Münchens Stadtbaurätin:Eine Dottoressa und ein großes Durcheinander

Bauen in der Peripherie

Ihre Abschlussarbeit sei mehr als ein deutsches Diplom", sagt Merk - aber eben auch kein echtes Doktorat.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
  • Stadtbaurätin Elisabeth Merk führt einen ungewöhnlichen Titel, der einige Fragen aufwirft.
  • In Merks offiziellem Lebenslauf stand bis zur vergangenen Woche noch "Promotion (Dr. (I))".
  • Das I in Klammern steht für Italien. Dort hat sie ihren Titel erworben - der allerdings nicht gleichwertig mit einem deutschen Doktortitel ist.

Von Sebastian Krass

Das große I in Klammern taucht im Lebenslauf auf der Website der Stadt München auf wie auch auf unzähligen Ankündigungen zu Veranstaltungen, bei denen die Stadtbaurätin spricht oder diskutiert. "Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk" ist dann zu lesen. Nur was bedeutet dieser ungewöhnliche Titel, den Merk führt? Darf sie ihn so führen? Und hat sie promoviert, wie kürzlich noch auf der städtischen Website zu lesen war? Die Antworten lauten: I steht für Italien. Jein, ganz so darf sie den Titel nicht führen. Und nein, promoviert hat Merk nicht - ihr Lebenslauf ist inzwischen geändert.

Dahinter steht eine Geschichte, die zeigt, dass Merk - als Chefin der Bau- und Verkehrsplanung eine der wichtigsten und einflussreichsten Personen der Stadt - zwar keinen Titelmissbrauch begangen hat. Aber sie geht seit vielen Jahren fragwürdig mit ihrem an der Universität Florenz erworbenen akademischen Titel um - und ist im Punkt "Promotion" verantwortlich für eine falsche Angabe.

Um die Sache zu verstehen, muss man weit zurückgehen im Leben der 56-Jährigen. Im Jahr 1988 zog Merk, nach einem Diplom in Architektur an der FH Regensburg, nach Florenz und begann ein Studium mit Schwerpunkten in Architekturgeschichte und Denkmalpflege. Dieses beendete sie 1994, mit einem Abschluss namens "Laurea". Der Abschluss entspricht einem deutschen Universitätsdiplom.

In Italien allerdings gibt es eine Besonderheit, die von der deutschen Titel-Tradition abweicht: Wer eine "Laurea" absolviert hat, darf sich auch "Dottore" oder "Dottoressa" nennen. Was hingegen in Deutschland der Doktor und im angelsächsischen Raum der Ph.D. sind, das ist in Italien der "Dottore di Ricerca", der ebenfalls eine mehrjährige Promotionsphase voraussetzt. Einen solchen Titel habe Merk in Florenz nicht erworben, erklärt die Uni-Sprecherin. Auslöser der Recherche waren Hinweise einer Quelle an die SZ auf mögliche Ungereimtheiten mit Merks Doktortitel. Die Quelle möchte anonym bleiben.

In Merks offiziellem Lebenslauf stand bis zur vergangenen Woche noch "Promotion (Dr. (I))". Auch in Pressemitteilungen der Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart, an der Merk ordentliche Professorin war und seit 2009 Honorarprofessorin ist, und der Hochschule München (HM), in deren Aufsichtsgremium Merk seit 2013 sitzt, war die Rede von einer Promotion. An der HM wird sie als "Prof. Dr." ohne den Zusatz (I) geführt. Die TU München, an der Merk Lehrbeauftragte ist, wiederum führt sie als "Dr.-Ing.". Es ist also, vorsichtig gesagt, ein ziemliches Durcheinander.

Auf eine Gesprächsanfrage reagiert Merk schnell, sie nimmt sich Zeit für ein Treffen in ihrem Büro. Im Laufe des Gesprächs zieht sie einen Ordner aus dem Regal und zeigt die Urkunde, mit der ihr der Titel "Laurea di Dottore in Architettura" verliehen wurde. Außerdem zeigt sie Kopien einer Bekanntmachung des bayerischen Wissenschaftsministeriums von 1995, aus denen hervorgehe, dass sie ihre "Dottoressa" in Deutschland als Dr. mit Herkunftsbezeichnung führen dürfe, und dass sie sich das auch nicht habe genehmigen lassen müssen.

Eine Sprecherin des Ministeriums erklärt aber: "Eine korrekte Führung des Grades (...) würde in der Tat erfordern, dass die verleihende Hochschule genannt wird, damit deutlich wird, dass es sich nicht um einen in Deutschland erworbenen Doktorgrad handelt. Zwar geht aus dem Klammerzusatz (I) hervor, dass der Grad in Italien erworben wurde. Um eine äquivalente Abkürzung im Sinne der genannten Bekanntmachung handelt es sich aber nicht."

Wie kam Merk überhaupt auf den Zusatz (I), der sich sonst fast nirgendwo findet? "Ich habe das gewählt, weil es sonst immer so viel auf der Visitenkarte geworden wäre", sagt sie. "Aber wenn jemand damit ein Problem hat, hätte ich kein Problem damit, Universität Florenz dahinter zu schreiben oder mich Dottoressa zu nennen." Das zuständige deutsche Ministerium hat offenbar ein Problem mit dem (I). Die wichtigere Frage aber ist, warum Merk über Jahre in ihrem Lebenslauf die Promotion stehen hatte. "Das war missverständlich", sagt sie, "aber nicht mit Absicht". Auf die Frage, ob sie das selbst habe hinschreiben lassen, bleibt sie vage: Sie habe nicht immer genau geschaut, wo was steht, "die Verantwortung dafür trage ich natürlich". Als die Uni Florenz sie kontaktierte, habe sie das ändern lassen. Nun steht da "Dottoressa in Architettura (Dr.(I))".

Aber erweckt Merk nicht immer noch den Eindruck, im Ausland promoviert zu haben, obwohl sie es nicht hat? "Ich bin nicht nach Italien gegangen, um einen schnellen Doktor zu machen", sagt sie. Ein Punkt, bei dem man an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) denkt, der an der Uni Prag einen "kleinen Doktorgrad" erworben hatte, den er nur in Bayern und Berlin als Dr. führen durfte. Erst nach öffentlichen Diskussionen legte er den Titel ab. Merk sagt, dass ihre Arbeit nicht - wie bei Architektur-Studiengängen üblich - ein Gebäudeentwurf gewesen sei, sondern "eine echte wissenschaftliche Arbeit über die Farbe in der Architektur von Bruno Taut". Der Architekt hat in Berlin Siedlungen entworfen, die Weltkulturerbe sind. "Die Arbeit ist meines Erachtens mehr als ein deutsches Diplom, aber auch kein echtes Doktorat. Wenn ich ein Promotionsverfahren durchlaufen hätte, würde ich ja Ph.D. schreiben."

Und Merk betont, dass für ihre Jobs eine Promotion nie Voraussetzung gewesen sei. Das stimmt für die Position der Stadtbaurätin in München. Eine Sprecherin der HFT bestätigt, dass in künstlerisch-kreativen Fächern wie Architektur eine Promotion nicht verpflichtend sei, um eine Professur zu bekommen. Ob Merk durch den Doktortitel einen Vorteil im Berufungsverfahren gehabt haben könnte, dazu könne man keine Angaben machen, erklärt die HFT-Sprecherin, da die Unterlagen vernichtet seien.

Und wie will Merk nun weitermachen? "Ich möchte den Doktortitel weiter führen, ich habe dafür ja was geleistet. Die Unterstellung, ich würde mir etwas anmaßen, weise ich zurück."

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