Neue Doku-Serie:"Es gewinnt immer ein Junge"

Hillary Clinton

Nachsichtig: Hillary Clinton.

(Foto: Evan Agostini/AP)

Hillary Clinton ist in den USA gleichzeitig Hassfigur und Vorbild. "Hillary" zeigt sie als Frau mit enormem Durchhaltevermögen, die offen über Fehler spricht - und über ihre Verletzungen.

Von Kathrin Werner

Es fing schon in der Schule an. Hillary Clinton, begabt, strebsam, ehrgeizig, wollte Schülersprecherin werden. Sie warb für sich, sie erklärte allen, warum sie die Beste wäre. Ein Klassenkamerad sagte ihr von Anfang an: "Du kannst dich ja bewerben, aber es gewinnt immer ein Junge." Es war 1964 und es gewann ein Junge. Clinton, die damals noch Hillary Rodham hieß, machte für ihn die mühsame Arbeit im Hintergrund.

Eine neue vierteilige Dokumentation, die ab dem Weltfrauentag an diesem Sonntag bei Sky zu sehen ist, erzählt die Lebensgeschichte von Hillary Clinton. Und noch viel mehr: Es ist die jüngere Geschichte der Frauen in den USA. Clinton, die es so weit geschafft hat wie keine vor oder nach ihr, bis zur Kandidatin einer der zwei großen US-Parteien für das Präsidentenamt, ist gleichzeitig Hassfigur und Vorbild, gleichzeitig tragische und bewundernswerte Person. Wer sie ist, wer sie hätte sein können, wer sie hätte sein müssen, bekommt neue Relevanz angesichts der Tatsache, dass auch in diesem Wahlkampf keine Frau die US-Wahl gewinnen und das Rennen zwischen drei weißen Männern in ihren 70ern ausgemacht werden wird.

Hillary Clinton und ihr Mann haben sich stundenlang für Interviews mit der Dokumentarfilmerin Nanette Burstein Zeit genommen, hinzu kommen mehr als 2000 Stunden Hintergrundvideos aus dem Wahlkampf, die Clintons Team eigentlich aufnehmen ließ, um daraus einen Film über den glorreichen Aufstieg der ersten Präsidentin der USA zu machen. Es ist anders gekommen. Nun ist es ein Film über eine Frau, die bereit gewesen wäre, und ein Land, das es noch immer nicht ist. "Du musst mehr lächeln", riet ihr ein Zottelbartträger bei einem Auftritt. Clinton hat ausgerechnet, dass sie während ihres 600 Tage langen Wahlkampfs insgesamt 25 Tage damit verbrachte, dass jemand ihr die Haare und das Make-up machte.

Wer die Dokumentation schaut, lernt in knapp mehr als vier Stunden eine Frau kennen, die ein schier unglaubliches Durchhaltevermögen hat, die für ihre Überzeugungen lebt, intelligenter ist als fast jeder andere, aber manchmal vielleicht etwas stur, die sehr an sich selbst und ihre eigene Rechtschaffenheit glaubt, die lustig und verletzlich ist. Hillary Clinton ist nicht nur eine politische Figur, sie ist ein Mensch - und hätte Amerika sie so vor der Wahl kennengelernt, die Donald Trump ins Weiße Haus brachte, vielleicht wäre dann der über Jahrzehnte gewachsene Vorwurf, sie sei unecht und unglaubwürdig, aus dem Weg geschafft worden. Vielleicht hätte sie aber auch nicht so offen gesprochen.

Zum Beispiel über die Affäre ihres Mannes, während er US-Präsident war. Eines Morgens kam er ins Schlafzimmer, sie schlief noch, setzte sich ans Bett und erzählte seiner schlaftrunkenen Frau von diesen Vorwürfen rund um die Praktikantin Monika Lewinsky. Es sei nichts dran, sie müsse ihm glauben, er habe nichts getan. Es war eine Lüge, aber sie glaubte ihm. Der Moment, in dem er ihr erzählte, dass er gelogen und betrogen hat, war einer der schmerzhaftesten ihres Lebens. Selbst die sonst so gefasste Hillary Clinton zeigt im Videointerview ihre Gefühle, wenn sie darüber spricht. Bills Stimme zittert, wenn er erzählt, wie sie ihn zur gemeinsamen Tochter Chelsea schickte, damit er es ihr persönlich gesteht. Dass Hillary damals bei ihm blieb, ist einer der Vorwürfe, den ihr die Hillary-Hasser immer wieder machen. Hätte sie sich getrennt, hätten sie ihr vermutlich vorgeworfen, nicht bei ihm geblieben zu sein.

Clinton spricht offen über ihre Verletzungen. Amerikas Rechte hat ihr vorgeworfen, sie sei eine schlechte Mutter und Ehefrau, sie sei zu links, zu laut. Amerikas Linke warf ihr vor, sie habe sich ihrem Mann zuliebe verbogen, sei nicht feministisch genug, sei zu rechts, sie habe zu sehr mit der Wirtschaft gekuschelt. All die Anfeindungen haben Narben hinterlassen. Je mehr sie von sich zeigte, desto mehr geriet sie in die Kritik. Also zeigte sie immer weniger von sich. Als Hillary und Bill Clinton noch jung waren, schlug er seiner scharfsinnigen und bestens ausgebildeten Frau vor, sich doch selbst mal für ein politisches Amt zur Wahl zu stellen. Sie lachte nur und sagte: "Die Menschen würden nie für eine forsche Frau wie mich stimmen."

Hillary Clinton, das gibt sie heute zu, hat viel falsch gemacht. Aber sie hätte es nicht richtig machen können. Auf ihrem Grabstein, sagt sie, soll einmal stehen: "Sie ist weder so gut noch so schlecht, wie die Leute sagen."

Hillary, bei Sky.

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