Nicaragua:Ernesto Cardenal ist gestorben

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Cardenal wurde ein scharfer Kritiker von Präsident Daniel Ortega, den er korrupt und einen Diktator nannte. (Foto: Oswaldo Rivas/REUTERS)
  • Der nicaraguanische Regierungskritiker Ernesto Cardenal ist mit 95 Jahren gestorben.
  • Er galt als einer der bedeutendsten Vertreter der Befreiungstheologie.
  • In den 1970er-Jahren unterstützte er die Revolution gegen Diktator Somoza.
  • Unter Ortega wurde er Kulturminister, stellte sich später aber gegen den Präsidenten und bezeichnete ihn als Diktator.

Der nicaraguanische Dichter, Revolutionär und Theologe Ernesto Cardenal ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Einem Bericht der Tageszeitung La Prensa zufolge starb er am Sonntag an Herzversagen, nachdem er vier Tage zuvor wegen Atemproblemen in ein Krankenhaus eingeliefert worden war.

Cardenal galt als einer der bedeutendsten Vertreter der Befreiungstheologie, mit der sich lateinamerikanische Geistliche in den Sechzigerjahren auf die Seite der Armen gestellt hatten. In den Siebzigerjahren unterstützte er den Kampf der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) gegen den Diktator Anastasio Somoza. Nachdem die FSLN 1979 Somoza gestürzt hatte, bekleidete Cardenal bis 1987 das Amt des Kulturministers der sandinistischen Regierung unter Daniel Ortega.

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Später überwarf sich der Priester mit seinen einstigen Kampfgenossen und stellte sich wie die meisten intellektuellen ehemaligen FSLN-Kämpfer gegen Ortega. Er warf ihm Korruption vor und kritisierte die "absolute, unendliche und grenzenlose" Macht des Staatschefs, nachdem dieser 2007 wieder an die Regierung gekommen war. Cardenal nannte Ortega korrupt und einen Diktator.

Wegen seines politischen Engagements verbot Papst Johannes Paul II. Cardenal 1985 die Ausübung von priesterlichen Ämtern. Vor gut einem Jahr hob Papst Franziskus die Sanktionen wieder auf.

Drei Tage Staatstrauer in Nicaragua

Der 1925 in Granada geborene Cardenal studierte Literatur, Philosophie und Theologie in Nicaragua, Mexiko, Kolumbien und den USA. 1965 wurde er zum Priester geweiht. Kurz darauf gründete er auf der zur Solentiname-Gruppe zählenden Insel Mancarrón im Nicaraguasee eine christliche Gemeinschaft, die sich an sozialistischen Idealen orientierte und Bauern sowie Fischer naive Malerei lehrte. Cardenal zählt neben Rubén Darío zu den bedeutendsten Dichtern Nicaraguas.

Seine Lesereisen führten Cardenal ("Gesänge des Universums", "Das Evangelium der Bauern von Solentiname") bis zuletzt auch immer wieder nach Deutschland. Für seine Bücher erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, so auch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 2005 war er für den Literaturnobelpreis nominiert worden.

Die Schriftstellerin Gioconda Belli teilte mit, dass Cardenal am Samstag in seiner Heimat auf den Archipel-Inseln Solentiname beerdigt wird. Staatschef Ortega und seine Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo drückten am Sonntag in einem gemeinsamen Brief ihr Bedauern aus und riefen drei Tage Staatstrauer aus.

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