Björn Höcke:Die Ausgrenzer ausgrenzen

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Die vertane Gratulation zur Wahl: Bodo Ramelow und Björn Höcke (Foto: dpa(2))

Die Grundregeln des guten Umgangs müssen für alle gelten - mit einer Einschränkung: für alle, die den Willen erkennen lassen, dazuzugehören. Bodo Ramelow hatte also gute Gründe, Höcke nicht die Hand zu reichen.

Kommentar von Boris Herrmann, Berlin

Ein Handschlag signalisiert, dass sich zwei Menschen in friedlicher Absicht begegnen. Wer einen Handschlag verweigert, missachtet zumindest in unserem westlichen Kulturkreis die Regeln des guten Umgangs. Wer es trotzdem tut, muss das gut begründen. Viele Menschen verweigern dieser Tage Handschläge mit Blick auf die Risikowarnungen des Robert-Koch-Instituts in Sachen Coronavirus.

Bodo Ramelow, der alte und neue Ministerpräsident von Thüringen, begründete seine Handschlagsverweigerung gegenüber dem AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke mit einer Risikowarnung vor Hass und Hetze. "Sie sind die Brandstifter in diesem Saal!", rief der gemäßigte Linke Ramelow den extremem Rechten bei seiner Antrittsrede zu. Er sei erst dann wieder bereit, Höcke die Hand zu reichen, wenn die AfD die Demokratie verteidige und nicht mehr mit Füßen trete. Ramelow hat richtig gehandelt.

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Der verweigerte Handschlag von Erfurt nach Ramelows Wahl war eine symbolkräftige Tat, vielleicht sogar eine für die Geschichtsbücher. Der Ministerpräsident hat deutlich gemacht, dass es ihm eben nicht darum ging, den Gratulanten Höcke vorzuführen. Sondern dass er hier im Namen all jener den Knigge missachtete, die der Demokratie und dem Parlamentarismus in friedlicher Absicht begegnen. Björn Höcke hat oft genug gezeigt, dass er keinen Wert darauf legt, dieser Gruppe zugerechnet zu werden.

Betroffenheit reicht nicht mehr! Der Satz könnte von Bodo Ramelow stammen. Tatsächlich hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mit dieser zentralen Botschaft am Donnerstag eine Parlamentsdebatte zu den rassistischen Morden von Hanau eröffnet. Er rief auf zu "entschlossenem Handeln", aber auch zu "Aufrichtigkeit und Selbstkritik". Es war eine bewegende Rede, aber keine bequeme Rede. Zur Aufrichtigkeit im Sinne Schäubles gehört nämlich auch, dass mit Begriffen wie "Rassist" und "Faschist" inzwischen inflationär umgegangen wird. Aber nicht jeder Systemkritiker will gleich das System abschaffen. Und, Schwenk zurück nach Erfurt, es wäre deshalb keine gute Idee, wenn künftig jene, die sich für aufrechte Demokraten halten, allen AfD-Politikern und deren Sympathisanten den Handschlag verweigern würden. Das kann Ramelow auch nicht gemeint haben, als er eine "neue Form des Miteinanders" zur Maxime seiner Minderheitsregierung erklärte. Die Grundregeln des guten Umgangs müssen für alle gelten - mit einer Einschränkung: für alle, die den Willen erkennen lassen dazuzugehören.

Björn Höcke ist nicht irgendein AfD-Politiker, sondern der Anführer jenes Flügels, der es sich offenkundig zum Ziel gesetzt hat, das System von rechts außen zu untergraben. Seine Programmatik, seine vergiftete Sprache und sein würdeloses Taktieren im Landtag lassen erkennen, dass er eben gerade nicht dazugehören will. Man muss ihm und seinen Anhängern zeigen: Indem er versucht, andere auszugrenzen, grenzt er sich selbst aus. Das hat Ramelow mit einer gut begründeten Geste sehr deutlich gezeigt. Und er hat sie sogar mit einer Einladung verbunden: dass er Höcke an jenem Tag die Hand schütteln werde, an dem dieser an den Tisch der Demokraten zurückkehre.

Wenn es, was zu erwarten ist, zu diesem Handschlag niemals kommt, dann liegt es nicht an Ramelow und nicht am Robert-Koch-Institut, sondern an Höcke.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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