Klima:Streit um Windräder

Kritiker sehen den Mindestabstand von 1000 Metern zu Siedlungen für nicht vereinbar mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien zu steigern. Der Streit hält an.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Vorige Woche Mittwoch schien die Welt rund um die Windräder endlich in Ordnung. Das Bundeswirtschaftsministerium präsentierte einen Kompromissvorschlag zu den umstrittenen Mindestabständen zu den Rotoren. Nicht mehr der Bund sollte das letzte Wort haben, sondern die Länder. Die sollten selbst entscheiden, ob sie einen Mindestabstand von 1000 Metern wollen. Viele Länder applaudierten, das Umweltministerium sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Doch die Einigung war gar keine. Denn keine Woche später steht der Kompromissvorschlag schon wieder zur Disposition, Teilen der Unionsfraktion geht er zu weit.

Hintergrund des Streits ist eine Vereinbarung des Koalitionsausschusses, zustande gekommen im Zustand völliger Übernächtigung nach stundenlangen Verhandlungen über das Klimapaket. In wenigen Zeilen stehen da zwei Ziele, die eigentlich kaum vereinbar sind. Einerseits soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Andererseits soll der Bund einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Siedlungen vorschreiben. Das 65-Prozent-Ziel, so urteilte das Umweltbundesamt, sei mit solchen Abständen "nicht erreichbar". Seither wogt der Streit.

Das Kompromiss-Angebot des Wirtschaftsministeriums kam aber offenbar nicht aus dem Nichts. Das zeigt eine Mail des Ministeriums, die an die Verhandlungsführer der Fraktionen ging, sie liegt der SZ vor. Nach einem Treffen Mitte Februar sei man gebeten worden, "einen Vorschlag für eine Länderöffnungsklausel (...) vorzulegen", heißt es darin. "Dieser Bitte kommen wir gerne nach und übersenden Ihnen anbei eine entsprechende Regelung" - eben jenen Kompromiss, den das Ministerium später verbreitete. Und das genau einen Tag nach Ablauf einer Frist, die das Ministerium den Fraktionen in aller Freundlichkeit für Rückmeldungen gesetzt hatte.

Die Einwände dagegen kamen erst eine Woche später - bei einem erneuten Treffen der Unterhändler von Union und SPD. Das Treffen war kurz, die Sozialdemokraten verließen es, sichtlich frustriert. "Mir reicht es", sagt etwa SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. "Wir brauchen jetzt eine klare Ansage, ob und wie die Union das 65-Prozent-Ziel erreichen will." Der Verdacht dränge sich auf, dass sie es in Wahrheit verhindern wolle. Die Union wiederum hält sich bedeckt: Die Verhandlungen liefen noch, und natürlich wolle man eine Lösung, heißt es aus Kreisen der Verhandler. Umwelt- und Wirtschaftsministerium sind mittlerweile nur noch konsterniert.

Die Folgen des Patts gehen über die Windkraft hinaus. Denn die Union verknüpft auch ein anderes Ökostrom-Thema mit der Lösung im Windstreit: die Aufhebung des so genannten Solardeckels. Er begrenzt die Förderung neuer Solaranlagen auf 52 Megawatt - eine Grenze, die im Laufe des Jahres erreicht werden wird. So könnte die Solarförderung zum Kollateralschaden des Koalitionsstreits werden.

Eigentlich sollte der Streit bis zum Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel nächsten Donnerstag geklärt sein. Die Regelungen zum Wind stehen weit oben auf der Tagesordnung. Vorher gäbe es nur noch eine Gelegenheit, den Streit zu lösen: den Koalitionsausschuss am Sonntag.

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