Kommunalwahl in München:Separatist mit viel Selbstironie

Richard Progl, OB-Kandidat Bayernpartei am Marienplatz vor dem Rathaus

Richard Progl kämpft immer auch gegen Klischees an: "Manche sagen ja, in die Bayernpartei darf man nur rein, wenn man mindestens 100 Kilo wiegt. Aber das stimmt gar nicht."

(Foto: Florian Peljak)

Unter Richard Progl wurde die Bayernpartei im Rathaus eine ziemlich bunte Truppe: Jetzt will der Unternehmer aus Berg am Laim Oberbürgermeister werden.

Von Franz Kotteder

Richard Progl muss über eine große integrative Kraft verfügen. Denn schließlich hat er 2014 als Einzelkämpfer begonnen, im Stadtrat, heute aber steht er einer Fraktion mit sechs Mitgliedern vor. Ein derartiges Wachstum kann sonst keine andere Partei vorweisen, was die Kopfzahl angeht. Und man darf auch annehmen, dass es nach der Wahl am 15. März wieder ganz anders aussehen wird. Denn die Bayernpartei liegt, vorsichtig ausgedrückt, halt doch nicht so ganz im Trend der Zeit.

Warum sie während der vergangenen Wahlperiode im Stadtrat trotzdem dermaßen gewachsen ist, hat damit zu tun, dass es zwei Überläufer von der CSU-Fraktion, einen von der SPD, einen von der AfD und einen von den Freien Wählern gab. Sie haben aus der Bayernpartei im Rathaus eine leidlich bunte Truppe gemacht und ihr politisches Gewicht somit erhöht, rein rechnerisch wenigstens.

Manchmal wird Progl schon auch gestaunt haben, wer ihm da so alles zugelaufen ist, die letzten sechs Jahre. Eine konservative Grundausrichtung passt natürlich programmatisch schon zur Bayernpartei, die Bayern ja am liebsten als souveränen Staat innerhalb Europas sähe, die Dinge ansonsten aber nicht so eng sieht, wenn man Progl da als typischen Vertreter seiner Partei nehmen darf. Der 40-Jährige ist keineswegs das Klischee eines Lokalpatrioten, der nie über die engen Grenzen seiner Heimat hinausschaut. Er ist in Berg am Laim aufgewachsen - "beim Michaeli-Gymnasium, und da wohne ich heute noch" - und dann Betriebswirtschaftslehre studiert und die Fremdsprachen Englisch und Italienisch. Jeweils ein Auslandssemester hat er in Mailand und in Dublin absolviert; ein bisschen was hat er also schon gesehen von der, Welt und deshalb spricht er auch gern vom "Europa der Regionen" als politischer Wunschvorstellung. Das klingt dann schon etwas zukunftsgerichteter als Forderungen nach einem autonomen Bayern.

Das ist überhaupt so eine Frage: Was verschlägt einen denn zur Bayernpartei, wenn man nicht gerade eine andere Partei verlässt, wie seine Stadtratskollegen? Richard Progl sagt ganz klar: "Ich war schon immer ein glühender Separatist!" Dann lacht er, weil er natürlich weiß, dass das heutzutage ein bisschen komisch klingt. Tatsächlich hat es ihn schon als Kind gewurmt, dass ihm in der Schule seine bayerische Mundart ausgetrieben werden sollte und dass er von den anderen schon mal ausgelacht wurde, wenn er in der Lederhose auf die Wiesn ging: "Tatsache! Damals war ich noch der einzige!" Und als er dann 2005 auf der Straße Wahlplakate der Bayernpartei sah, hat er sich mal deren Parteiprogramm angeschaut und sich gleich gesagt: "Das ist ja, als wie wenn ich's selber geschrieben hätte."

Seitdem ist er in der Partei, und das auch noch sehr aktiv. 2008, im Landtagswahlkampf, ist er wochenlang nachts mit dem Parteifreund Thomas Hummel durch ganz Bayern gefahren und hat Plakate aufgestellt, vom tiefsten Unterfranken bis hinunter in die bayerischen Alpen. Da braucht es sicher einigen Idealismus? Er lacht dann und sagt: "Ob Idealismus das richtige Wort ist? Manche sagen da eher: ,Bist du bläd? Rentiert sich des?'" Einen gewissen Erfolg hatte es aber doch, die Bayernpartei kam landesweit auf rund zwei Prozent, immerhin. "So eine Partei aus der Versenkung zu holen", sagt er, "das ist ein Haufen Arbeit."

Daran arbeitet er, wenn man so will, nach dem 15. März sicher weiter und kandidiert dafür ja auch als Oberbürgermeister. Obwohl ihm natürlich schon klar ist, dass er den Amtsinhaber kaum in die Stichwahl zwingen dürfte. Aber es geht halt auch darum, Präsenz zu zeigen und der Politik ein Gesicht zu geben. Bei zu vielen im Wahlvolk existiert die Bayernpartei ja sonst nur als Klischeebild einer Interessensvertretung engstirniger Bierdimpfl. Mit dem spielt Progl auch mal gern ironisch, wenn er zum Beispiel sagt: "Manche sagen ja, in die Bayernpartei darf man nur rein, wenn man mindestens 100 Kilo wiegt. Aber das stimmt gar nicht."

Er selbst entspricht zwar durchaus der Idealvorstellung eines bayerischen Mannsbilds - nicht zu groß, kompakter Körperbau -, rennt aber deshalb noch lange nicht pausenlos in der Lederhose rum oder verständigt sich durch Jodeln. Hauptberuflich ist er Unternehmer, ihm gehört der Kurierdienst Minicar. 85 Autos schickt er täglich durch die Stadt. Auch deshalb ist das Thema Verkehr wichtig für ihn. Man müsse viel mehr Geld als bisher in den U-Bahn- und Straßenausbau stecken, meint er. "Das U-Bahn-Referat aufzulösen war der größte Fehler. Wenn die Stadt in 15 Jahren um 20 bis 25 Prozent an Einwohnern zunimmt dann reicht es nicht, wenn das U-Bahn-Netz nur um ein Prozent wächst. Das kann ja sogar ein Grüner ausrechnen, dass das nicht funktioniert."

Mit den Grünen hat er es nicht so, das merkt man schnell. An denen nervt ihn "das Dogmatische", sagt er. Kein Wunder also, dass die grüne Liebe zum Radfahren, die für ihn eher zwischen Verherrlichung und Vergötterung schwankt, etwas Närrisches hat. "Nur fünf Prozent aller zurückgelegten Kilometer in der Stadt werden mit dem Rad gefahren", sagt er. Dass die Stadt dafür jetzt Hunderte von Parkplätzen streichen will, das ärgert ihn.

Aber: Er will da auch nicht fundamentalistisch werden. Radeln ist schon in Ordnung, aber halt mehr so auf Nebenstrecken. Eine Frage der Weltanschauung ist das nicht für ihn, und er kann schon auch mal drüber lachen. Wenn zum Beispiel im Stadtratsplenum der Kollege Christian Vorländer (SPD) frotzelt, man könne so eine neue Fahrradtrasse ja auch "Richard-Progl-Radl-Schnellweg" benennen, eingedenk dessen bekannter Ressentiments, dann twittert Progl durchaus mal zurück: "Dann aber bitte mit mindestens drei Meter Breite, damit ich auch draufpasse."

Eine gewisse Selbstironie gehört eben auch zur bayerischen Mentalität. Ansonsten hält es Progl aber oft mit der Prämisse des von ihm eigentlich nicht so arg geschätzten Franz Josef Strauß: "Liberal samma scho, aber ned bläd!" - im konservativen Sinne, versteht sich. Wenn es etwa um die Wohnungspolitik geht. Da sagt er solche Sätze wie: "Ich kann Angebot und Nachfrage nicht komplett über sozialistische Ansätze aushebeln", bezogen auf die Absicht der Stadtspitze, in Fällen von drohenden Luxussanierungen das Vorkaufsrecht auszuüben. Und auch bei großen Neubauvorhaben raucht Progl keinen Guten, wie man in Bayern so sagt. Sein Rezept ist: Die Leute nicht in die Stadt locken, das entlastet den Wohnungsmarkt und auch alle anderen Bereiche der Infrastruktur, von den Krankenhäusern bis hin zu den Straßen. Jedes Jahr gebe es 120 000 Zuzüge, aber auch 100 000 Abgänge. Schaffe man es, die Zuzüge zu begrenzen, dann entspanne sich die Situation von alleine. Anstatt Anreize zu schaffen, um große Konzerne in die Stadt zu holen, müsse man vielmehr "den hiesigen Mittelstand stärken", das sei viel vernünftiger. Herzuziehen wäre unattraktiver durch den Verzicht auf neue große Siedlungsvorhaben, zumindest, bis dort U- und S-Bahn-Anschlüsse vorhanden sind.

Mehrheitsfähig sind solche Pläne wohl eher nicht. Jetzt wird es aber sowieso erst einmal darum gehen, wieder in den Stadtrat einzuziehen. Bleibt es bei der niedrigen Wahlbeteiligung vom letzten Mal, dann braucht die Bayernpartei etwa 0,7 bis ein Prozent der Stimmen. Richard Progl ist zuversichtlich, in ganz Europa wachse das Bewusstsein für die Region, in der man lebe. In Katalonien zum Beispiel hätten es die Separatisten ja auch schon mal in die Regierung geschafft.

Ob das ein Modell für die Bayernpartei sein kann, ist freilich eine ganz andere Frage. Der katalanische Separatist Carles Puigdemont lebt seit Jahren im Exil. Das wäre ja wohl nichts für einen heimatliebenden Bayern. "Wenn, dann in Schottland", sagt Richard Progl, der als eines seiner Hobbys "Whisk(e)y" angibt, "die Schotten sind von ihrer Mentalität her den Bayern recht ähnlich. Die Iren auch. Da fahre ich auch gern im Urlaub hin." Den Münchner St. Patrick's Day, dieses Jahr am Wahlwochenende, würde also wohl auch ein Oberbürgermeister Richard Progl gerne eröffnen.

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