USA:Er, nur er allein

Wahlkampf in den USA - TV Debatte

Wahlkampf in Las Vegas: Die demokratischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur Michael Bloomberg, Elizabeth Warren und Bernie Sanders (von links nach rechts) bei der TV-Debatte.

(Foto: John Locher/dpa)

Michael Bloomberg präsentiert sich bei den Demokraten als der Mann, der Donald Trump besiegen kann. Leider stehen ihm dabei noch fünf impertinente Gestalten im Weg.

Von Hubert Wetzel, Washington

Man ahnt jetzt, wie Gaius Julius Cäsar sich gefühlt haben könnte, damals vor zweitausend Jahren. Wenn er in Rom im Senat saß - er, der Held von Gallien, der die gefürchteten Belger bezwungen hatte. Und der sich dann anhören musste, wie mindere, eifersüchtige Politiker an ihm herumkrittelten. Man ahnt, was Cäsar da gedacht haben mag, weil man es am Mittwoch am Gesicht von Michael Rubens Bloomberg ablesen konnte.

Vielleicht ist dieser Vergleich nicht ganz fair. Vielleicht aber doch. Bloomberg ist natürlich kein gewalttätiger Putschist, aber dass er sich als eine Mischung aus Eroberer und Retter sieht, ist unbestreitbar. Erobern will er die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei, nicht mit Soldaten, aber mit Geld; retten will er die USA, und zwar vor dem gefürchtetsten aller Belger - Donald Trump. Das wäre aus seiner Sicht auch kein Problem, wenn da nicht diese fünf impertinenten Gestalten wären, die ihm im Weg rumstehen.

Erstklassige Wahlwerbung hat Bloombergs Umfragewerte nach oben schießen lassen

Das war die Lage, als sich die verbliebenen Präsidentschaftsbewerberinnen und -bewerber der Demokraten am Mittwoch in Las Vegas zu ihrer x-ten Kandidatendebatte trafen: Auf der einen Seite: zwei Frauen und drei Männer, die schon seit mehr als einem Jahr Wahlkampf machen, die in Iowa und New Hampshire angetreten sind und auch bei der Vorwahl in Nevada am Samstag antreten werden. Auf der anderen Seite: Gaius Julius Bloomberg, der Milliardär, der erst seit Kurzem im Rennen ist, der bisher an keiner Debatte und keiner Wahl teilgenommen hat und sich jetzt erstmals vor einem großen Fernsehpublikum mit seinen Gegnern streiten musste. Und es war offensichtlich, wie sehr ihn das nervte. Die meiste Zeit über lächelte er zwar nur fein. Aber mindestens einmal verdrehte er die Augen, und einmal brach sein Unmut aus ihm heraus: "Das ist doch alles lächerlich", schnauzte er.

Das mit den Augen war, als Elizabeth Warren ihn traktierte, was sie an diesem Abend oft tat. Die Senatorin, die die Umfragen zeitweilig angeführt hatte, kämpft inzwischen um ihr politisches Überleben. Sie stört es gewaltig, dass Bloomberg sich unter Einsatz von 400 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen ins Bewerberfeld gedrängelt hat. Seit Wochen bombardiert er Amerika mit teurer und erstklassig gemachter Wahlwerbung. Er - und zwar nur er und er allein - könne Trump schlagen, so seine Botschaft. Nehmt mich und meine Milliarden, oder geht gegen Trump unter. Alles andere? "Lächerlich!" Diese Dauerbeschallung hat dazu geführt, dass Bloomberg zumindest in den Umfragen nach oben geschossen ist. Ob seine guten Werte ein Zeichen von echter Wählerunterstützung sind oder nur von großer Bekanntheit zeugen, ist nicht ganz klar. Warren und die anderen Kandidaten versuchten in Las Vegas trotzdem alles, um Bloomberg auf den Boden zu holen, oder besser noch: tief im Keller zu versenken.

Bloombergs Vergangenheit als Investor, Unternehmer und New Yorker Bürgermeister bot dafür jede Menge Angriffspunkte. Bloomberg war berüchtigt für sexistische Sprüche, mit etlichen Frauen, die er beleidigt hat, hat er für viel Geld Schweigevereinbarungen geschlossen. In seiner Zeit als Bürgermeister stoppte und filzte die New Yorker Polizei millionenfach und willkürlich junge Schwarze und Latinos - eine Praxis, die vom Verfassungsgericht als rassistisch verworfen wurde. "Ich will mal klarstellen, gegen wen wir hier kämpfen", begann Elizabeth Warren eine ihrer vielen Attacken. "Gegen einen Milliardär, der Frauen ,fette Schlampen' und ,pferdegesichtige Lesben' nennt." Und damit meine sie nicht Trump, sondern Bloomberg.

So ging es den ganzen Abend. Bernie Sanders, der 78 Jahre alte Altachtundsechziger, der jüngst einen Herzinfarkt hatte, wies spitz darauf hin, dass Bloomberg, ebenfalls 78 Jahre alt, ja auch nur Dank zweier Stents noch lebe. Ansonsten kochte er vor Wut über den kapitalistischen Ausbeuter Bloomberg, der sich die Kandidatur kaufen wolle, wofür dieser sich mit dem Vorwurf revanchierte, Sanders sei "Kommunist". Joe Biden, zarte 77 Jahre alt, warf Bloomberg (zu Recht) vor, sich in seinen Werbespots mit Lügen an den Altpräsidenten Barack Obama ranzuwanzen und sich zu dessen legitimem Erben zu stilisieren. Diese Rolle freilich beansprucht Biden für sich. Er war Obamas Vizepräsident, darauf gründet seine Kandidatur, das lässt er sich von Bloomberg nicht klauen.

Pete Buttigieg, 38 Jahre alt und einst ebenfalls Bürgermeister, wenn auch nicht von New York, sondern von South Bend, Indiana, schlug vor, die Demokraten sollten doch einen Demokraten als Präsidentschaftskandidaten nominieren. Also ihn, nicht den früheren Republikaner Bloomberg oder den parteilosen Sanders. Da kicherte das Publikum.

Ansonsten zoffte sich Buttigieg, der in Iowa gewonnen hatte und in New Hampshire immerhin Zweiter wurde, über den seit Bloombergs Aufstieg aber keiner mehr redet, den halben Abend mit Amy Klobuchar. Er verpasste ihr ein paar Hiebe, sah aber blass aus und war schlecht rasiert - kein überzeugender Anblick. Klobuchar wiederum, die Senatorin aus Minnesota, träumt zwar vom großen Durchbruch. Doch das wird wohl ein Traum bleiben. "Willst du etwa sagen, dass ich dumm bin?", fragte sie Buttigieg einmal empört. Aber ihre Stimme zitterte dabei doch etwas zu sehr.

Ob die Debatte an der grundsätzlichen Lage im Vorwahlkampf viel geändert hat, ist daher offen. Sanders hat seine Stellung als Anführer des linken Flügels gegenüber Warren vermutlich verteidigt. Warren hat Bloomberg zwar recht wirkungsvoll angegriffen. Doch der ringt eher mit Biden, Buttigieg und Klobuchar um die Gunst der moderaten Mitte-Demokraten, nicht um die Stimmen der Linken. Biden, der große Verlierer von Iowa und New Hampshire, hat überraschend lebhaft debattiert. Ob ihn das rettet? Wer weiß.

Insofern hat Warren, indem sie Bloomberg gestutzt hat, vielleicht ihren Rivalen mehr geholfen als sich selbst. Dass Bloomberg sich mit seinem ersten Debattenauftritt nicht geholfen hat, war dagegen offensichtlich. Er war unvorbereitet, defensiv und hatte selbst auf absehbare Vorwürfe keine überzeugenden Antworten.

Ist es also Zeit für den Abgesang auf Michael Rubens Cäsar? Sind die Iden des März nahe? Man wird sehen. Bloomberg besitzt 60 Milliarden Dollar. Er hat genug Geld, um die Wunden zu verpflastern, die ihm in Las Vegas geschlagen wurden. Die Vorentscheidung fällt - reiner Zufall - am 3. März, am "Super Tuesday", dann finden in einem guten Dutzend Bundesstaaten Vorwahlen statt. Und dann entscheiden die Wähler über Bloomberg. Normalerweise würde man einen arroganten New Yorker Milliardär, der ein Frauen- und Rassismusproblem hat, der eine widerwillige Partei zu entern versucht, um Kandidat zu werden, und der seine erste Debatte vergeigt, nicht so ernst nehmen. Gäbe es da nicht neben Michael Bloomberg einen anderen, der genau das geschafft hat. Und der ist heute Präsident.

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