Berchtesgaden:Auch 30 Millionen reichen auf dem Obersalzberg nicht

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Das NS-Dokuzentrum auf dem Obersalzberg liegt etwa zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück. Mit einer Eröffnung ist frühestens 2022 zu rechnen. Simulation: Dokumentation Obersalzberg (Foto: N/A)
  • Die aktuellen Ausstellungsräume des NS-Dokumentationszentrums reichen für den Besucherandrang nicht mehr aus.
  • Deshalb soll ein Neubau enstehen, der aber wohl teurer wird als geplant.
  • Derzeit liegt das Vorhaben ungefähr zwei Jahre hinter dem Zeitplan. Die für heuer vorgesehene Eröffnung wird es also frühestes 2022 geben.

Von Matthias Köpf, Berchtesgaden

Eine Forderung der Abgeordneten hat das Bauministerium neulich schon erfüllt: "Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bayerischen Landtags wurde bereits über die Verzögerung der Fertigstellung informiert", ließ Ministerin Kerstin Schreyer (CSU) vor einigen Tagen mitteilen. Die Abgeordneten wurden also auf dem Laufenden gehalten, wie sie es vergangenes Jahr ultimativ verlangt hatten.

Ihre Hauptforderung aber, dass der Ausbau der Dokumentation Obersalzberg bei Berchtesgaden auf keinen Fall teurer werden dürfe als die widerstrebend gebilligten 30 Millionen Euro, wird deutlich schwerer zu erfüllen sein. Jetzt hat das Ministerium deswegen die Verträge mit den Architekten gekündigt. "Es geht um möglichst schnelle Schadensbegrenzung", sagt Schreyer, die selbst erst seit Anfang Februar als Bauministerin in der Verantwortung steht. "Wenn genau das Büro, das mit der gesamten Projektkoordinierung beauftragt ist, schlechte Leistungen erbringt, hat das sehr negative Auswirkungen auf ein Bauprojekt", hieß es in ihrer Erklärung vom Mittwoch weiter.

Derzeit liegt das Vorhaben ungefähr zwei Jahre hinter dem Zeitplan. Die für heuer vorgesehene Eröffnung wird es also frühestes 2022 geben. Immerhin steht inzwischen der Rohbau des Gebäudes, das einmal die neue Ausstellung aufnehmen und darüber hinaus Teile der alten Bunkeranlagen in einen Rundgang einbinden soll.

Inzwischen steht ein Rohbau des Gebäudes, das einmal eine neue Ausstellung und auch Teile der alten Bunkeranlagen in einem Rundgang verbinden soll. Simulation: Dokumentation Obersalzberg (Foto: N/A)

Die Grundzüge der neuen Ausstellung hat das Institut für Zeitgeschichte als Betreiber der Dokumentation schon vor zwei Jahren vorgestellt. Die jetzige, vom Freistaat 1999 eingerichtete Dokumentation ist zwar sehr erfolgreich und zieht statt der einst erwarteten 40 000 Gäste pro Jahr inzwischen 170 000 an. Sie befasst sich mit Hitlers Rückzugsort und zweitem Regierungssitz sowie den zum Teil dort geplanten und befohlenen Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten. Doch gerade wegen dieses Andrangs soll die Dokumentation auf die vierfache Ausstellungsfläche erweitert und bei der Gelegenheit museumspädagogisch zeitgemäßer gestaltet werden. Der bestehende Bau soll Seminargebäude werden, wird nun aber vorerst weiter seiner alten Bestimmung dienen.

Die Verzögerungen führt Schreyer darauf zurück, dass mehrere Planer die bestellten Leistungen "entweder gar nicht oder schlecht erbracht" hätten. Einem Ingenieurbüro war schon im vergangenen Jahr gekündigt worden, nun erklärte das Ministerium auch die Zusammenarbeit mit den federführenden Architekten für beendet, einem Büro aus dem österreichischen Vorarlberg. Dies betrifft auch ein weiteres Planungsbüro, weil sich dieses mit den Architekten zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengetan hatte. Bei dem von der Jury einstimmig zum Sieger des Architektenwettbewerbs erklärten Entwurf soll es freilich bleiben. Die Kritik richtet sich vor allem gegen Bauausführung und -aufsicht.

Hier sollen nun neue Büros Fehlendes liefern und Fehler ausbügeln. Zugleich will sich das Ministerium an den gekündigten Planern schadlos halten. Ziel bleibe es, "durch stringentes Regress- und Nachtragsmanagement weitere Mehrkosten zu vermeiden". Sollte dies nicht oder nicht in voller Höhe gelingen, wird dem Landtag kaum etwas anderes übrig bleiben, als weitere Millionen freizugeben - allen Ultimaten zum Trotz. Der Nachschlag von 8,5 Millionen Euro, den die Abgeordneten 2019 als vermeintlich letzten genehmigt haben, war jedenfalls nicht der erste. Zwei Jahre zuvor hatten sie den Kostenrahmen von 14 auf 21 Millionen erweitern müssen.

Einen neuerlichen Nachschlag erleichtern könnte ihnen ein Gesamtkonzept für die Erinnerungsarbeit an die Opfer des Nationalsozialismus und den Kampf gegen Antisemitismus, das der Ministerrat im Januar vorgelegt hat. Dieses Paket ist nicht in allen Teilen neu und auch nicht mit genauen Summen versehen.

Laut Kultusminister Michael Piazolo (FW) sollen es aber mindestens 200 Millionen Euro sein. Es sieht auch größere Summen für die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg vor. Die Kritik an den Kostensteigerungen am Obersalzberg war stets mit dem Hinweis verbunden, dass der Freistaat immer mehr Geld in einen Täterort stecke, während für Opferorte kaum Geld vorhabenden sei.

© SZ vom 05.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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