Sprachanalyse:Wort für Wort an die Weltspitze

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Video-Instalation einer Rede von Staatschef Xi Jinping im chinesischen Nationalmuseum. (Foto: AP)

Die Sinologin Thekla Chabbi spürt den Phrasen der Mächtigen in China nach.

Rezension von Edeltraud Rattenhuber

Politische Sprache, schrieb George Orwell, sei erfunden worden, um Lügen wahr und Mord anständig klingen zu lassen und selbst Wind den Anschein von Solidität zu geben. Chinas politische Sprache hat in dieser Disziplin der Täuschung über die Jahrtausende wahre Meisterschaft erlangt.

Und die Herrscher der Gegenwart stehen dem in nichts nach. Die Sinologin Thekla Chabbi spürt dem in ihrem Buch "Die Zeichen der Sieger" nach. An Beispielen wie Huawei und Hongkong entlarvt sie die Staatsmacht in Peking als Meisterin des politischen Framings. Und zeigt gleichzeitig, wie subversiv die Chinesen damit umgehen.

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Dabei will Chabbi eine Brücke schlagen. Und die ist auch nötig. Denn Klischees über Chinesen und ihre Kultur sind in Deutschland immer noch weit verbreitet. Gut, an manchen Schulen kann man Chinesisch lernen, doch gilt es als unwichtig im Vergleich zu Englisch oder Französisch.

Es ist diesem beklagenswerten Umstand geschuldet, dass das Buch ein wenig zerfranst. Auch weil die Zielgruppe nicht klar ist. Chabbi fühlt sich zu Recht verpflichtet, genau zu erklären, was Chinesisch ausmacht, damit sie uneingeweihte Leser hinter die Fassade des Kader- und Parteisprechs blicken lassen kann.

Gleichzeitig bringt sie Beispiele für Fortgeschrittene, von denen diese sich mehr wünschen würden.

Geklärt wird: Wie gehen Chinesen mit den Phrasen der Mächtigen um? Wie nutzen sie die Homonymie, den Gleichlaut vieler Silben im Chinesischen, um unter der Zensur durchzuschlüpfen? Was bedeuten die Regenschirme bei den Demonstrationen in Hongkong? Und was hat das mystische "Grasschlammpferd" mit Chinas Internet zu schaffen?

Thekla Chabbi: Die Zeichen der Sieger. Der Aufstieg Chinas im Spiegel seiner Sprache. Rowohlt, Hamburg 2019. 192 Seiten, 25 Euro. E-Book: 19,99 Euro. (Foto: N/A)

Internetzensur in China ist ein hartes Geschäft. Auch das wird deutlich. Denn die Begriffe sind flüchtig und die Fantasie der Chinesen in der Erfindung neuer Wortspiele ist schier unbegrenzt.

Derzeit löschen die Zensoren wieder, was das Zeug hält. Der Coronavirus-Ausbruch birgt für Chinesen viele, über die Jahrhunderte erfahrene Gewissheiten. Zum Beispiel, dass man den Mächtigen nie trauen darf. Und auch der Rest der Welt bleibt misstrauisch.

Dem schnellen Ansehens-Aufstieg folgte der prompte Abstieg

Als Chinas Staatschef Xi Jinping vor drei Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos auftrat und vom "Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit" sprach, sei das Ansehen Chinas in der Welt in die Höhe geschnellt, schreibt Chabbi.

Doch die Worte hätten sich nicht an Taten messen lassen, daher folgte dem schnellen Aufstieg der prompte Abstieg. Mit den völkerrechtswidrigen Lagern für die uigurische Bevölkerung sank das Ansehen noch weiter.

Ist der Buchtitel "Die Zeichen der Sieger" daher vorschnell? Der weitere Aufstieg Chinas ist wohl unaufhaltsam. Der der KP in Peking eher nicht.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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