Weniger Lebensmittelspenden:Die einen hamstern, den anderen fehlt es am Nötigsten

Weniger Lebensmittelspenden: In Berlin versorgt die Tafel 150 000 Menschen pro Monat. Auch hier ist das Angebot derzeit um mehr als die Hälfte niedriger.

In Berlin versorgt die Tafel 150 000 Menschen pro Monat. Auch hier ist das Angebot derzeit um mehr als die Hälfte niedriger.

(Foto: Stefan Schaubitzer/dpa)
  • Wegen der Vorratskäufe, die manche Menschen angesichts der Coronavirus-Krise tätigen, kommen weniger Lebensmittel bei den Tafeln an.
  • In Berlin etwa hat sich das Angebot mehr als halbiert.
  • Den Helfern bereiten die Hamsterkäufe noch aus anderen Gründen Sorgen.

Von Camilla Kohrs

Keine Milchprodukte mehr, nur noch wenig Obst- und Gemüse: Die Tafeln beklagen, dass wegen der Angst vor dem neuartigen Coronavirus und dadurch bedingten Hamsterkäufen massiv weniger Lebensmittel bei ihnen ankommen. Die Tafel in Unna im Ruhrgebiet etwa hat weniger als die Hälfte der normalen Ration zur Verfügung. "Es reicht hinten und vorne nicht", sagt die Leiterin Ulrike Trümper. In einer normalen Woche würden die Helfer etwa 1000 Kisten Lebensmittel einsammeln, diese Woche dürften es 500 bis 600 weniger sein, schätzt sie. Die Kühlhäuser der Tafel sind bereits leergeräumt. "Da standen zuletzt vielleicht noch 20 Becher Joghurt drin." Mit Nachschub sei so schnell nicht zu rechnen, auch die Obst- und Gemüsespenden sind stark zurückgegangen.

Trümpers Tafel versorgt normalerweise 2500 Menschen an neun Ausgabestellen in Unna und Umgebung. Nun bleiben zwei Ausgabestellen an einem Tag in der Woche geschlossen, damit mehr Lebensmittel an den anderen Stellen ausgegeben werden können. "Was sollen wir machen, wir können ja den Apfel nicht auch noch halbieren", sagt Trümper.

Dem Dachverband ist die Situation bereits bekannt: Mehrere Tafeln hätten Probleme gemeldet, sagt die Sprecherin Anna Verres. Wie viele der insgesamt 950 Tafeln betroffen sind, wisse sie nicht. Der Dachverband könne nicht jede Einrichtung abfragen. Probleme gebe es neben Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen auch in Berlin. "Tafeln sind es gewöhnt, zu improvisieren und können keine Vollversorger sein", sagt Verres. Schon 2015 kam es zu Engpässen, als mit Geflüchteten auf einen Schlag viel mehr Bedürftige kamen. "Aber jeder, der plötzlich deutlich weniger Lebensmittel verteilen kann, an Menschen, die sie brauchen, weiß, dass das nicht schön ist."

Wenn Quarantäne zum Problem wird

Was die Helfer besonders verwundert: Nicht nur die bei Hamsterkäufen beliebten Nudeln sind ausverkauft. Von denen bekommen die Tafeln in normalen Zeiten schon wenig. Sondern auch die Frischware: Fast 50 Prozent der Lebensmittel, die normalerweise bei der Tafel landen, sind Obst und Gemüse, dazu kommen hauptsächlich Backwaren und Milchprodukte, sagt Verres. Aktuell fehlt es an allem. "Auch in solchen Ausnahmesituationen sind die Ärmsten und Schwächsten wieder am schwersten betroffen", lautet ihr Fazit. Das gelte nicht nur bezüglich des eingeschränkten Angebots der Tafeln: "Das sind keine Leute, die sich ohne Ende Vorratskäufe anlegen können. Und wenn sie in Quarantäne kommen und deswegen zwei Woche nicht zur Tafel können, kann das für einige durchaus zum Problem werden."

In Berlin versorgt die Tafel 150 000 Menschen pro Monat. Auch hier sei das Angebot derzeit um mehr als die Hälfte niedriger, sagt die Vorsitzende Sabine Werth. Ein Freiwilliger, berichtet Werth, sei heute bei 18 Läden vorbeigefahren und habe gerade einmal 17 Kisten mitgebracht. Normalerweise ist es das Drei- bis Vierfache. Natürlich gebe es keinen Anspruch der Menschen auf Essen von der Tafel, sagt Werth. "Aber es gibt das Gefühl: Leute, die genug Geld haben, können sich bevorraten, Leute, die nicht genug Geld haben, müssen sehen, wo sie bleiben", sagt Werth. "Das schafft schon Unmut." Die Berliner haben nun einen Notfallplan aufgestellt, für den Fall, dass es Infektionsfälle bei der Tafel gibt. In dem Falle müssten die Ausgabestellen geschlossen werden, sagt Werth.

In Unna hat die Tafel in den vergangenen Monaten viele Konserven angesammelt, die eigentlich für die Weihnachtszeit vorgesehen waren. Auf die können die Helfer zurückgreifen. "Im Moment schicken wir niemanden weg", sagt Ulrike Trümper. Das gelte aber nur für die Bestandskunden: Neukunden nimmt die Tafel bis Mai nicht mehr auf.

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