarn.
  • Der Bezirksausschuss-Vorsitzende fordert "harte Auflagen, die hoffentlich schmerzhaft sind".

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Es stinke zum Himmel, sagen die Anwohner des Schlachthofs - und sie meinen damit nicht nur die massive Geruchsbelästigung durch die Schweineschlachtung. Sondern auch den Umgang des Referats für Gesundheit und Umwelt (RGU) mit dem Problem. Die Maßnahmen gegen den Gestank, die bislang ergriffen wurden, seien unwirksam, der Verursacher würde durch Auflagen weder gebunden noch kontrolliert, die Anwohner würden hingehalten und in die Irre geführt, hieß es.

"Wir werden hier verarscht - und das seit Monaten", sagte eine Anwohnerin im Bezirksausschuss (BA) am Dienstagabend dem stellvertretenden Referatsleiter auf den Kopf zu. "Wir lassen uns das nicht mehr bieten", sagte ein anderer Nachbar des Schlachthofs und drohte, Schadenersatzansprüche direkt an das Referat zu stellen.

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Ein Referat, welches emittierende Betriebe schütze, dem das Wohlbefinden der Bürger egal sei und das deren Klagen übergehe? Harte Vorwürfe, auch das Referat hat dies erkannt: Diesmal war der stellvertretende Referatsleiter Rudolf Fuchs selbst anwesend, um die Anwohner zu beruhigen. Auch der Bauleiter, der die Besserung verheißende neue technische Anlage zur Abluftreinigung in der Schweineschlachtung einbauen soll, war dabei. Dieser betonte, "ich stehe dafür, dass das Ganze jetzt umgesetzt wird".

Fuchs selbst gab zu, dass "Versuche", die Situation zu verändern, "bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vielversprechend waren". Ansonsten sprach er von "umfangreichen Recherchen" nach den Quellen des Gestanks, von "massivem Druck", den das RGU auf die Schweineschlachtung als vermeintlichen Verursacher ausgeübt habe. Mehrmals wiederholte Fuchs, dass er den Ärger der Anwohner gut verstehe. "Ihre Fragen sind absolut berechtigt und nachvollziehbar." Die Anlieger sollen künftig einbezogen werden - auch bei weiteren Überprüfungen. "Wir werden alle Möglichkeiten zur Optimierung ausschöpfen."

Die Skepsis blieb bei den Geschädigten, die nicht nur aus dem direkten Umfeld des Schlachthofs an der Zenetti-, Tumblinger-, Thalkirchner Straße, sondern auch aus entfernteren Straßenzügen wie aus der Maistraße gekommen waren. Schon zehn Monate zieht der Gestank nach Verwesung, Fäkalien und abgestandenem Blut durchs Quartier, Verbesserungen waren bereits mehrmals angekündigt, auch terminiert. Sie wohne bereits seit 70 Jahren im Viertel, erzählte eine Anwohnerin der Frauenlobstraße. 60 Jahre davon habe man den Schlachthof nicht gerochen, jetzt könne man nicht mal mehr das Fenster aufmachen. Selbst nicht am Wochenende, nachts nach Mitternacht.

Zweifel äußerten die Schlachthof-Nachbarn an der Version des RGU, dass eine Abwasservorbehandlungsanlage, die im April in Betrieb genommen worden war, maßgebliche Ursache des Gestanks. Damit würden andere Quellen zunächst nicht untersucht, was zu weiteren Verzögerungen führe. Das RGU bezieht sich auf den TÜV Süd, der von der Betreiberin als Gutachter eingeschaltet wurde. Dieser habe diese Anlage als Ursache ermittelt, so Fuchs. Die in dem Gutachten empfohlenen Maßnahmen würden schnellstmöglich umgesetzt. Doch so eine Anlage könne man "nicht von der Stange kaufen" - der Grund für die weitere Verzögerung. Diesmal kündigte Fuchs an, "ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir die Sache bis Ende März über die Bühne bringen".

Vor allem vermissten die Anwohner ein druckvolleres Vorgehen der Behörde gegen den Verursacher. Das RGU lasse zu, dass weiterhin Gestanksquellen wie Fenster und Abfallcontainer aufständen, obwohl Büromitarbeiter und Anwohner wieder und wieder darauf hingewiesen hätten, dass auch dies Gestanksquellen seien. "Es wird überhaupt nicht in Erwägung gezogen, die Schlachtung einzustellen", wunderte sich eine Anwohnerin. Ebenso fehle die Kontrolle. "Wer klopft denen auf die Finger?" Dafür sei die Betreiberin zuständig, so der RGU-Vertreter. Das Referat könne ja schlecht jeden Tag jemanden dafür abstellen. Dies allerdings kam nicht gut an - weder bei den Anwohnern noch im BA.

Fuchs argumentierte auch gegen eine Betriebsschließung, die "ultima ratio". Sie könne vor Gericht nicht standhalten, meinte er. Außerdem erschwere das geltende Ortsrecht in München die Lage, nach dem ausschließlich im Schlachthof geschlachtet werden dürfe. Metzger könnten also nicht selbst schlachten. Der BA konstatierte, dass es Prozesse in der Verwaltung gebe, die einzuhalten seien. Doch von sofort an müssten "harte Auflagen, die hoffentlich schmerzhaft sind", gemacht werden, so BA-Vorsitzender Andreas Klose (Rosa Liste). Rudolf Fuchs sagte zumindest zu, dass - erstmals - Bedingungen an den Betreiber gestellt werden sollen. Bislang seien die Auflagen nicht mit Bußgeldern verbunden gewesen.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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